Nach tödlicher Attacke:Chico ist tot

Lesezeit: 2 min

"Unter Betrachtung der Gesamtsituation" sei die Entscheidung gefällt worden, Chico einzuschläfern, formulierte die Stadt Hannover. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)
  • Der Hund Chico ist zwei Wochen nach der tödlichen Attacke auf zwei Menschen in Hannover eingeschläfert worden.
  • Dazu entschied sich die Veterinärbehörde nach einer Untersuchung des Staffordshire-Terrier-Mischlings, wie die Stadt mitteilte.
  • Der Hund hatte seine 52 Jahre alte, im Rollstuhl sitzende Besitzerin und deren 27 Jahre alten Sohn totgebissen.

Von Laura Hertreiter

Nun ist er tot, der Hund, den Hunderttausende retten wollten. Das Tier hatte am Dienstag vergangener Woche in Hannover seine Besitzer in der Wohnung totgebissen, eine 52-jährige Frau und ihren 27-jährigen Sohn. Einschläfern ist in solchen Fällen zum Schutz der Menschen üblich, eigentlich. Diesmal aber erfasste plötzlich eine Welle der Solidarität den Staffordshire-Terrier-Mischling, der zwei Menschen getötet hatte. Sein Name, Chico, wurde in der vergangenen Woche zum Kampfbegriff.

Mehr als 300 000 Menschen forderten in Onlinepetitionen, dass der Hund gerettet werden solle, dass man ihm, wie es der Deutsche Tierschutzbund forderte, "eine Chance auf Resozialisierung" gebe, vor dem Veterinäramt in Hannover wurden "Free Chico"-Transparente geschwenkt. Heikel machte den Fall auch, dass der Hund der zuständigen Behörde bereits bekannt war. Nachbarn hatten sich schon vor Jahren über das Gekläffe beschwert und gemeldet, dass er nicht artgerecht gehalten werde.

Tierschutz
:Zu viel des Guten

Erst tötet ein Vierbeiner seinen Besitzer und dessen Mutter, dann stirbt ein Baby nach einem Biss in den Kopf. Und die Tierschützer? Kämpfen nun dagegen, dass eingeschläfert wird. Wie kommt so was?

Von Martin Zips

Bei Kontrollen aber seien keine Probleme festgestellt worden, hieß es vom Tierschutzverein, die Stadt Hannover wollte von den Meldungen überhaupt nichts gewusst haben. All das sollte man bedenken, um zu verstehen, wie nervös die Beteiligten nach einer Lösung im Fall Chico suchten. Auf den Druck der Öffentlichkeit hin wurden Resozialisierungseinrichtungen für hochgefährliche Hunde geprüft, Experten angehört, Gnadenhöfe begutachtet. Dann wiederum meldeten sich Dutzende Experten zu Wort, die eine solche Unterbringung für extrem riskant hielten.

Auch Hundetrainerin Christine Prochnow von der Berliner Staffordshire-Hilfe ist eine von vielen, die sagt: "Manchmal heißt Tierschutz auch: Die Entscheidung für das Einschläfern zu treffen." Der Fall spiegle das "vollständige Versagen der zuständigen Behörde und des Tierheims Hannover wider". Vor allem aber habe sie Mitleid mit dem Tier. Weil Chico mit geschwollener Schnauze im Tierheim gelandet war, Untersuchungen aber ausblieben, fragte sie beim zuständigen Veterinäramt nach. "Dort hieß es, man habe Bedenken, dass der Hund an der Narkose sterben könnte." Und dass die Chico-Anhänger dann vermuteten, man wolle sich so aus der Affäre ziehen.

Komplexe Art der Entscheidungsfindung

Nun ist die Entscheidung also getroffen. Aber auf welch komplexe Art und Weise dies gut eine Woche nach dem Tod von Chicos Besitzern dann geschah, zeigt jedes Wort der Pressemitteilung, die die Stadt Hannover am Montag veröffentlicht hat: "Unter Beteiligung und im Einvernehmen mit der Tierärztlichen Hochschule, dem Tierschutzverein Hannover und Umgebung e.V. und dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wurde heute unter Betrachtung der Gesamtsituation von der Veterinärbehörde der Landeshauptstadt Hannover die Entscheidung getroffen, den Hund Chico noch in der Narkose einzuschläfern."

Er sei vormittags in der Tierklinik untersucht worden. "Beide Eckzähne im Oberkiefer waren gelöst beziehungsweise herausgebrochen", teilte die Stadt mit, auch an der Schnauze habe sich das Tier offenbar beim Angriff auf seine Besitzer verletzt. Die Befunde seien so schwerwiegend, die Behandlung bei einem derart aggressiven Tier wäre nur unter Vollnarkose möglich gewesen, schreibt die Stadt. Außerdem hätte man den Hund künftig nur isoliert halten können, weder Mensch noch Tier wären "als Sozialpartner in Frage gekommen". Deshalb sei unter Berücksichtigung mehrerer "Sachverständiger die Entscheidung getroffen, den Hund noch in der Narkose zu euthanasieren."

Fast klingt es salomonisch. Die Gefahr für den Menschen ist gebannt, der Hund von seinem Leid erlöst. Bis im Internet die erste Kritik geäußert wurde, dauerte es wenige Minuten.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTierschutz
:Das macht der sonst nie

Nachdem "Chico" seine Besitzer totgebissen hat, gibt es eine irrwitzige Diskussion darüber, ob der Hund weiterleben darf. Über verhaltensauffällige Tiere und Menschen.

Von Laura Hertreiter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: