Unterammergau:Heimatliebe

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Noch ist am Standort in Unterammergau nichts zu sehen. Bald will Christian Zott dort ein Ensemble bauen, das aus drei Gebäuden mit 2500 Quadratmetern Geschossfläche besteht. Computersimulation: Zott Artspace / Wild Bär Heule Architekten AG (Foto: ZOTT Artspace/ Wild Bär Heule Architekten AG)

Der Unternehmer und Kunstsammler Christian Zott baut ein Innovationszentrum mit Kunsthalle, Skulpturengarten, Hotel und Restaurant

Von Sabine Reithmaier, Unterammergau

Eine Wiese, ein Bagger, eine Bautafel - im Moment ist noch nicht viel zu sehen. Doch im Sommer 2019 soll auf dem 7000 Quadratmeter großen Grundstück am Weiherweg in Unterammergau ein Innovationszentrum mit Kunsthalle, Skulpturengarten, Zwölf-Zimmer-Hotel und Restaurant eröffnet werden. Fünf Millionen Euro investiert der Münchner Unternehmer und Kunstsammler Christian Zott in das Ensemble, das aus drei Gebäuden mit 2500 Quadratmetern Geschossfläche besteht.

700 Quadratmeter sind im ersten Gebäude, dem eigentlichen Innovationszentrum, für Kunst reserviert. Die restlichen Räume nutzt Zotts Firma, die MSE-Solutions, für Schulungen, Workshops und Basisentwicklungen sowie für richtungsweisende Startups. "Wir möchten kreative Köpfe mit einem außergewöhnlichen Standort und unserer Erfahrung unterstützen, damit gute Ideen das Laufen lernen", sagt der Chef. Ins zweite Gebäude zieht das Hotel, ins dritte die Kulinarik. Dazu ein großer Garten, in dem künftig Skulpturen aus Zotts Kunstsammlung stehen.

Es ist nicht die erste Kunstplattform, die Zott verwirklicht. Die nach ihm benannten und teilweise nur temporär genutzten "Artspaces" gibt es bereits in Singapur, Südtirol und München. Jetzt also noch Unterammergau, bislang nicht besonders berühmt als Kunstort. Zott hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, liebäugelte lange mit dem Tegernsee - "wäre von den Besucherzahlen her sicher besser" - und sich dann doch für seinen Geburtsort entschieden. "Ich habe so etwas wie ein Heimatgefühl." Nicht weit von der Baustelle entfernt den Hügel hinauf hat er deshalb, versteckt hinter einem Wald, auch ein Haus. Im Garten zeugen Plastiken von seiner Sammelleidenschaft.

Zott, Jahrgang 1960, sammelt schon lange Kunst, erst eher chaotisch, inzwischen "gerichteter". Nach seinem Maschinenbau- und BWL-Studium gründete er 1986 in München seine Beratungsfirma MSE-Solutions und optimiert seither die Logistikketten internationaler Konzerne; sein Unternehmen hat Standorte in Singapur, Chicago, Pittsburgh und Lübeck. Das Interesse für Kunst, das "Beobachtungslernen", wie er es nennt, hat er von seiner Mutter übernommen. "Sie schleppte die Familie nach Italien, um uns Kindern die italienische Renaissance näherzubringen", erzählt er, während er auf Lois Anvidalfareis Installation "Conditio Humana" zusteuert. Mitten im Wald steht das große Eisengerüst, zwischen dessen Stangen sich bronzene Menschenfiguren krümmen. Der Südtiroler Bildhauer zählt zu Zotts besonderen Favoriten, er schätzt auch die rätselhaften Gemälde des aus Russland stammenden Hamburger Künstlers Konstantin Sotnikow oder die Aufnahmen der US-amerikanischen Fotografin Beth Moon.

Die Dauerschau in der künftigen Kunsthalle wird er mit Werken aus der eigenen Sammlung bestücken. Daneben plant er Wechselausstellungen. Eröffnen wird das neue Haus mit "Kairos - der richtige Moment", eine Ausstellung, für die sich derzeit Wolfgang Beltracchi die Finger wund malt. Nicht wegen der Unterammergauer Eröffnung im Jahr 2019, sondern weil die Kairos-Ausstellung wandert und bereits am 5. Oktober 2018 in Venedig startet.

Mit "Kairos" will Zott, der inzwischen nebenbei Philosophie studiert, 2000 Jahre europäische Kunstgeschichte neu beleuchten: 23 Gemälde, die Künstler wie Goya, Klimt oder Picasso nie malten, die sie aber hätten malen können. Die verpassten Gelegenheiten, Leerstellen der Kunstgeschichte, füllt in der Handschrift der jeweiligen Künstler jetzt Beltracchi auf. Dazu gesellen sich Fotos von Mauro Fiorese. Der Italiener fotografierte jahrzehntelang in den Depots großer Museen und dokumentierte, welche Kunstwerke die Besucher nicht zu Gesicht bekommen. Zott reicht es nicht, Kunst nur anzusehen und sie nur schön oder nicht schön zu finden. "Ich möchte wissen, wann, wo und warum sie entstanden ist. Das macht mir Spaß." Genauso wie so ein gewagtes Projekt wie Kairos eben. "Aber daneben werden wir in Unterammergau auch solide und anerkannte Kunstwerke ausstellen."

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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