Insekten:Warum so mancher Käfer auf Bier fliegt

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Ambrosiakäfer brauchen Alkohol um Pilze zu züchten, mit denen sie ihren Nachwuchs füttern. (Foto: Jiri Hulcr; CC BY 3.0; Bearbeitung SZ)
  • Der Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus benötigt Ethanol für die Aufzucht und Ernährung seiner Brut.
  • Tatsächlich handelt es sich bei den winzigen Wesen nämlich um regelrechte Gärtner: Sie bauen Pilze im Holz an.
  • Zwischen Holz und Bierglas unterscheiden können die Käfer schlichtweg nicht.

Von Kathrin Zinkant

Es ist winzig und eigentlich weiß man bei dem Tierchen auch nicht recht, wo vorn und hinten sein soll. Dennoch lässt sich der zwei Millimeter große Ambrosiakäfer derzeit leicht identifizieren: In Biergärten mit altem Baumbestand stürzen sich verschiedene Vertreter der Käferfamilie bereitwillig in jedes x-beliebige Glas Helles - und nein, es sind keine Unfälle.

Wie Biologen um Christopher Ranger und Peter Biedermann von der Universität Würzburg und der TU München in PNAS berichten, sind die länglichen Miniborkenkäfer alkoholabhängig. Die aktuelle Studie zeigt, dass der schwarze Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus die entscheidende Zutat, das Ethanol, für die Aufzucht und Ernährung seiner Brut in alternden oder beschädigten Baumstämmen benötigt. Tatsächlich handelt es sich bei den winzigen Wesen nämlich um regelrechte Gärtner: Sie bauen Pilze im Holz an. Der kranke Baum produziert derweil erkleckliche Mengen Ethanol, eigentlich, um Schädlinge wie Käfer und Pilze abzuwehren.

Zwischen Holz und Bierglas unterscheiden können die Käfer schlichtweg nicht

Der Ambrosiakäfer hat diese Abwehrstrategie nicht nur einfach umgangen, er hat sie sich doppelt zunutze gemacht. Wie die Forscher in verschiedenen Experimenten zeigen konnten, werden die Tiere von dem flüchtigen Stoff zunächst zuverlässig angelockt. Selbst präparierte junge Bäume, die selbst gar keinen Alkohol produzieren, wirken mit niederprozentigen Lösungen von Ethanol sehr appetitlich auf die Käfer. Optimal sind offenbar zwei Prozent Alkoholanteil.

Anschließend zapfen die weiblichen Tiere die alkoholischen Reserven aber auch gezielt an, um winzige, auf Alkohol spezialisierte Pilzfarmen im Holz zu etablieren. Angelegt werden diese Gärten in den schmalen Gängen, die der Käfer bohrt. So gezüchtet und geerntet dienen die Pilze als Nahrung für die geschlüpften Larven. Und weil die meisten anderen Käfer und Pilze eben gar nicht trinkfest sind, futtert dem Käferkindergarten auch keine Konkurrenz etwas weg.

Abgesehen vom verblüffenden biologischen Charme dieses "fungikulturellen Lebensstils", wie die Forscher es nennen, dürften die neuen Erkenntnisse über die Schnapskäfer vor allem für Holzfäller von Interesse sein. Während gesunde Bäume für den einst aus Asien stammenden und heute auf der Welt verbreiteten Schädling uninteressant sind, leidet geschlagenes Holz, das Ethanol ausdünstet und draußen lagert, nicht selten massiv unter Xylosandrus und anderen Ambrosiakäferarten. Ranger und Kollegen halten es aufgrund ihrer Studie für möglich, nun neue Abwehrstrategien gegen den Käfer und seine Pilzfarmen zu etablieren. Insektizide gibt es zwar. Sie haben, abgesehen vom ohnehin schlechten Ruf, aber nicht immer eine entscheidende Wirkung.

Dem Biergartenbesucher nützt das nun sicher wenig. Zwischen Holz und Bierglas unterscheiden können die Käfer schlichtweg nicht. Wer die kleinen Winzlinge aus seinem Getränk heraushalten möchte, hat deshalb nur eine Chance: Er packt den Deckel aufs Glas. Oder entscheidet sich für ein Alkoholfreies.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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