Deutsche Konzerne:Vom Azubi zum Vorstandschef

Deutsche Konzerne: Joe Kaeser (Siemens), Harald Krüger (BMW) und Christian Sewing (Deutsche Bank): Sie alle verbrachten ihr gesamtes Berufsleben in ihren Konzernen.

Joe Kaeser (Siemens), Harald Krüger (BMW) und Christian Sewing (Deutsche Bank): Sie alle verbrachten ihr gesamtes Berufsleben in ihren Konzernen.

(Foto: dpa)
  • Große deutsche Firmen befördern zunehmend Manager an die Spitze, die seit Jahrzehnten im Unternehmen sind.
  • Die Idee dahinter ist meist folgende: In unruhigen Zeiten sollen Chefs aus den eigenen Reihen für Ruhe und Stabilität sorgen.
  • Wichtig ist nach Ansicht von Experten, dass sich die internen Kandidaten nicht als Bewahrer positionieren und nicht mit bestehenden Problemen identifiziert werden.

Von Caspar Busse

Es ist wie eine Karriere aus dem Bilderbuch: 1989 hat Christian Sewing als Auszubildender in der Filiale in Bielefeld angefangen, dort die Kunden betreut und das Geschäft ordentlich gelernt. Jetzt, knapp 30 Jahre später, ist er der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, mit 47 Jahren der jüngste Chef, den Deutschlands größtes Geldinstitut je hatte. Sewing habe "in seinen mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Bank konstant bewiesen, dass er führungsstark ist und eine große Durchsetzungskraft hat", lobte Paul Achleitner, der Chef des Aufsichtsrats. Und: Er kenne die Bank einfach wie kein anderer.

Manager, die sich in Jahrzehnten in ihrem Unternehmen von weit unten ganz nach oben gearbeitet haben, das ist gerade wieder in Mode, nicht nur bei der Deutschen Bank, auch bei Siemens, Bayer, BMW, Infineon, der Commerzbank oder Lufthansa. Immer mehr große deutsche Firmen befördern in diesen unruhigen Zeiten lang gediente Manager an die Spitze. "Interne Kandidaten rücken wieder verstärkt an die Spitze von Unternehmen", stellt Martin Eisenhut fest. "Es zeigt sich eben, dass sie die Kultur gut kennen und alle Höhen und Tiefen mitgemacht haben", sagt der Deutschland-Chef der Unternehmensberatung AT Kearney. Wie bei der Deutschen Bank sollen die Personalien auch in den anderen Unternehmen für Ruhe und Stabilität sorgen. Aber ist es auch der richtige Weg?

Als Joe Kaeser Mitte 2013 an einem turbulenten Wochenende zum neuen Siemens-Chef ernannt wurde, versprach er den mehr als 350 000 Mitarbeitern erst einmal Ruhe, aber eine Beruhigung trat nicht ein. Kaeser, 60, baut seit seinem Amtsantritt vielmehr kräftig um, gliedert ganze Geschäftsbereiche aus, baut hier Jobs ab und dort neue Stellen auf. Der Mann aus dem Bayerischen Wald hatte gleich nach dem Examen 1980 bei Siemens angefangen und sich über viele Stationen, unter anderem in Kalifornien, bis in den Vorstand gearbeitet. Dort war er zunächst einige Jahre Finanzvorstand, beerbte dann aber den ehemaligen GE-Manager Peter Löscher. Kaesers Akzeptanz im Konzern gilt trotzdem als hoch.

"Es ist immer eine gute Idee, auf jemanden zu setzen, der das Unternehmen und die Industrie bereits seit Langem kennt", sagt Christine Stimpel, Partnerin und Chefin der Personalberatung Heidrick & Struggles. "Im angelsächsischen Raum neigen Unternehmen eher zu Disruption, da ist der Glaube an Neue und Neues stärker", sagt sie. Jemand von außen könne eher für neue wichtige Impulse sorgen, eingefahrene Strukturen ändern, so die Idee. Auch in Deutschland habe es mal eine Tendenz gegeben, dass der neue Chef außerhalb des Unternehmens gesucht wurde. Doch inzwischen werden wieder zunehmend interne Lösungen präferiert. Viele Konzerne treiben außerdem nun hohen Aufwand bei der Entwicklung des Führungsnachwuchses, bauen gute Managerinnen und Manager langfristig auf.

Deutschland sei eben ein konservatives Land, begründet das Beraterin Stimpel. "Hier empfindet man es als Vorteil, auf Bewährtes zu setzen, gerade auch in Krisensituationen", fügt sie an. Das gebe einer verunsicherten Mannschaft auch ein Sicherheitsgefühl. "Bekanntes fühlt sich eben gut an", betont Stimpel.

Dass Bekanntes erfolgreich sein kann, dafür gibt es viele Beispiele: Reinhard Ploss, 62, kam schon 1986 zum Siemens-Konzern und arbeitete in der Halbleitersparte, die später als Infineon abgespalten und an die Börse gebracht wurde. 2012 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden ernannt und stabilisierte das Geschäft der Hightech-Firma. Oder Werner Baumann, 55: Auch er heuerte direkt nach dem Studium 1988 bei Bayer an, stieg auf und wurde 2010 Finanzchef. 2016 wurde er Vorstandsvorsitzender, als Nachfolger von Marijn Dekkers, der Niederländer war zuvor von außen gekommen. Jetzt zieht Baumann die Übernahme des umstrittenen amerikanischen Saatgutherstellers Monsanto durch.

Manchmal schlagen interene Lösung auch fehl

Auch Carsten Spohr, 51, ist ein sogenanntes "Eigengewächs". 1993 erwarb er die Verkehrspiloten-Lizenz an der Lufthansa-Verkehrsflieger-Schule in Bremen und Phoenix, ein Jahr später kam er nach einem Intermezzo bei der Deutschen Aerospace AG zurück und machte Karriere. Seit Mai 2014 ist Spohr Vorstandsvorsitzender von Lufthansa - in schweren Zeiten. BMW-Chef Harald Krüger, 52, verbrachte sein gesamtes bisheriges Berufsleben bei dem Autobauer. Commerzbank-Chef Martin Zielke, 54, machte zwar zunächst eine Lehre bei der Deutschen Bank, begann dann aber schon 1990 bei der Dresdner Bank, die später von der Commerzbank übernommen wurde.

"Interne Kandidaten sind oft die bessere Option. Sie dürfen sich aber nicht als Bewahrer positionieren und sie müssen es schaffen, nicht Teil des Problems zu sein", sagt Philipp Fleischmann, Experte bei der Personalberatung Kienbaum. "Externe brauchen oft eine längere Anlaufzeit, was gerade in Krisenzeiten ein Nachteil ist", fügt er an. Den oft gerühmten "Held von außen" gebe es nur selten. "Chefs von außen werden oft für besondere Restrukturierungsfälle engagiert, vor allem, wenn harte Entscheidungen anstehen und es Widerstände in der eigenen Organisation zu überwinden gilt", weiß Berater Eisenhut.

Nicht immer sind interne Lösungen aber erfolgreich. Matthias Müller, 64, fing nach dem Abitur 1971 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher bei der Volkswagen-Tochter Audi an, stieg später erst zum Porsche- und dann 2015 zum VW-Chef auf. Doch die tiefen Probleme nach dem Dieselskandal bekam er nie in den Griff, jetzt steht er vor der Ablösung - durch einen Kollegen, der erst 2015 zu VW kam. Bis dahin arbeitete Herbert Diess, 59, für BMW. Ob Sewing es bei der Deutschen Bank schafft? Einer seiner Vorgänger, der umstrittene Rolf Breuer, hatte einst auch als Lehrling in der Bank angefangen.

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