Krieg in Syrien:Trumps gefährliche Drohgebärden

Krieg in Syrien: Wie auch immer er sich entscheidet, jede Option bringt Risiken mit sich: Donald Trump nach der Landung auf dem Rasen des Weißen Hauses.

Wie auch immer er sich entscheidet, jede Option bringt Risiken mit sich: Donald Trump nach der Landung auf dem Rasen des Weißen Hauses.

(Foto: Mandel Ngan/afp)
  • Es ist unklar, wie die USA auf den mutmaßlichen Chemiewaffenangriff in der syrischen Stadt Duma reagieren wollen.
  • Dem Wall Street Journal zufolge sind es Trumps engere Berater, die sich für einen größeren Schlag starkmachen, während sich das Pentagon für mehr Vorsicht ausspricht.
  • Denkbar ist laut US-Armeekreisen, dass dieses Mal nicht nur Objekte angegriffen werden, sondern auch Piloten und Kommandeure etwa, die den Befehl zum Einsatz von Chemiewaffen gegeben haben sollen.

Von Alan Cassidy, Washington

Mit dem Gebaren eines Autoverkäufers hatte Donald Trump die Raketen nach Syrien angekündigt. "Nice, new and smart" würden sie sein, twitterte er, "schön, neu und smart". Russland solle sich bereithalten. Und mit dem Gebaren eines Autoverkäufers, der seinen großartigen Rabatt jetzt doch nicht gewähren will, behauptete der US-Präsident einen Tag später, er habe das alles nicht so gemeint. "Ich habe nie gesagt, wann ein Angriff auf Syrien stattfinden würde", schrieb er am Donnerstag auf Twitter. "Könnte sehr bald sein oder überhaupt nicht so bald!" Das Hin und Her von Trump passte zu dieser Woche, in der die einzige Konstante im Weißen Haus die Verwirrung war.

Noch immer ist unklar, wie die USA auf den Chemiewaffenangriff in der syrischen Stadt Duma reagieren wollen. Die Optionen der US-Regierung müssten sich eigentlich aus den langfristigen Zielen für Syrien ableiten, aus einer größeren Strategie - doch die ist nicht erkennbar. Dass ein Militäreinsatz gegen das Regime von Baschar al-Assad erfolgen wird, bezweifelt zwar inzwischen niemand mehr. Doch welche Form er annehmen soll, darüber besteht in Trumps Regierung offenbar noch immer keine Einigkeit. Laut Wall Street Journal sind es Trumps engere Berater, die sich für einen größeren Schlag starkmachen, während sich das Pentagon für mehr Vorsicht ausspricht.

Ein Militärschlag wird nicht überraschend kommen - dafür hat Trump gesorgt

Verdichtet haben sich in den vergangenen Tagen die Anzeichen, dass Trump bereit ist, weiter zu gehen als noch vor einem Jahr - und dass er dabei verbündete Staaten einbeziehen will. Damals, nach einem ähnlich verstörenden Giftgasangriff mit ähnlich verstörenden Bildern, feuerten US-Seestreitkräfte 59 Marschflugkörper auf einen Flugplatz von Assad ab. Der Schaden war begrenzt, der Flughafen bald schon wieder nutzbar. Ein beschränkter Angriff auf Ziele, die direkt in Verbindung stehen zum neuesten Chemiewaffenangriff, steht auch diesmal zur Debatte. Doch im Gegensatz zum letzten Mal wird er nicht überraschend kommen - dafür hat Trump mit seinen Tweets gesorgt.

Denkbar ist laut US-Armeekreisen, dass dieses Mal nicht nur Objekte angegriffen werden, sondern auch Personen - Piloten und Kommandeure etwa, die den Befehl zum Einsatz von Chemiewaffen gegeben haben sollen. Spekuliert wird zudem darüber, ob neben militärischen Zielen auch andere Einrichtungen des Regimes attackiert werden könnten. Über der syrischen Hauptstadt Damaskus thront gut sichtbar Assads Präsidentenpalast - ein Schlag dagegen hätte Symbolkraft.

"Assad ist das wahre Problem hier", sagt Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies. Es reiche nicht mehr aus, Stützpunkte der Luftwaffe und der Armee zu treffen. "Diese Verluste sind für ihn verkraftbar." Man müsse Assad dort treffen, wo es ihn schmerze, man müsse den Preis für alle weiteren Chemiewaffeneinsätze um ein Vielfaches hochtreiben. Erreichen könnten die USA das wohl über Angriffe auf die zivile Infrastruktur des Landes. Nach Medienberichten denkt man im Pentagon darüber nach, Flug- und Seehäfen, Chemiefabriken oder Raffinerien ins Visier zu nehmen. Diskutiert wird auch über eine Verschärfung der bestehenden wirtschaftlichen Sanktionen.

Ein Militäreinsatz birgt zwei Risiken

Egal, wofür sich Trump entscheidet, fast jeder derzeit zur Debatte stehende Militäreinsatz birgt zwei grundsätzliche Risiken: Erstens könnte ein Angriff dazu führen, dass sich die USA doch wieder stärker in Syrien engagieren müssten, zumindest dann, wenn sich Washington davon eine größere Wirkung verspricht als beim letzten Mal. Das würde jedoch in direktem Widerspruch zu dem stehen, was Trump noch vergangene Woche angekündigt hatte: einen raschen, kompletten Abzug der US-Truppen. "Wir gehen raus aus Syrien, sehr bald schon", hatte er gesagt.

Diese Ankündigung traf US-Verteidigungsminister James Mattis und seine Generäle völlig unvorbereitet. Wie die Washington Post am Donnerstag berichtete, habe Trump vor seinen Beratern davon gesprochen, dass er die etwa 2000 im Land stationierten Soldaten bereits innerhalb von 48 Stunden abziehen wolle. Mattis sei es dann immerhin noch gelungen, Trump davon zu überzeugen, die Truppen ein weiteres halbes Jahr in Syrien zu belassen, um wenigstens den Kampf gegen die Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates zu Ende zu führen.

Zweitens steigt mit einem US-Angriff auf Syrien das Risiko einer direkten Konfrontation mit Assads Verbündeten Russland und Iran. Russland hat bereits damit gedroht, nicht nur alle Raketen abzuschießen, die Syrien anfliegen, sondern auch die Objekte, von denen sie abgefeuert werden - und es war offenbar diese Drohung, die Donald Trump zum Anlass nahm, über seine "schönen, neuen und smarten" Waffen zu twittern. Tatsächlich hat Russland in Syrien seine Fähigkeiten zur Abwehr von Raketen kontinuierlich ausgebaut. Armeekreise in Washington warnen besonders vor den russischen Boden-Luft-Abwehrsystemen vom Typ S-400, die über eine hohe Reichweite verfügen und als schlagkräftig gelten.

Die US-Marine verfügt im östlichen Mittelmeer über zwei Schiffe

Die Präsenz dieser Abwehrsysteme lässt Fachleute vermuten, dass ein US-Angriff zumindest in einer ersten Phase nicht mit bemannten Kampfjets ausgeführt würde, sondern mit Marschflugkörpern. Dafür kämen wohl abermals Seestreitkräfte zum Einsatz. Die US-Marine verfügt im östlichen Mittelmeer über zwei Schiffe, die Tomahawk-Raketen aus einer sicheren Distanz abfeuern können. Auch Großbritannien und Frankreich verfügen in der Region über gewisse Kapazitäten.

Auch bei einem Angriff dieser Art besteht allerdings die Gefahr, dass russische Einrichtungen und Truppen getroffen werden, selbst wenn diese gar nicht Ziel einer Attacke sind. Vergangenes Jahr, beim Luftschlag auf Assads Militärflugplatz, informierte die US-Regierung Russland 60 bis 90 Minuten im Voraus, um Moskau Zeit zu geben, die rund 100 Soldaten abzuziehen, die sich damals auf dem Flugplatz befanden. Bei allem Kriegsgeschrei der vergangenen Tage: Funktionierende Informationskanäle gibt es auch jetzt. Die bestehende Hotline für Krisenkommunikation zwischen Washington und Moskau sei aktiv, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. Er rief dazu auf, alle Schritte zu vermeiden, welche die Spannungen in Syrien noch erhöhen könnten.

Welche Schritte Trump ergreifen wird, hängt wohl auch von den Leuten ab, die ihn derzeit beraten. Während Verteidigungsminister Mattis als einer gilt, der mäßigend auf den Präsidenten einwirkt, ist nicht ganz klar, wofür John Bolton steht. Der neue Nationale Sicherheitsberater ist ein militärischer Hardliner. Seine früheren Aussagen lassen jedoch keinen klaren Schluss darüber zu, wie er über einen Einsatz in Syrien denkt. Als Trumps Vorgänger Barack Obama 2013 einen Luftschlag erwägte, vertrat Bolton noch die Ansicht, dass ein Angriff ein Fehler wäre. Trumps Aktion vom vergangenen Jahr begrüßte er allerdings.

Das Schwierigste wäre ein längerer Einsatz in der Region

Zwischenzeitlich sprach sich Bolton für eine viel extremere Variante aus: Die USA sollten, um die IS-Milizen zu besiegen, auf dem Gebiet von Syrien und Irak die Schaffung eines neuen, sunnitischen Staats unterstützen, schrieb er 2015 in der New York Times. Der militärische Teil sei dabei nicht einmal das Schwierigste: Entscheidend sei, dass sich die USA zu einem längeren Einsatz in der Region verpflichteten. Den Begriff Nation-Building verwendete Bolton, der während des Irak-Kriegs in der Regierung von George W. Bush diente, nicht - aber es klang genauso.

Einen guten Draht zu Trump hat schließlich Mike Pompeo, der heutige CIA-Direktor und designierte neue Außenminister. Bei seiner Anhörung vor einem Senatsausschuss gab er sich am Donnerstag Mühe, seinen Ruf als außenpolitischer Falke zu relativieren. "Krieg ist immer der letzte Ausweg", sagte er. Zugleich unterstrich er, dass er gegenüber Russland eine harte Haltung einnehmen werde. Die Jahre, in denen die USA gegenüber Moskau eine sanfte Politik vertreten hätten, seien vorbei. Die US-Regierung habe eine lange Liste von Maßnahmen, um die Kosten für Putin zu erhöhen.

Wie all diese Positionen zu Trump durchdringen, was der Präsident damit macht - das weiß niemand. Ob und wann und wie die USA in den Krieg ziehen, hängt ab von der Tagesform Donald Trumps.

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