Vorsorge:Viel Bares unter der Diele

Europäische Zentralbank in Frankfurt

Wegen der lockeren Geldpolitik der EZB in Frankfurt stecken mehr Deutsche ihr Geld in Aktien und Fonds.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Das Anlage­verhalten der Deutschen ändert sich nur langsam. Dabei müssen vor allem Jüngere überlegen, wie sie ihre Rente sinnvoll aufstocken können.

Von Markus Zydra

Die Deutschen sparen gerne. Das war schon immer so. Auf jeden Fall in den vergangenen 100 Jahren. "Der Spardrang hierzulande ist tradiert von den Eltern und Großeltern. Im Krieg mussten die Leute hamstern, um Essen zu kriegen. Man musste etwas ansparen, das jederzeit verfügbar war, um zu überleben: Geld, Zigaretten oder anderes", sagt Thorsten Hens, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Zürich. Das Sparen ist also lange tradiert. Doch damit nicht genug: Die Deutschen sind bei der Investition ihres Sparvermögens auch sehr risikoscheu. Die ernüchternden Erfahrungen aus den Aktienmarktcrashs in den vergangenen 20 Jahren - Asien- und Russlandkrise, Internetblase, globale Finanzkrise - mögen diese Vorsicht noch akzentuiert haben.

Die Sparquote, sie bezeichnet den Teil des verfügbaren Einkommens, den Menschen zurücklegen, beträgt hierzulande rund zehn Prozent. Das ist mehr als in anderen Industriestaaten. Die deutschen Privathaushalte horten mit 2,2 Billionen Euro etwa 40 Prozent ihres Geldvermögens auf Bankkonten, so die Bundesbank. Das Gros dieser Gelder ruht sicher auf Tagesgeldkonten, bei mickriger Rendite. Nach Angaben des Finanzportals Biallo.de wirft Tagesgeld aktuell einen durchschnittlichen Zinsertrag von 0,16 Prozent ab. So wird man nicht reich. Reicht das für die Rente?

Jüngere müssen vorsorgen. Die Rente wird ihnen im Alter nicht reichen

Bernd Raffelhüschen ist optimistisch. "Die Zahlen belegen die Stabilität des Vorsorgesystems, grundlegende Veränderungen sind nicht erforderlich", sagte der Freiburger Professor für Finanzwissenschaft bei der Vorstellung des sogenannten "Vorsorgeatlas" im Herbst 2017. Demnach gilt als wichtigster Grundpfeiler der Altersvorsorge die gesetzliche Rente. Die 20,8 Millionen Rentner erhalten derzeit eine monatliche Rente von im Durchschnitt gut 1000 Euro. Doch vielen reicht die Rente nicht, vor allem, wenn sie alleine leben und keine weiteren Einkünfte haben. Für eine Sicherung des Lebensstandards benötige man im Alter mindestens 60 Prozent des letzten Monatseinkommens, rechnet Raffelhüschen vor. Private Vorsorge sei also notwendig.

Wie knapp die Renteneinkünfte der nächsten Generationen bemessen sein können, zeigen folgende Zahlen: Die heute 50- bis 64-Jährigen erhalten im Schnitt noch 64,1 Prozent des letzten Bruttoeinkommens aus der gesetzlichen Rentenversicherung - bei den heute 20- bis 35-Jährigen liege der Betrag nur noch bei 38,6 Prozent, so das Ergebnis der Berechnungen im Vorsorgeatlas. Sie benötigten etwa 800 Euro zusätzlich pro Monat.

Über den Alterswohlstand sagen die Höhen dieser Quoten relativ wenig aus: Geringverdiener mit einem Einkommen von weniger als 1100 Euro brutto kommen im Ruhestand den Berechnungen zufolge zwar auf rund 70 Prozent des letzten Gehaltes. Doch in absoluten Zahlen erhalten sie im Schnitt nur 679 Euro monatlich und liegen damit sogar unterhalb der Armutsgrenze. Private Vorsorge tut also Not. Viele Menschen wissen das auch, doch mitunter fehlt ihnen die Disziplin. Sie haben den festen Vorsatz vorzusorgen, doch es fehlt die Standfestigkeit. "Häufig beobachtet man, dass Menschen ihre Entscheidung kurzfristig ändern, etwa weil Weihnachten vor der Tür steht und sie dann doch mehr konsumieren als sparen wollen", schreiben die Wirtschaftswissenschaftler David Becker und Martin Weber in einem Aufsatz der Universität Mannheim, in dem sie der Frage nachgehen, warum das Sparen so schwerfällt.

Die Trägheit liege an der paradoxalen Eigenschaft, dass die Menschen langfristig sparen wollen, kurzfristig aber lieber konsumieren. Allerdings gibt es viele Menschen, die sich Sparen nicht leisten können. Menschen mit geringen Einkommen verbrauchen ihren Etat meist vollständig, ihnen bleibt kaum etwas übrig, um zu etwas zurückzulegen.

Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in den vergangenen zehn Jahren hat die Finanzmärkte auf den Kopf gestellt. Durch den Nullzins werfen Tagesgeld, Festgeld und Anleihen immer weniger Rendite ab. Deutsche Staatsanleihen erzielten zwischenzeitlich sogar Negativerträge: Anleger machten Verluste, wenn sie dem Staat Geld geliehen hatten. Die EZB ist inzwischen dabei, ihre Geldpolitik langsam zu straffen. In diesem Jahr könnte die Notenbank nach Ansicht von Beobachtern wohl ihr Anleihekaufprogramm beenden. Sie wird dann 2,7 Billionen Euro in diese Wertpapiere gesteckt haben. Mit ihren Ankäufen hat die EZB die Zinserträge noch zusätzlich gedrückt.

Erst ab Frühjahr 2019 dürfte dann die erste Leitzinserhöhung anstehen. Der wichtigste Leitzins liegt bei null Prozent. Für Banken gilt auch noch immer der Strafzins in Höhe von 0,4 Prozent. Den müssen die Kreditinstitute auf ihre Einlagen bei der Notenbank bezahlen. Die EZB möchte die Institute mit dieser Maßnahme anstupsen, mehr Kredite an Haushalte und Unternehmen zu vergeben.

Die lange Niedrigzinsphase in Europa scheint sich nun sogar auf das störrische Sparer-Gen der Deutschen auszuwirken. Eine Umfrage der Bundesbank ergab, dass die fleißigen deutschen Sparer ihr tradiertes Verhalten langsam ändern. "Etwa 36 Prozent der Haushalte gaben an, dass sie wegen der niedrigen Zinsen weniger oder überhaupt nicht mehr sparen", sagt Philipp Marek, Ökonom im Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank. Immerhin 16,5 Prozent der Haushalte sprachen von Plänen, ihr Geld anders als bisher anzulegen.

Die Umfrage der Bundesbank belegt, dass die Deutschen inzwischen mehr Geld in Aktien und Investmentfonds stecken. Die Börsen sind ja auch gut gelaufen in den vergangenen Jahren. Im internationalen Vergleich hängen die Anleger hierzulande bei Aktieninvestments aber weiter hinterher. Die deutschen Privathaushalte horten stolze 141 Milliarden Euro ihres Geldvermögens in bar, sei es unter der Diele, zwischen Buchdeckeln oder in einer schnöden Plastiktüte. Das entspricht einem satten Zuwachs von 40 Prozent in den vergangenen fünf Jahren.

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