Flüchtlingspolitik:Schon wieder Zwist über Familiennachzug

Flüchtlingspolitik: Heimatmotive: Zeichnungen von jungen Flüchtlingen in einer Münchner Erstaufnahme-Einrichtung.

Heimatmotive: Zeichnungen von jungen Flüchtlingen in einer Münchner Erstaufnahme-Einrichtung.

(Foto: Catherina Hess)
  • Der Familiennachzug für subisidiär schutzberechtigte Flüchtlinge war bereits bei den Koalitionsverhandlungen heftig umstritten.
  • Nun hat das Innenministerium von Horst Seehofer einen Gesetzentwurf erarbeitet, der erneut Unmut auslöst.
  • Opposition und Teile der SPD beklagen zu harte Auflagen - doch ein Blick in den Entwurf zeigt, dass manche der vermeintlich neuen Vorschriften schon bisher gelten.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hat es kaum ein Thema gegeben, das derart umstritten war wie der Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem - also lediglich behelfsmäßigem - Schutz. Zwischendurch gab es bei manchem Verhandler sogar die Befürchtung, dass die Regierungsbildung daran scheitern könnte. Am Ende stand dann aber doch ein Kompromiss. Union und SPD verständigten sich darauf, den damals bereits ausgesetzten Familiennachzug für diese Flüchtlinge bis Ende Juli ausgesetzt zu lassen. Dafür soll vom 1. August an monatlich bis zu tausend Familienmitgliedern der Nachzug nach Deutschland erlaubt werden.

Jungsozialisten, Grüne oder Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl kritisierten den Kompromiss damals heftig, aber die Spitzen von Union und SPD waren zufrieden. Doch jetzt sorgt der Familiennachzug erneut für Unmut zwischen den Koalitionären. Worum geht es?

Zuständig für die Neuregelung ist das Bundesinnenministerium von CSU-Chef Horst Seehofer. Es hat jetzt einen Gesetzentwurf fertiggestellt und zur Abstimmung an die anderen Ressorts verschickt. Und einige Passagen darin sorgten am Mittwoch für erheblichen Wirbel im politischen Berlin - nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei einigen Sozialdemokraten. Sie beklagten, Seehofer habe zu harte Auflagen für den Nachzug in den Entwurf schreiben lassen.

SPD-Vize Stegner: Es darf jetzt nicht um die "schnelle Schlagzeile" gehen

In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und SPD lediglich einen Rahmen gesetzt. In dem Vertrag heißt es, ein Familiennachzug solle nur gewährt werden, "wenn es sich um Ehen handelt, die vor der Flucht geschlossen worden sind, keine schwerwiegenden Straftaten begangen wurden, es sich nicht um Gefährder handelt" und "eine Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten" sei. Die "weitere Ausgestaltung des Gesetzes" obliege aber den Koalitionsparteien beziehungsweise deren Bundestagsfraktionen. Und diese weitere Ausgestaltung sorgt jetzt für Ärger.

In dem 20-seitigen Gesetzentwurf Seehofers, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wird zunächst die noch geltende Aussetzung des Familiennachzugs gelobt. Diese sei "im Interesse der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit von Staat und Gesellschaft erforderlich". Wegen "der hohen Zahl von Asylsuchenden aus Herkunftsländern mit hoher Anerkennungsquote" hätte es ansonsten "eine zusätzliche hohe Zahl von Anträgen auf Familiennachzug" gegeben. Das hätte die Kapazitäten "von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Zivilgesellschaft" überfordert.

Da die Bundesregierung sich aber "ihrer humanitären Verantwortung gegenüber anerkannten Schutzberechtigten bewusst" sei, wolle man von August an Angehörigen der "Kernfamilie von subsidiär Schutzberechtigten" einen "geordneten und gestaffelten Familiennachzug" ermöglichen. Zur Kernfamilie gehören laut Gesetzentwurf nur Ehepartner, Eltern minderjähriger lediger Flüchtlinge sowie minderjährige unverheiratete Ausländer. "Sonstige Familienangehörige, einschließlich Geschwister", fallen nicht unter die Neuregelung, heißt es in dem Entwurf.

Der Gesetzentwurf schafft auch die Möglichkeit, "den Nachzug von Familienangehörigen zu zurückgekehrten Dschihad-Reisenden, terroristischen Gefährdern, Hasspredigern und Leitern verbotener Vereine zu versagen". Der Koalitionsvertrag hatte lediglich Gefährder explizit vom Familiennachzug ausgeschlossen.

Für Aufregung sorgten am Mittwoch aber vor allem Meldungen, wonach es Empfängern von Sozialleistungen wie Hartz IV künftig untersagt werden könne, Familienmitglieder nach Deutschland zu holen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte die SPD deshalb auf, den Gesetzentwurf zu stoppen. "Der im Koalitionsvertrag ohnehin schon geschredderte Familiennachzug wäre mit dem Ausschluss von Empfängern von Sozialleistungen komplett tot", sagte Baerbock dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der innenpolitische Experte der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, sagte der Rheinischen Post, ausschlaggebend für einen Nachzug sollten humanitäre Gründe sein, nicht der Geldbeutel der betroffenen Familien.

Allerdings findet sich in dem Gesetzentwurf des Innenministeriums bei genauer Lektüre gar keine Verschärfung der bisher geltenden Regelung für subsidiäre Flüchtlinge, die Sozialleistungen beziehen. SPD-Vize Ralf Stegner, ansonsten ein Freund klarer Worte, zeigte sich am Mittwoch denn auch vergleichsweise konziliant. Stegner hatte für die SPD die Koalitionsverhandlungen über die Flüchtlingspolitik geführt. Jetzt sagte er der SZ, der Familiennachzug sei "wirklich kein einfaches Thema in den Koalitionsverhandlungen" gewesen. Die SPD werde jetzt "strikt auf den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages beharren". Dabei müsse es aber um die wichtigen humanitären Fragen gehen - und nicht "um die schnelle Schlagzeile".

Und wie geht es jetzt weiter? Wenn die Ministerien den Gesetzentwurf abgestimmt haben, kann er vom Kabinett beschlossen werden. Dann berät der Bundestag über den Entwurf. Wann und mit welchen Änderungen er dann verabschiedet wird, ist noch nicht absehbar.

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