Konten im Ausland:Wenn Sparen gefährlich ist

Savedo

In der estnischen Hauptstadt Talinn hat die Versobank ihren Sitz. Diese verlor vor zehn Tagen wegen Verdacht auf Geldwäsche ihre Banklizenz und bereitete so auch deutschen Sparern Sorgen.

(Foto: Stuart Black/imago/robertharding)
  • Mithilfe von Zinsportalen im Internet legen viele Deutsche Geld bei Banken im EU-Ausland an.
  • Wenn ein Kreditinstitut, so wie jetzt in Estland, geschlossen wird, bestehen allerdings enorme Risiken.
  • Verbraucherschützer mahnen zur Vorsicht, denn auf die Einlagensicherung sollten sich die Sparer in solchen Fällen nicht verlassen.

Von Harald Freiberger

Stell dir vor, du legst Geld bei einer Bank an, und dann wird sie von einem Tag auf den anderen geschlossen. Genau 1146 Sparer aus Deutschland haben diesen Albtraum in den vergangenen Tagen erlebt und dürften deswegen ein unruhiges Osterfest verbracht haben. Am 26. März entzog die Finanzaufsicht in Estland der Versobank die Lizenz; sie steht im Verdacht, internationale Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus begünstigt zu haben.

Die deutschen Sparer kamen über das Zinsportal Savedo zur Versobank. Es sammelte in wenigen Jahren Geld von 25 000 Bundesbürgern ein und vermittelte es an europäische Banken, die noch etwas mehr Zinsen zahlen als jene 0,0 bis 0,05 Prozent, die es häufig nur noch bei deutschen Instituten gibt. Diese Banken sitzen in Rumänien, in Kroatien oder eben in Estland. Die Versobank etwa zahlte für Festgeld mit drei Jahren Laufzeit immerhin 1,6 Prozent Zinsen im Jahr.

Bei den Deutschen sind Savedo und ähnliche Portale sehr beliebt, auch weil sie vermeintlich mit Sicherheit punkten. Sie werben mit der europäischen Einlagensicherung, die für alle EU-Länder gilt und festlegt, dass für jeden Sparer bis zu 100 000 Euro abgesichert sind, sollte eine Bank pleite gehen oder aus anderen Gründen schließen. Doch was ist, wenn es wirklich dazu kommt? Was derzeit mit der Versobank in Estland passiert, ist deshalb eine Nagelprobe für das europäische Bankensystem: Wie steht es um das Versprechen der Einlagensicherung?

Generell sieht es zehn Tage nach Schließung der Bank gut aus: Estlands Finanzaufsicht sicherte zu, dass alle Sparer ihr Geld inklusive aufgelaufener Zinsen zurückerhalten. Sie stellte ein Dokument mit Fragen und Antworten online (www.fi.ee/public/20180326_KKK_eng.pdf), berief als Liquidator die estnische Tochter der deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, zwei schwedische Banken sollen die Auszahlung abwickeln. An diesem Donnerstag erhalten die ersten Sparer ihr Geld zurück, bis 20. April sollen alle entschädigt sein. Laut KPMG entfallen auf deutsche Sparer 52 Millionen Euro, ein Viertel der gesamten Einlagen der Bank. Alles scheint nach Plan zu laufen. "Im aktuellen Fall sehen wir, dass die für den Ernstfall vorgesehenen Prozesse greifen", sagt denn auch Christian Tiessen, der Chef von Savedo.

Alles gut also, kein Grund zur Aufregung für die deutschen Zinsjäger? Niels Nauhauser, Bankenexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sieht die Angelegenheit nicht ganz so gelassen. "Wir haben immer vor einem blinden Vertrauen in das europäische Einlagensicherungssystem gewarnt", sagt er. In Wirklichkeit gebe es nämlich kein einheitliches System, es gebe keinen europäischen Topf, in den die Banken aller EU-Länder einzahlten. Es gibt nur viele einzelne Töpfe: Jedes EU-Land ist verpflichtet, mit seinem nationalen Einlagensicherungssystem bis zu 100 000 Euro pro Sparer zu garantieren.

Es gibt keinen einheitlichen europäischen Einlagenschutz

Große Gegner eines gemeinsamen Topfes sind zum Beispiel die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Sie argumentieren, dass dann deutsche Sparer mit ihren Einlagen bei der Pleite einer spanischen Bank haften müssten - was so aber nicht stimmt: Das Geld käme nicht direkt von den Einlagen, sondern es käme aus dem Topf, in den alle Banken zuvor eingezahlt haben.

Im Fall der estnischen Versobank ist deshalb nun die estnische Finanzaufsicht dafür zuständig, die Entschädigung der Sparer zu organisieren. Theoretisch müsste sie dies aus dem Topf der estnischen Einlagensicherung tun. Praktisch ist dies offenbar aber nicht nötig, weil bei der Versobank dem Vernehmen nach genug finanzielle Mittel vorhanden sind; sie wurde ja nicht wegen Kapitalnot geschlossen, sondern wegen des Vorwurfs der Geldwäsche.

Für Verbraucherschützer Nauhauser ist der Präzedenzfall Versobank trotzdem nicht dazu angetan, Sparer zu beruhigen. "Dass es diesmal gut geht, heißt nicht, dass auch künftig Sparer immer voll entschädigt werden können", sagt er. Am Ende hänge die Zuverlässigkeit der Einlagensicherung vom politischen Willen eines Landes ab. Er kann sich einige Szenarien vorstellen, in dem diese Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist. "Die Versobank ist relativ klein, was aber ist, wenn in einem kleinen Land eine große Bank Pleite geht?", fragt der Verbraucherschützer. Dann stelle sich die Frage, ob die Steuerzahler des Landes im großen Stil für die Ersparnisse ausländischer Anleger garantieren. Die Regierung gerate unter öffentlichen Druck und entscheide möglicherweise zugunsten der eigenen Steuerzahler.

Zinsportal sieht keinen Grund für Zweifel am Geschäftsmodell

Ein anderes negatives Szenario ist für Nauhauser der Austritt eines Landes aus der EU. Nach dem Brexit sei dies keine Utopie mehr. "Was wird aus dem Ersparten von deutschen Anlegern, wenn das Land dann eine eigene, möglicherweise weiche Währung bekommt?", fragt er.

Der Verbraucherschützer hält Anlagen deutscher Sparer im europäischen Ausland deshalb für keineswegs so sicher, wie es Zinsportale wie Savedo oder auch der Marktführer Weltsparen suggerierten. Dieser hat inzwischen für mehr als 100 000 deutsche Kunden fünf Milliarden Euro an 45 Partnerbanken im europäischen Ausland vermittelt. Die estnische Versobank zählt allerdings nicht dazu.

"Die Zinsportale stellen naturgemäß die Sicherheit der europäischen Einlagensicherung in den Vordergrund, weisen aber nicht angemessen auf ihre Risiken hin", sagt Nauhauser. Zinsanlagen im europäischen Ausland empfiehlt der Verbraucherschützer nur solchen deutschen Sparern, die sich dieser Risiken, auch wenn sie für gering gehalten werden, voll bewusst seien. "Wer auf Sicherheit höchsten Wert legt, sollte sein Geld nur bei Banken mit deutscher Einlagensicherung anlegen", sagt er. Denn die deutsche Regierung habe bewiesen, dass sie für die Einlagen von Sparern notfalls auch mit Steuergeld garantieren würde. Außerdem könnten deutsche Sparer in Deutschland - anders als im Ausland - politischen Einfluss nehmen: Sie seien dort nämlich auch Wähler.

Ein Beispiel in Island illustriert Risiken

Das Zinsportal Savedo sieht indes keinen Grund, sein Geschäftsmodell zu ändern. "Banken können ausfallen, wie jeder andere Marktteilnehmer auch", sagt Chef Tiessen. Dafür gebe es die Einlagensicherung. Man weise deshalb jeden Kunden darauf hin, dass nur bis zu 100 000 Euro geschützt sind. Wichtigstes Kriterium bei der Auswahl einer Bank sei für Savedo deshalb, wie Ratingagenturen die Bonität des Landes einstufen. Sie sei ein Indikator für die Stärke der Einlagensicherung. Verbraucherschützer Nauhauser hält Ratingnoten allerdings auch für kein absolut sicheres Instrument. Das habe sich zum Beispiel im Fall von Griechenland gezeigt.

Wie riskant es sein kann, Geld im Ausland anzulegen, zeigte sich vor zehn Jahren in Island. Damals waren die Kreditinstitute dort, vor allem die Kaupthing-Bank, mit hohen Zinsangeboten in die Offensive gegangen und hatten hohe Millionenbeträge eingesammelt, auch von deutschen Sparern. Als im September 2008 die weltweite Finanzkrise eskalierte, konnten sie die Einlagen nicht mehr zurückzahlen. Erst viel später zeigte sich, dass bei den Banken doch noch ausreichend Kapital vorhanden war, und die deutschen Sparer bekamen nach langem Zittern ihr Geld zurück.

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