Bürojobs:Langweilen darf sich der Roboter

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Großraumbüro einer Buchhaltung in den 1920er-Jahren: Langweilige Routinearbeiten können heute vom Computer übernommen werden. (Foto: Knorr + Hirth/Süddeutsche Zeitung Photo)

Die Software von Another Monday nimmt Büroangestellten Routinejobs ab - sie sollen sich derweil um Spannenderes kümmern.

Von Helmut Martin-Jung, München

Hier die Adresse eintragen, unten den Rechnungsbetrag. Und natürlich ankreuzen, welcher Mehrwertsteuersatz gilt, und so weiter und so fort. Auch wenn sie inzwischen meistens digitalisiert sind: Formulare auszufüllen ist trotzdem ein ziemlich langweiliger und stupider Job. "Das ist eigentlich Roboter-Arbeit", findet auch Hans Martens.

Martens, gebürtiger Niederländer, hat 20 Jahre in führenden Positionen bei Banken gearbeitet. Doch nach der Bankenkrise und einem einjährigen Sabbatical beschloss er, die Branche zu wechseln. Er gründete eine Software-Firma, die Büroangestellte von der Langeweile erlösen soll. Robotic Process Automation (RPA) heißt das, was seine Firma Another Monday macht. Heißt: Die stupiden und langweiligen Jobs übernimmt ein Roboter.

Den darf man sich natürlich nicht als menschenähnliches Wesen vorstellen, das in einer Ecke des Büros sitzt und den ganzen Tag (und womöglich die ganze Nacht) vor sich hin tippt. Die Roboter, das sind Software-Programme, die andere Software-Programme steuern. Das nämlich ist ein Problem, das viele Firmen haben: Sie sitzen auf manchmal Dutzenden sogenannter Legacy-Programme. Das ist Software, die speziell auf die Firma zugeschnitten ist, manchmal sogar speziell dafür entwickelt wurde.

Solche Programme, die oft eine zentrale Rolle für ein Unternehmen spielen, kann man nicht einfach ersetzen, sie bleiben lange im Einsatz. Die Software von Another Monday "bedient die vorhandenen Systeme, als ob sie ein Mensch wäre". Eine wichtige Rolle spiele dabei aber die Methodik, sagt Martens, "da muss man ganzheitlich draufschauen". Ganzheitlich, das heißt: In vielen Fällen sind die Prozesse, so wie sie in einer Firma ablaufen, nicht optimal, sondern haben sich durch Gewohnheit entwickelt. Automatisiert werden aber müsse der Soll-Prozess.

Aber hat Martens nicht ein schlechtes Gewissen? Seine Software könnte ja dazu führen, dass Jobs wegfallen. Doch das hat er bei den mehr als 1200 Software-Robotern, die mittlerweile im Einsatz sind, noch nicht beobachtet. "Die Firmen sparen viel Geld", sagt er, "aber es gibt keine Entlassungen". Allenfalls holten die Firmen Arbeit von Outsourcing-Diensten zurück. Menschen zu ersetzen, ist auch gar nicht sein Ziel. Ihm geht es darum, die Menschen von gleichförmigen, langweiligen Tätigkeiten zu entlasten, damit sie sich auf spannendere Sachen konzentrieren und so dem Unternehmen helfen könnten: "Die Menschen machen den Unterschied, nicht die Roboter." Daher kommt übrigens auch der Name. Die Firma wolle Angestellten einen anderen, besseren Start in die Arbeitswoche ermöglichen.

"Die Umsetzung ist das Entscheidende, nicht die Software."

Für das Ausfüllen von Formularen hat Another Monday eine eigene Technologie entwickelt. Trotzdem gibt Martens zu, dass es selten gelinge, auf 100 Prozent Automatisierung zu kommen, "wir erreichen aber oft 90 bis 95 Prozent". Es geht aber nicht nur um Formulare, auch andere Firmenprozesse bildet die Software ab. Bei der Deutschen Telekom etwa checkt sie bei Störungsmeldungen automatisch ab, ob es aus derselben Gegend noch weitere Meldungen gibt. Denn dann könnte es sich zum Beispiel um einen Defekt an einer Hauptleitung handeln. Zumindest aber wird verhindert, dass sich mehrere Techniker in dieselbe Gegend aufmachen.

Die Telekom war der erste große Kunde in Deutschland und auch so etwas wie ein Prüfstein. Anders als in den Niederlanden, wo Another Monday schon in vielen großen Unternehmen tätig war, gelten in Deutschland strengere Auflagen bei Datenschutz und Compliance. "Die Leute von der Telekom haben gesagt, wenn Ihr es bei uns schafft, schafft Ihr es überall."

Mittlerweile hat Another Monday andere Sorgen. Die Firma möchte wachsen und um neue Mitarbeiter werben. Beispielsweise überlegt Hans Martens, eSport-Veranstaltungen zu sponsern, weil er hofft, dort auf potenzielle Bewerber zu treffen. Außerdem sucht die Firma nach Unternehmen, welche die Software von Another Monday in einer Art Franchise-System vertreiben. Im Juni, so verspricht Martens, werde es ein neues Software-Werkzeug geben, das genau das erlaubt. Wichtig sei aber auch die Umsetzung, "das ist das Entscheidende, nicht die Software".

Martens glaubt, mit seiner Software in eine Lücke zu stoßen. Firmen wollten zwar Potenziale heben, die sich durch die Digitalisierung ergeben. Sie seien aber keineswegs so weit, schon künstliche Intelligenz einzusetzen, auch wenn das derzeit ein Schlagwort ist, das andauernd genannt wird. Doch vielen Firmen fehle dazu schlicht die nötige Masse an Trainingsdaten.

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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