Krieg in Syrien:Auf dem Schlachtfeld hat jeder seine eigene Agenda

Das eigentliche Risiko des Syrien-Konflikts ist ein neuer Großkrieg im Nahen Osten. Es braucht eine Strategie, ihn mit einer politischen Lösung zu beenden.

Kommentar von Paul-Anton Krüger, Kairo

Der Krieg in Syrien ist im achten Jahr, und eine gefährliche Eskalation erscheint derzeit wieder eher möglich als baldiger Frieden. Amerika könne die Welt an eine "gefährliche Schwelle" treiben, wenn es mit seinen Verbündeten Ziele des Regimes in Damaskus angreife, warnte düster Russlands UN-Botschafter. Syrien ist lange schon auch Arena der Auseinandersetzung zwischen Moskau und den USA, deren Präsident per Twitter mit einem Raketenangriff droht. Aber der Wettstreit der Großmächte ist nur eine Ebene in diesem vielschichtigen Konflikt. Ihn darauf zu reduzieren greift zu kurz.

Denn die Dynamik wird von Geschehnissen in Syrien ausgelöst, wo Präsident Baschar al-Assad mit allen Mitteln für sein erklärtes Ziel kämpft, das gesamte Land militärisch zurückzuerobern. Er belagert dafür Rebellengebiete und lässt sie unterschiedslos aus der Luft und mit Artillerie bombardieren. Die Zivilbevölkerung zu zermürben ist unverzichtbarer Bestandteil dieser Strategie, nicht ungewollter Nebeneffekt. Davon zeugen die Ruinen in Homs, Ostaleppo und Ghouta.

Iran, die USA, Russland, die Türkei, Israel und Assad - jeder hat hier seine eigene Agenda

Immer wieder haben seine Truppen dabei ungestraft Chlor als Waffe eingesetzt, und mehrmals auch nachweislich den Nervenkampfstoff Sarin. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht nun wieder wenigstens einen Chlor-Angriff durch das Regime als belegt an. Die Indizien sprechen dafür, sie sollten vor einem Angriff öffentlich gemacht werden. Ein Militärschlag mag geeignet sein, der Ächtung von Chemiewaffen wieder Geltung zu verschaffen. Russland hat andere Wege dazu blockiert, etwa Sanktionen des UN-Sicherheitsrats gegen das Regime, und sein Veto dazu missbraucht, die Aufklärungsarbeit einer Mission der Vereinten Nationen und der Organisation zum Verbot chemischer Waffen zu sabotieren, weil sie das Regime für einen Sarin-Angriff vor einem Jahr verantwortlich gemacht hatte.

Eine Konfrontation zwischen den Atommächten Russland und Amerika ist deswegen nicht programmiert: Sie verfügen über die nötigen Kommunikationskanäle, um militärische Zusammenstöße in Syrien zu vermeiden - sie wurden genutzt, als US-Präsident Donald Trump vor einem Jahr Marschflugkörper auf ein Flugfeld feuern ließ, auch andere Situationen wurden entschärft. Macron hat klargestellt, dass es allein darum geht, die Fähigkeit zum Einsatz von Chemiewaffen auszuschalten.

Auch das beugt einer Eskalation vor, wie Missverständnisse sie auslösen können, ohne dass es die Beteiligten wollen. Trumps präpotenter Tweet konterkariert das; er begreift nicht, dass es in den internationalen Beziehungen nicht egal ist, was man morgens im Bademantel unüberlegt in die Welt posaunt. Der Kreml aber hat kühl pariert, man beteilige sich nicht an Trumps Twitter-Diplomatie.

Es braucht eine politische Lösung

Ein Militärschlag löst jedoch nicht das ursächliche Problem in Syrien. In den Rebellengebieten in Idlib, zwischen Homs und Hama und im Süden werden sich ähnliche Szenen wiederholen, wenn die syrische Armee und ihre Verbündeten der von Iran unterstützten schiitischen Söldnerheere anrücken. Für die Syrer macht es überdies keinen Unterschied, ob sie durch russische Bomben sterben oder durch syrisches Chlor. In Ost-Ghouta wurden 2000 Zivilisten mit konventionellen Waffen getötet, ohne dass Trump dadurch die Menschlichkeit dermaßen verletzt sah, dass er nicht noch den Abzug der US-Truppen aus Syrien angekündigt hätte.

Was es in Syrien braucht, ist eine Strategie, den Krieg mit einer politischen Lösung zu beenden. Das ist zugegeben nicht simpel, aber bisher zeigt Trump null Interesse, und auch Europa hat sich in der Rolle des Zuschauers eingerichtet, obwohl es angesichts der Flüchtlinge direkt betroffen ist, anders als die USA oder Russland. Moskau aber hat Zeit, Iran noch mehr. Assad spielt sie gegeneinander aus. So kann ihn keiner kontrollieren, auch wenn er auf beide angewiesen ist. Genüsslich beobachtet man im Kreml derweil, wie sich der Nato-Staat Türkei mit den USA überwirft. Und Israel muss feststellen, dass weder Trump noch Putin Anstalten machen, Iran und der Hisbollah in Syrien Einhalt zu gebieten oder sie vom Golan fernzuhalten.

Iran und Assad haben ein Interesse daran, die Spannungen zwischen Russland und den USA anzuheizen. Es dient ihren Zielen in Syrien und der Region. US-Soldaten und iranische Milizionäre haben sich mehrmals Gefechte geliefert, Irans Revolutionsgarden provozierten den heftigsten Schlagabtausch zwischen Israel und Syrien seit 35 Jahren.

Die Auseinandersetzung wird sich verschärfen, wenn Trump seinen dumpfen Instinkten folgt und das Atomabkommen mit Teheran kündigt und die von Iran unterstützten Huthi weiter aus Jemen Raketen auf Riad schießen. Das eigentliche Risiko, das von Syrien ausgeht, ist ein neuer Großkrieg im Nahen Osten, wo ohnehin die rivalisierenden Regionalmächte Iran, Saudi-Arabien und Türkei um Einfluss ringen und Israel sich existenziell bedroht sieht. Dann wird es für Trump und Putin wirklich schwierig werden, eine Eskalation zu vermeiden.

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