Beschäftigungsinitiative:Chance nach langer Pause

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Langzeitarbeitslose haben es oft schwer, einen Job zu finden. Im Landkreis können sie in den Kleidermärkten des Roten Kreuzes und im Möbelmarkt der Caritas arbeiten. Mit Erfolg: Etwa ein Drittel schafft den Wiedereinstieg.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Wer älter als 50 oder mehr als ein Jahr erwerbslos ist, tut sich schwer, eine Arbeit zu finden. Im Landkreis bieten die Caritas und das Bayerische Rote Kreuz (BRK) gerade sogenannten Langzeitarbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten. Im Carisma-Möbelmarkt der Caritas arbeiteten im Vorjahr 37 Hartz-IV-Empfänger. Die 20 Stellen in den BRK-Kleidermärkten in Geretsried und Bad Tölz waren fast immer komplett besetzt. Wie Thomas Faller (Caritas) und Helmut Kulla (BRK) sagen, sei das Prinzip, so die Erwerbslosen an den Arbeitsmarkt heranzuführen, erfolgreich: Etwa ein Drittel der in den Einrichtungen Beschäftigten findet ihrer Aussage nach einen festen Job.

Infrage stellt der Tölzer Jobcenter-Geschäftsführer Andreas Baumann aber das Ziel der Bundesregierung, 150 000 Stellen für Langzeitarbeitslose zu schaffen. "Die wissen wohl nicht, wovon sie reden", erklärt er. Denn nach dem Koalitionsvertrag solle jeder von ihnen 1200 Euro im Monat in gemeinnütziger Arbeit verdienen. Bei Investitionen von vier Milliarden Euro in vier Jahren komme er bei 150 000 Stellen nur auf 550 Euro monatlich. "Ich frage mich, wo der Rest herkommen soll", sagt Baumann. Das könne sein Jobcenter nie und nimmer finanzieren. Außerdem sei die Idee nichts anderes als die früher existierende Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Diese habe die Erwerbslosen eher davon abgehalten, im richtigen Arbeitsmarkt tätig zu sein.

Die aktuelle Debatte um die Höhe von Hartz IV möchte Baumann versachlichen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte erklärt, dass diese Arbeitslosenunterstützung keine Armut bedeute. Das will der Tölzer Jobcenter-Leiter nicht bewerten, aber doch zum Thema aufklären. Laut Baumann bekommt etwa eine alleinstehende Person in Wolfratshausen einschließlich Miete 986 Euro netto monatlich. Um auf denselben Betrag zu kommen, müsse ein Arbeitnehmer 1800 Euro brutto verdienen. Mit Hartz IV komme eine Familie mit drei Kindern auf 2976 Euro. Das entspräche einem Bruttoverdienst von 3312 Euro und 19,25 Euro Stundenlohn. Jeder solle sich selbst dazu eine Meinung bilden, erklärt Baumann.

Wie Faller von der Caritas ergänzt, müssten Hartz-IV-Bezieher allerdings kämpfen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Kulla vom BRK gibt zu bedenken, dass Armut stets relativ sei. Im reichen Süddeutschland seien Menschen mit knapp 900 Euro im Monat arm.

Gegen den Mythos, wer arbeite, bekomme weniger als Hartz IV, wehrt sich allerdings Baumann. "Arbeiten lohnt sich immer, egal wie und wo", bekräftigt der Tölzer Jobcenter-Leiter. Alles andere sei schlichtweg falsch, schildert er.

Seit rund zwei Jahrzehnten existieren der Caritas-Möbel- und die BRK-Kleidermärkte bereits im Landkreis. Das Klientel ist anspruchsvoll. Darunter fallen Menschen mit Sprachproblemen, schweren Erkrankungen oder ohne jegliche Erwerbsbiografie. Anfangs sei gedacht gewesen, männliche Langzeitarbeitslose im Möbel- und die weiblichen in den Kleidermärkten zu beschäftigen, berichtet Kulla. Doch mittlerweile vermische sich das.

Es gehe darum, Personen für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Die Menschen lernten in ihrer Tätigkeit Verantwortung zu übernehmen - von der Warenannahme bis zur Kasse. Begleitend gebe es Bildungsmaßnahmen, etwa um in einer Bewerbungssituation bestehen zu können. Jeder könne einkaufen. Wer eine Sozial- oder Kundencard habe, bekomme die Waren billiger, sagt Kulla.

Am wichtigsten ist es für Faller, den Langzeitarbeitslosen wieder eine Tagesstruktur zu geben. "Die Leute müssen wissen, warum sie in der Früh aufstehen", sagt er. Die Menschen blühten mit der Beschäftigung oft richtig auf. Denn sie fühlten sich wieder gebraucht. Und wenn auch nicht alle später auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden könnten, gebe es Erfolgsgeschichten. Patricia Zeisner vom Geretsrieder BRK-Kleidermarkt erzählt von einer Frau, die jetzt in der Altenpflege arbeitet.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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