Pulitzer-Preis:Der Mann, der Hollywood in die Sinnkrise stürzte

Pulitzer-Preis: Ronan Farrows Mutter ist die Schauspielerin Mia Farrow, sein Vater der Regisseur und Schauspieler Woody Allen.

Ronan Farrows Mutter ist die Schauspielerin Mia Farrow, sein Vater der Regisseur und Schauspieler Woody Allen.

(Foto: AFP)

Für seine Enthüllungen über den Produzenten Harvey Weinstein erhält Ronan Farrow den Pulitzer-Preis. Seine engen Verbindungen nach Hollywood sind nicht nur beruflicher Natur.

Von Christian Zaschke

Es ist nicht so, dass Ronan Farrow immer alles gelänge. Er mag in der Schule mehrere Klassen übersprungen haben, er mag im Alter von elf Jahren am Bard College, einer privaten Hochschule, angenommen worden sein und als 18-Jähriger an der berühmten Yale Law School, an der unter anderem Hillary und Bill Clinton studierten. Und jetzt ist er, gerade einmal 30 Jahre alt, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden, der höchsten Auszeichnung im amerikanischen Journalismus. Farrow gilt als Wunderkind. Aber als er 2014 eine eigene Show beim Sender MSNBC übernahm, "Ronan Farrow Daily", mussten die Senderchefs ebenso wie Farrow selbst einsehen, dass er noch nicht das Format hatte, eine einstündige Sendung zu tragen. Später witzelte er, bei den beiden Menschen, die sich die Sendung am Ende noch angesehen hätten, sei sie trotzdem gut angekommen, was allerdings daran gelegen habe, dass einer dieser Menschen seine Mutter gewesen sei.

Ronan Farrows Mutter ist die Schauspielerin Mia Farrow, sein Vater der Regisseur und Schauspieler Woody Allen. Mia Farrow hat zwar vor einigen Jahren in einem Interview mit dem Magazin Vanity Fair angedeutet, Ronans leiblicher Vater könnte auch ihr Ex-Mann Frank Sinatra sein, doch blieb diese Andeutung ohne Bestätigung. Ronan Farrow merkte zu dem Thema an: "Hey, Frank Sinatra könnte der leibliche Vater von so ziemlich jedem sein." So oder so stammt Farrow aus einem äußerst prominenten Elternhaus mit engen Verbindungen nach Hollywood, weshalb es umso interessanter ist, wofür Farrow der Pulitzer-Preis verliehen worden ist: für seine Enthüllungen über die sexuellen Übergriffe des Produzenten Harvey Weinstein, die Hollywood in eine Sinnkrise stürzten und mitverantwortlich sind für die "Me Too"-Bewegung. Unter dem Hashtag, der in sozialen Medien mittlerweile millionenfach verwendet wurde, berichten Frauen von sexueller Belästigung und sexuellen Übergriffen.

Farrow teilt den Preis mit zwei Reporterinnen der New York Times, Jodi Kantor und Megan Twohey. Diese hatten Anfang Oktober vergangenen Jahres erstmals über das System Weinstein berichtet. Wenige Tage später erschien Farrows Reportage zum gleichen Thema im Magazin New Yorker. Ein Jahr lang hatte er an der Geschichte gearbeitet und mit mehr als 300 Betroffenen gesprochen. Am Ende der Recherchen von New York Times und New Yorker stand, dass Weinstein sich jahrzehntelang an Frauen vergangen hat und es in Hollywood ein Kartell des Schweigens gab, das ihn deckte. Teils aus Feigheit, teils aus Gewohnheit, teils aus Angst vor dem Einfluss des mächtigen Produzenten.

Mit Missbrauchsvorwürfen hatte Farrow schon früh in seinem engsten Umfeld zu tun. Seine zwei Jahre ältere Schwester Dylan hat Woody Allen beschuldigt, sie sexuell belästigt zu haben, als sie sieben Jahre alt war. Farrow hat 15 Geschwister, von denen die meisten adoptiert sind. Seine adoptierte Schwester Soon-Yi Previn heiratete 1997 seinen Vater Woody Allen. Dadurch ist Farrow sowohl Allens Sohn als auch dessen Schwager, was er als "moralische Grenzüberschreitung" ansieht. Er hat kaum Kontakt zu seinem Vater. Dylan Farrow hat die Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Vater zuletzt bekräftigt. Allen streitet diese ab.

Die Arbeit an der Geschichte über Harvey Weinstein hatte Farrow zunächst für den Fernsehsender NBC begonnen. Dieser wollte die Story jedoch nicht veröffentlichen, weil die Recherchen nicht belastbar genug seien. Farrow trug die Geschichte daraufhin zum New Yorker, der für rigoroses Faktenchecken bekannt ist und befand, die Recherchen müssten dringend veröffentlicht werden. Kantor, Twohey und Farrow haben ihren Pulitzer-Preis ausdrücklich für den "Dienst an der Öffentlichkeit" erhalten. Damit wird gewürdigt, dass sie eine der wichtigsten gesellschaftlichen Debatten seit Langem angestoßen haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: