Italien:Von Bäckern und Brötchen

In Rom stehen die Sozialdemokraten vor demselbem Problem wie jüngst die deutsche SPD. Sollen sie einer anderen Partei zur Macht verhelfen oder sich in der Opposition erneuern?

Von Oliver Meiler

Gerade geht in Italien der erste Ofen aus. So, "forno", nennt man hier den Versuch, etwas gebacken zu bekommen zwischen politischen Lagern, die eigentlich nicht zusammenpassen und trotzdem gemeinsam regieren könnten. Für das höhere Wohl der Republik zum Beispiel. Manchmal gelingt es. Manchmal aber ist alles nur ein taktisches Manöver, und der Ofen geht gar nie wirklich an.

Wie das bei den Cinque Stelle und dem Rechtsbündnis genau war - den beiden Siegern der Parlamentswahl vom 4. März, von denen keiner allein regieren kann -, wird man vielleicht nie erfahren. Nach sieben Wochen inhaltsleeren Geplauders und täglicher Dramen ist der Versuch vorerst gescheitert. Das ist kein Wunder. Einige Beteiligte hatten sich geweigert, überhaupt miteinander zu reden, geschweige denn zusammen Brötchen zu backen.

So geht nun wohl der zweite "forno" an. Die Fünf Sterne könnten nämlich auch mit den Sozialdemokraten des Partito Democratico (PD) verhandeln. Links, rechts? Das ist den Postideologen egal. Ihr Geschäftsmodell basiert darauf, dass man sie nicht fassen kann. Es muss kein Hindernis sein, dass ihr Chef Luigi Di Maio, 31, es zuerst mit der Rechten versucht hat. Die Italiener haben ein lockeres Verhältnis zur Wandelbarkeit ihrer Politiker. Persönliche Animositäten, wie es sie auch in diesem Ofen gibt, halten selten ewig.

Mit den Stimmen zur Macht verhelfen, ohne selbst Minister zu stellen

Italien jedenfalls wäre es zu wünschen, dass der Partito Democratico den Sternen hilft, das Land zu regieren. Mit einer Art Coaching. Damit ließe sich auch die Sorge Europas besänftigen.

Doch das Dilemma der Sozialdemokraten ist groß, existenziell sogar. Es besteht die Gefahr, dass sie sich überflüssig machen, denn vielen linken Wählern bieten die Fünf Sterne, eine Protestpartei, neue Heimat. Mehr als zwei Millionen Wähler des PD sind bei der jüngsten Wahl zu den Cinque Stelle gewechselt. Es droht der Sturz ins Bodenlose. Ein stattlicher Teil der Partei ist deshalb überzeugt davon, dass nur Opposition Heilung bringt. Das erinnert an die SPD.

Was aber ist, wenn der Staatspräsident in Rom an ihr Verantwortungsbewusstsein appelliert, wie das schon den Genossen in Berlin passierte? Für das höhere Wohl der Republik eben?

Es gäbe da einen Mittelweg aus dem Dilemma. Die italienischen Sozialdemokraten könnten den Fünf Sternen mit einem sogenannten "Appoggio esterno" zur Macht verhelfen, von außen also. Mit ihren Stimmen, aber ohne Minister im Kabinett. Im Gegenzug könnten sie Forderungen stellen: ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union, zum Euro, zur Nato, zu Reformen. Sollten die Cinque Stelle dann scheitern, wäre die Linke fein raus. Im Senat, der kleineren Parlamentskammer, hätte eine solche Koalition eine denkbar dünne Mehrheit. 161 Sitze sind nötig, die beiden Parteien verfügen über genau 161.

Falls aber auch dieser Ofen erkaltet, sind nur noch Lösungen von oben möglich, aus dem Quirinalspalast. Staatschef Sergio Mattarella könnte eine "Regierung des Präsidenten" berufen, in der nur Minister ohne Parteibuch säßen - hohe Bürokraten und Experten. Diese Regierung würde das Land mit den Stimmen aller für kurze Zeit führen und nur einige wenige Geschäfte erledigen. Unter anderem müsste sie ein neues Wahlgesetz erarbeiten, mit dem dann bald frisch gewählt würde. Idealerweise wäre es so geartet, dass es dem Land klare Mehrheitsverhältnisse beschert. Ganze Sieger statt halbe Bäcker.

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