Wenn es einen Fußballer gibt, der das Knie nicht beugen kann: dann wohl Arturo Vidal vom FC Bayern München. Irgendetwas sträubt sich in ihm dagegen, in der chilenischen Heimat nennen sie ihn nicht ganz umsonst den Krieger. Am Sonntag erlitt er im Training - ohne Fremdeinwirkung - eine Verletzung, die dazu führte, dass er das Knie nicht mehr strecken konnte. Allerdings nicht im übertragenen, sondern im Wortsinne. Tags darauf musste sich Vidal, wie Bayern-Trainer Jupp Heynckes wiederum am Montag berichtete, in Augsburg beim Kniespezialisten Ulrich Boenisch einem "kleinen arthroskopischen Eingriff" unterziehen, ein freier Gelenkkörper im Knie musste entfernt werden. Vidal falle daher "erst mal kurzfristig" aus - das bedeutet in jedem Fall fürs Pokalhalbfinale an diesem Dienstag in Leverkusen, bei dem Klub also, bei dem Arturo Vidal vor knapp zehn Jahren sein Bundesligadebüt gefeiert hatte.
In Leverkusen traf Vidal erstmals mit Heynckes zusammen, 2009 war der Coach Bruno Labbadia nachgefolgt. Seither kennt und schätzt Heynckes den nunmehr 30-jährigen Chilenen als "eine Kämpfernatur" mit "riesigen Ambitionen", wie er auch am Montag sagte. Vidal werde sicher alles "daran setzen, schnell wieder zu spielen". Er weiß, dass Vidal dies schon in der Vergangenheit getan hat, wenn das rechte Knie zwickte. Zum Beispiel vor der Fußballweltmeisterschaft 2014.
Damals hatte der damalige Juventus-Profi Vidal von Ramón Cugat in Barcelona operiert werden müssen - drei Wochen vor Beginn der WM in Brasilien. Der Befund seinerzeit: Riss des vorderen Meniskushorns und des Außenmeniskus des rechten Knies. Was folgte, war eine Erholung in atemberaubender Rekordzeit, die in Chile unter einer kanonisierungspflichtigen Wunderheilung firmiert. Cugat hatte Vidal zu einer zwei-, besser dreimonatigen Konvaleszenz geraten. Doch weil er die WM vor Augen hatte, ging Vidal über alle möglichen Limits hinaus. Nun hat der "Krieger" wieder ein Ziel vor Augen: das Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid.
Vidal ärgerte sich, dass Real gegen Juve noch auf 1:3 verkürzte
Ob die Zeit dafür reicht, ist eher als fraglich zu bezeichnen. Das Hinspiel der Bayern gegen Real findet am 25. April in München, das Rückspiel am 1. Mai in Madrid statt. Wie sehr Vidal mit Blick auf jene Partien motiviert ist, konnte man zuletzt gut verfolgen - am Freitag schrieb er nach der Auslosung, dass "Rache ein Gericht ist, das kalt serviert" werde. Vidal hat mit Real seit vergangenem Jahr eine Rechnung offen, im Champions-League-Viertelfinale war er eine der bestimmenden Figuren gewesen. Im Hinspiel vergab Vidal nach seinem Tor zum zwischenzeitlichen 1:0 einen Elfmeter; Real siegte noch durch Tore von Cristiano Ronaldo mit 2:1. Im Rückspiel wurde Vidal kurz vor Ende der regulären Spielzeit für ein Foul vom Platz gestellt, das keines gewesen war; in Unterzahl verloren die Bayern 2:4 nach Verlängerung.
Lange her? Schon. Aber die Erinnerung an die in seinen Augen himmelschreiende Ungerechtigkeit wurde vergangene Woche aufgefrischt: Bereits von Kniebeschwerden geplagt, verfolgte Vidal beim Spiel der Bayern gegen Sevilla in München die Schlussphase des Viertelfinal-Rückspiels zwischen Real und Juventus - und ärgerte sich, dass Real in der Nachspielzeit per Elfmeter auf 1:3 verkürzte und ins Halbfinale einzog. Vidal will noch immer Rache, und wird alles dafür tun. Allein schon, weil der Champions-League-Titel noch in seiner Titelsammlung fehlt.