Mieten:Die Stadt als Beute

Minister Seehofer muss die Heimat Großstadt erhalten, auch für wenig Privilegierte, bundesweit.

Von Constanze von Bullion

In der Familie der Bundesländer gilt das Land Berlin gern als feierfreudige, ewig abgebrannte Cousine. Sie ist nicht schön und etwas verlottert, hat aber so viel Persönlichkeit, dass sie viel junges Volk anzieht, Kreative, Forscher, Zugereiste. Die Welt liebt Berlin für seinen unfrisierten Charme. Sie wird die deutsche Hauptstadt noch zu Tode lieben.

Zwischen 2016 und 2017 sind die Preise für Berliner Immobilien nach einer Untersuchung um 20 Prozent gestiegen. Das ist mehr als in Amsterdam, Hongkong und Vancouver. Gleichzeitig wächst der Druck auf Mieter. 14 000 Menschen haben nun in Berlin gegen "Mietenwahnsinn" protestiert, mit Grund. Denn selbst in ärmeren Kiezen verschwinden mit bezahlbarem Lebensraum Familien, Geringverdiener, Unangepasste, originelle Läden - also das, was das Kapital der Stadt ausmacht.

Nein, Gentrifizierung ist nicht einfach böse. Sie bedeutet auch Erneuerung. Und ja, in Berlin müssen Wohnungen gebaut werden, auch in mancher liebgewonnenen, wilden Ecke. Minister Seehofer ist gefragt, die Heimat Großstadt zu erhalten, auch für wenig Privilegierte und bundesweit. Ohne entschlossenen Milieuschutz und scharfe Auflagen gegen das "Rausmodernisieren" von Mietern geht das nicht. Überlässt der Bund den Ländern das Feld, machen Maximalverdiener sich die Städte zur Beute.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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