Anregende Matinee in Ebersberg:Liebeserklärung ans Cembalo

Praxis für Kultur Matinee

Von wegen mangelhafte Dynamik: Cornelia Fuchs an ihrem Cembalo, das einst der Vater erbaut hat.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Musikpädagogin Cornelia Fuchs enthüllt in der Praxis für Kultur gekonnt die Seele eines manchmal verkannten Instruments

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Klavier und Cembalo: Ganz nah stehen sie beieinander auf der Bühne der "Praxis für Kultur" in Ebersberg, wie Cousinen beim vertrauten Plausch auf der Familienfeier. Die eine im schwarzen Kostüm, die andere im blumigen Hippiegewand. Dann tritt Cornelia Fuchs dazwischen und erklärt dem staunenden Publikum, dass die Verwandtschaft zwischen den beiden Instrumenten zwar nicht zu leugnen sei, es sich aber doch eher um Großmutter und Enkelin handele. Mit einer ganz anderen Sicht auf die Welt und die Musik, mit fast schon konträren Lebensläufen. Wie das kam, und warum das so ist? Bei der sonntäglichen Matinee im Rahmen des "Kulturfrühlings" in der kleinen Praxis lieferte Musikpädagogin Fuchs als Solistin unterhaltsame Aufklärung.

Die Beispiele dafür hat sie aus vielen Jahrhunderten zusammengetragen, beginnend im Mittelalter, als irgendein Minnesänger, der eingeschränkten Möglichkeiten seines Psalteriums müde, über eine Innovation nachdachte: Die Möglichkeiten der Orgel, damals schon altbekannt, auf das Saiteninstrument zu übertragen - und die Töne über Tasten anschlagen zu lassen, statt dies mit eigenen Fingern zu tun. Als dann auch noch die Notenschrift ihre Vollendung erreichte, war eine neue Art von Melodien geboren und ein neuer kompositorischer Weg angelegt. Ausgehend von einer "Pavana Italiana" des Spaniers Antonio de Cabezón aus dem frühen 16. Jahrhundert spielte sich Fuchs durch eine ganze Reihe von Epigonen, die das Thema aufgriffen, neu interpretierten, variierten und dabei das Cembalospiel auf immer höheres Niveau hoben: vom Holländer Jan Pieterszoon Sweelinck, dem Deutschen Samuel Scheidt und dem Engländer John Bull führte sie den klanglichen Bogen bis zu Henry Purcell, und ließ dabei erkennen, wie die Stücke immer lebendiger und spielerischer wurden, wie Verzierungen sie anreicherten und die Melodien an Ausdruckskraft gewannen.

Stücke von Antonio Valente und Girolamo Frescobaldi zeigten dann, wie innerhalb eines Jahrhunderts und nur weniger Musiker-Generationen sich eine Evolution vom Gedanken eines Instruments bis zu seiner unumkehrbaren Verankerung in der Klangwelt vollzog. Dass später mit dem Klavier ein vielseitiges und klangkräftiges Instrument heranreifte, das das Cembalo in die zweite Reihe schickte: verständlich. Mit einer Scarlatti-Sonate, zum Vergleich mal auf "C", mal auf "K" intoniert, und mit verschiedenen Spielansätzen für Bachs Präludium räumte die Solistin blitzsauber die Vermutung von zwei "irgendwie ähnlichen Instrumenten" aus und lieferte ein unmittelbar wirksames Mittel zur Erweiterung des musikalischen Horizonts. Gerade weil das Klavier über mehr Bandbreite in der Gestaltung verfügt, konnte es überall dort, wo Emotionen, lyrische Kräfte und Nähe zum menschlichen Lied gefragt sind, das Cembalo verdrängen. Überflüssig gemacht hat es die Vorgängerin gleichwohl nicht, wie ihre Wiederkehr in modernen Werken zeigt.

Die geschickte Auswahl der Stücke und die einprägsamen Erläuterungen durch Cornelia Fuchs ließen nicht nur das pädagogische Geschick der Künstlerin erkennen; durch das Verdichten des Themas - in 30 Minuten von den Anfängen bis Buxtehude und Bach, in noch einmal einer halben Stunde dann weiter zu Schumann - machte sie die Entwicklungsschritte transparent und gab dem aufmerksamen Publikum wertvolle Ansätze, das Gehörte in eigene Gedanken zu verwandeln. Keiner der Anwesenden wird künftig mehr in Versuchung geraten, das Cembalo als monotonen Beiklang von Opern-Rezitativen geringzuschätzen oder in seiner reduzierten Dynamik einen Mangel zu hören. So betrachtet war diese Matinee, nicht nur wegen des von väterlicher Hand erbauten Instruments, eine echte Liebeserklärung an das Cembalo, gipfelnd in zwei vorzüglich vorgetragenen, kontrastierenden Beispielen aus der Hand des Shakespeare-Zeitgenossen William Byrd und des Barockkomponisten Antonio Soler. Ein anregender Vormittag, belohnt mit großzügigem Applaus.

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