Wohnen in München:Als die Wohnungssuche noch in der Telefonzelle begann

Wohnen in München: Dass früher regelrechte Kämpfe um Telefonzellen entstanden, kann man sich heutzutage kaum noch vorstellen.

Dass früher regelrechte Kämpfe um Telefonzellen entstanden, kann man sich heutzutage kaum noch vorstellen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Früher gab noch kein Internet, die Wohnungsanzeigen standen in der Tageszeitung und vor den gelben Häuschen spielten sich dramatische Szenen ab.

Von Karl Forster

Früher war nicht alles besser. Aber anders, ja anders war es schon. So auch bei der Wohnungssuche in München. Die Not war immer schon groß, auch wenn mit Neuperlach und dem Hasenbergl Monsterquartiere am Stadtrand gewachsen waren; auch wenn im Olympiadorf und in der Studentenstadt die Klientel der Universitäten Wohnstatt fand (was übrigens nicht nur stadtplanerischer Weitsicht zu verdanken ist, sondern auch dem nach den 68er-Unruhen gewachsenen Wunsch, die Studenten unter einen Hut zu kriegen). Die beste Quelle für den Wohnungsmarkt waren die Anzeigenseiten der Tageszeitungen.

Für die Verlage waren das goldene Zeiten; das Anzeigengeschäft war noch nicht ins Internet abgewandert, weil es das noch nicht gab. Und so kam es durchaus vor, dass es zweimal die Woche mehr Seiten mit Münchner Wohnungsanzeigen gab, als welche mit redaktionellen lokalen Inhalten. Weil es aber auch noch kein Handy gab (das C-Netz kam in den Achtzigern, war aber meist jenen Angebern vorenthalten, die es nicht nötig hatten, Wohnungen zu suchen), war die Not groß rund um das damals innerstädtisch gelegene Verlagsgebäude der Süddeutschen Zeitung.

Es kam zu dramatischen Szenen vor den Telefonzellen. (Für die Jüngeren: Das waren gelbe Häuschen mit Münztelefonen drin.) Denn die Profis unter den Wohnungssuchenden waren erstens mindestens zu zweit, hatten zweitens diese gelben Häuschen ausspioniert und drittens kurz vor dem Verkaufsstart der Abendausgabe dann blockiert, meist, indem sie den heftig Telefonierenden gaben, aber in Wahrheit nur darauf warteten, dass der Kompagnon mit den frisch gedruckten Mietmarktseiten herbei eilte.

Oft hatte sich dann schon eine markante Schlange gebildet, es flogen Worte, von denen "Unverschämtheit" noch das mildeste war. Und doch waren all diese Tricks oft vergeblich, weil die angestrichenen Telefonnummern bereits dauerbesetzt waren. Irgendwer war bereits schneller gewesen.

Das kann, in seltenem Falle, auch ein Mitarbeiter der SZ gewesen sein, wie jener wohnungssuchende Jungredakteur, der nach Fertigstellung der Zeitung in der Mettage (gibt es so auch nicht mehr) zufällig die Korrekturseiten mit den Mietwohnungen neben dem Kopierer liegen sah, einen Blick drauf warf und ein Inserat entdeckte, welches Interessantes versprach: "Herrschaftswohnung in Nymphenburg, 220 Quadratmeter Altbau, hochwertig saniert. . ." plus Telefonnummer.

Nichts wie zurück an den Schreibtisch und dort angerufen. Ja, man arbeite bei der Süddeutschen Zeitung, man habe zufällig das Inserat entdeckt, man suche zufällig für eine Wohngemeinschaft mit Journalistenkollegen so etwas in dieser Richtung, und man sei sowieso und überhaupt ein äußerst angenehmer und zuverlässiger Zeitgenosse.

Tja, der Vermieter war SZ-Abonnent und kannte den Namen des Anrufers. Es war eine sehr schöne Zeit damals in einer sehr schönen Wohnung.

Wohnen in München
Online-/Digital-Grafik

In keiner anderen deutschen Stadt sind die Preise auf dem Wohnungsmarkt so expoldiert wie in München. Allein in den vergangenen zehn Jahren gab es einen Anstieg um etwa 40 Prozent.

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