Wohnen in der Stadt:Über die Münchner Miete zu jammern, ist zu bequem

Von wegen Mietwahnsinn: So hoch sind die Mieten in München gar nicht, sagt Rudolf Stürzer.

Von wegen Mietwahnsinn: Über die Münchner Mieten zu jammern, ist zu bequem.

(Foto: Jessy Asmus)

Das Klagen über die Zustände ist groß, doch die Mietbelastung ist in München im Vergleich zu anderen Städten und früheren Jahren gar nicht so schlimm. Das zeigen Zahlen.

Gastbeitrag von Rudolf Stürzer

Regelmäßige Berichte über "Horrormieten" und "Mietenwahnsinn" vermitteln den Eindruck, München sei nur noch für Wohlhabende und Bestverdiener bezahlbar. Dass die Mieten hier bundesweit die höchsten sind, bestreitet niemand. Aber was heißt eigentlich bezahlbar?

Der Maßstab hierfür ist die Mietbelastungsquote - sie beziffert, wie viel Prozent des Nettoeinkommens für die Miete aufgewendet werden muss. Vor 20 Jahren waren dies 31 Prozent. So steht es im Bericht zur Wohnungssituation 1997, den die Stadt herausgibt. 15 Jahre später schrieb sie in ihrem Bericht, die Mietbelastung sei aufgrund der hohen Kaufkraft "erfreulicherweise weiter gesunken" - auf jetzt 23 Prozent. Damit weise München im Vergleich zu anderen Großstädten "eher eine mittlere" Mietbelastung auf. Also alles ziemlich unspektakulär und vielleicht sogar kein Grund mehr zum Jammern?

Die Reaktion der Stadt: In ihren Berichten führt sie keine Mietbelastungsquote mehr auf, in den letzten Ausgaben sucht man sie vergebens. Fündig wird man in anderen Quellen: Eine aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft weist für München eine Mietbelastung von 27 Prozent aus, basierend auf Zahlen des Deutschen Mieterbundes; die Belastung ist demnach niedriger als zum Beispiel in Berlin, Hamburg und Würzburg, aber um drei Prozentpunkte höher als der Bundesdurchschnitt (24 Prozent). Dafür haben die Münchner mit 40 Quadratmetern pro Person unter den deutschen Großstädtern am meisten Platz.

Im Durchschnitt ist also alles völlig unauffällig. Aber: Überdurchschnittlich viel ihres Einkommens, nämlich etwa 40 Prozent, müssen etwa 30 000 Münchner Haushalte fürs Wohnen ausgeben, sie haben weniger als 1500 Euro im Monat zur Verfügung. Wie kann diesen Mietern geholfen werden? Sicher nicht durch den viel gepriesenen Bau von Sozialwohnungen. In gut der Hälfte von ihnen leben bereits jetzt sogenannte Fehlbeleger, die nach einer Gesetzesänderung nicht mal mehr eine Fehlbelegungsabgabe zahlen müssen. Die soziale Ungerechtigkeit dabei: Mieter, die sich eine Wohnung auf dem freien Markt leisten könnten, blockieren die Sozialwohnungen zu Lasten der wirklich Bedürftigen.

Wesentlich effektiver und zielgerichteter wäre es, das Wohngeld deutlich zu erhöhen. Geld ist genügend da. Genau an dem Umstand, an dem viele Mieter leiden - den hohen Mieten - verdient der Staat nämlich kräftig mit: allein aus den Münchner Wohnungsmieten mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr an Einkommenssteuern. Jedes Jahr steigt dieser Betrag um etwa 32 Millionen Euro. Auch die Einnahmen aus der Grunderwerbs-, Erbschaft- und Schenkungsteuer steigen wegen der stark gestiegenen Bodenwerte laufend. Hier könnte man mit einer Umverteilung vielen helfen - wenn man nur wollte. Aber pauschal über angeblich viel zu hohe Mieten zu jammern, ist bequemer.

Rudolf Stürzer ist Rechtsanwalt und sitzt seit dem Jahr 2000 dem Haus- und Grundbesitzerverein München vor. Dieser hat 30 000 Mitglieder, denen in München und Umgebung etwa 420 000 Wohnungen gehören.

Wohnen in München
Online-/Digital-Grafik

In keiner anderen deutschen Stadt sind die Preise auf dem Wohnungsmarkt so expoldiert wie in München. Allein in den vergangenen zehn Jahren gab es einen Anstieg um etwa 40 Prozent.

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