Nahost:Im Alleingang

Israel sieht sich von allen Verbündeten verlassen und sucht mittlerweile auch gar keine mehr. Es setzt ganz auf die eigene militärische Schlagkraft. Der Nahe Osten wird damit noch gefährlicher.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Bei seinem Auftritt bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz hat der israelische Premier Benjamin Netanjahu Iran gewarnt: "Stellen Sie unsere Entschlossenheit nicht auf die Probe!" Die iranische Regierung habe ihren Einfluss im Nahen Osten immer weiter ausgebaut und überschreite fortwährend "rote Linien". Eine weitere ist aus Sicht der israelischen Regierung mit dem Giftgaseinsatz in Duma überschritten, der dem von Iran unterstützten syrischen Assad-Regime vorgeworfen wird.

Der offiziell nicht bestätigte Angriff israelischer Jets auf eine syrische Militärbasis ist allerdings keine unmittelbare Reaktion auf die Gasattacke, sondern ein schon länger vorbereiteter Militärschlag. Er zeigt, dass Israel seine seit Mitte Februar geübte militärische Zurückhaltung aufgibt und wieder direkt ins Geschehen in Syrien eingreift. Damit spitzt sich ein Konflikt weiter zu, in dem ohnehin schon viele Parteien direkt und indirekt mitmischen und bei dem verschiedenste Interessen aufeinander prallen. Im israelischen Militär und bei Premier Netanjahu haben sich die Hardliner durchgesetzt, die meinen, Israel müsse die Dinge selbst in die Hand nehmen und von Iranern benutzte Stellungen wie die nun beschossene Basis bei Homs bombardieren.

Die Israelis fühlen sich vor allem von US-Präsident Donald Trump im Stich gelassen. Dessen jüngste Ankündigung, die Truppen der Vereinigten Staaten aus Syrien zurückzuziehen, hat die israelische Regierung schockiert. Auch wenn sich wegen der Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem ein anderer Eindruck aufdrängt: Netanjahu ist nicht Trumps bester Freund, auch er wird immer wieder von dessen Entscheidungen überrascht, weil er nicht vorab eingeweiht wird.

Israel fühlt sich mit seinen Sicherheitsinteressen von seinem stärksten Verbündeten vernachlässigt - und das nicht zu Unrecht. Schon unter Präsident Barack Obama stand Syrien auf der Prioritätenliste der USA nicht ganz oben, die Amerikaner überließen das Feld weitgehend den Russen. Mit dem auch in Sicherheitsfragen erratisch agierenden Trump hat Netanjahu nun seine Schwierigkeiten, weil er nicht weiß, ob er sich im Ernstfall auf ihn verlassen kann.

Auch deshalb versucht der israelische Regierungschef, mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin gut auszukommen. Um Putin nicht zu verärgern, beteiligte sich Israel nicht an der Verurteilung Moskaus nach der Vergiftung des russischen Ex-Spions Sergej Skripal und dessen Tochter in Großbritannien. Putin war es auch, der Israel nach dem Abschuss einer iranischen Drohne über israelischem Gebiet Mitte Februar zur Zurückhaltung überreden konnte. Aber an die Zusicherung von damals fühlt sich Netanjahu nicht mehr gebunden, weil er die syrische Armee und Iran immer weiter an die von Israel annektierten Golanhöhen heranrücken sieht. Ob Russland das durch jüngste Kampferfolge gestärkte Assad-Regime stoppen würde, darüber gibt es nicht nur in Israel berechtigte Zweifel.

Bisher geschahen Israels Angriffe in Syrien mit Moskaus Einverständnis. Diesmal war Russland nicht eingeweiht und reagierte wütend. Israel hat und sucht keinen Verbündeten mehr, sondern handelt im Alleingang. Dadurch wird die Gefahr einer Eskalation im Nahen Osten - also eines Krieges mit israelischer Beteiligung - größer.

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