Ein Bild und seine Geschichte:Der Tod des "Roten Barons"

Die Beerdigung von Manfred von Richthofen am 22. April 1918

Offiziere der Royal Air Force tragen den Sarg mit dem Leichnam von Manfred von Richthofen zum Grab. Der deutsche Kampfflieger wurde am 22. April 1918 von seinen Gegnern mit militärischen Ehren beerdigt.

(Foto: imago/United Archives Internatio)

Vor 100 Jahren wird der Jagdflieger Manfred von Richthofen an der Westfront abgeschossen. Die Weltkriegsgegner sind froh - und bestatten den Deutschen mit allen Ehren.

Von Markus C. Schulte von Drach

Ein Bild und seine Geschichte

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Es dürfte im Ersten Weltkrieg nicht sehr häufig vorgekommen sein, dass ein gefallener Soldat ehrenvoll bestattet wurde - vom Gegner. Angesichts der unzähligen Toten, die die Kämpfe an der Westfront kosteten, ist das heute kaum vorstellbar.

Und doch ist es vorgekommen. 1918 etwa, während der Frühjahrsoffensive der Deutschen, nach der allein etwa 500 000 Soldaten tot auf den Schlachtfeldern zurückblieben, zelebrierten britische und australische Soldaten das Begräbnis eines einzelnen Deutschen mit militärischen Ehren.

Natürlich handelte es sich nicht um irgendeinen Soldaten. Am 22. April wurde Manfred von Richthofen auf dem Gemeindefriedhof von Bertangles bei Poulainville nahe Amiens beerdigt, das bekannteste Flieger-Ass des Ersten Weltkriegs. Gestorben war Richthofen am Tag zuvor, am 21. April. Er war an der Somme in der Umgebung des Dörfchens Le Hamel von einer Kugel getroffen worden und hinter den britischen Linien abgestürzt.

Begleitet von etlichen britischen und australischen Soldaten und vielen Einheimischen wurde sein Sarg von sechs Piloten des in Bertangles stationierten australischen No. 3 Squadron zum Grab getragen. Australische Soldaten feuerten eine Ehrensalve. Und George H. Marshall, Priester eines ebenfalls auf diesem Flugplatz eingesetzten britischen Geschwaders, der 101 Squadron, feierte die Messe.

Vier Offiziere legten Kränze am Grab ab - darunter der Kanadier Arthur Roy Brown vom 209. Squadron, der anfänglich als jener Kampfflieger galt, der den später als "Roter Baron" bezeichneten Richthofen abgeschossen haben sollte.

Am Tag darauf warf ein Pilot der Royal Air Force eine Nachricht über dem Flugplatz bei Cappy ab, wo Richthofens Geschwader, Jasta 11, stationiert war. "An das Deutsche Flieger-Corps", hieß es darin: "Rittmeister Baron von Richthofen wurde während eines Luftkampfes am 21. April 1918 getötet. Er wurde mit vollen militärischen Ehren beerdigt. Die British Royal Air Force."

Luftkampf mit kanadischen Jagdfliegern

Richthofen hatte an diesem Tag mit weiteren Piloten seiner Staffel zwei R.E.8-Aufklärungsflugzeuge der Australier angegriffen - er wollte also gerade Angehörige eben jenes Geschwaders töten, von dem er dann ehrenvoll beigesetzt wurde. Gerettet wurden die Australier durch kanadische Jagdflugzeuge, die die Deutschen in einen Luftkampf verwickelten.

Den berühmten Fokker-Dr.1-Dreideckern der Deutschen standen nun etliche Einsitzer vom Typ Sopwith Camel gegenüber. Die vom Flugplatz Leffrinckoucke in Frankreich aufgestiegenen Jagdflugzeuge der kanadischen No. 209 Squadron stellten für die deutschen Piloten eine deutlich größere Herausforderung dar als die langsamen Aufklärer der Australier.

Wie Freiherr von Richthofen - der Baron geht auf die englische Übersetzung des Freiherrn zurück - getötet wurde, war zuerst umstritten. Das Flieger-Ass war nicht bekannt dafür, sich besinnungslos in die Luftkämpfe zu werfen, sondern sich seine Gegner mit Besonnenheit auszusuchen - und dann überraschend zu attackieren.

Manfred von Richthofen

Manfred von Richthofen starb am 21. April 1918, tödlich verwundet in einem Luftkampf an der Somme.

(Foto: dpa)

Die meisten der 80 Flugzeuge, die er abgeschossen hatte, waren Aufklärer gewesen, langsam und sperrig. Zwar hatte sich sein Verhalten im Kampf nach einer Kopfverletzung und anschließenden Notlandung Ende 1917 verändert. Die Begeisterung für den Luftkampf war deutlich gesunken. Aber eine Versetzung weg von der Front war für ihn trotzdem nicht infrage gekommen.

Was ihn letztlich das Leben kostete, war der Versuch, erneut einen deutlich unterlegenen Gegner zu töten - einen jungen Kanadier, der erst seinen dritten Kampfeinsatz und nun seinen zweiten Luftkampf absolvierte.

Jagd auf einen Neuling

Wie dieser Wilfrid May später erzählte, hatte er sich als Anfänger - auf Anweisung seines Staffelführers - aus dem Luftkampf herausgehalten. Als er aber einen deutschen Piloten entdeckte, der sich ebenfalls zurückhielt, entschied er sich, anzugreifen. Es handelte sich um Wolfram von Richthofen, ein Cousin von Manfred und ebenfalls ein Neuling unter den Kampffliegern.

Mays Angriff misslang und plötzlich befand sich der unerfahrene Kanadier mitten im Kampfgetümmel über der Front. Von allen Seiten wurde auf ihn geschossen, während er selbst einen typischen Fehler machte: Er schoss unkontrolliert, so dass beide Maschinengewehre blockierten. May flüchtete aus dem Luftkampf und dachte, der Kampf wäre für ihn vorbei.

Erst als ihm erneut Kugeln um die Ohren flogen, wurde ihm klar, dass er verfolgt wurde. Ein rot angestrichener Dreidecker hatte sich hinter ihn gesetzt. Bald flogen die beiden Maschinen dicht über dem Boden die Somme entlang, zum Ausweichen war für May kaum noch Raum. Doch dann brach sein Verfolger plötzlich zur Seite aus.

Nahe der französischen Ortschaft Corbie gelang Richthofen noch eine Notlandung. Doch innerhalb weniger Minuten war der deutsche Pilot verblutet. Eine Kugel hatte ihn tödlich in die Brust getroffen.

Hinter May tauchte dagegen sein Staffelführer auf, Arthur Roy Brown, der sich mit seinem Flieger hinter Richthofen gesetzt und auf ihn geschossen hatte. Für May und die kanadischen Flieger war deshalb klar: Brown hatte das deutsche Flieger-Ass getötet.

Nach Untersuchungen des Leichnams und der Analyse der Berichte sowohl der kanadischen und britischen Flieger als auch von alliierten Soldaten am Boden stellte sich heraus: Richthofen war von einer einzelnen Kugel getroffen worden, die eher von unten als von oben gekommen war.

Australische Maschinengewehrschützen der 24th Machine Gun Company und der 53rd Battery, 14th Australian Field Artillery Brigade hatten das tief fliegende deutsche Kampfflugzeug unter Feuer genommen. Heute gilt es als wahrscheinlich, dass entweder der Flugabwehrschütze Cedric Popkin oder der Maschinengewehrschütze William John Evans die tödliche Kugel abgefeuert hatten.

Wieso aber behandelten die Australier und Briten den Mann, der in der Luft ihr schlimmster Feind gewesen war, mit solchen Ehren? Ein ritterlicher Kampf, um den es sich zu Beginn des Krieges manchmal vielleicht noch gehandelt hatte, war der Luftkampf schon lange nicht mehr. Die Piloten töteten sich erbarmungslos gegenseitig.

Deutsches Jagdflugzeug Fokker Dreidecker, 1918

Ein Fokker-Dr.1-Dreidecker, wie ihn Richthofen zuletzt flog.

(Foto: Scherl)

Auch Manfred von Richthofen, der nach seinen ersten Abschüssen noch zugeschaut hatte, wie seine besiegten Gegner notlandeten und in Gefangenschaft gingen, kannte bald keine Gnade mehr. Wie er selbst berichtete, zielte er möglichst auf die Menschen, nicht auf die Maschinen, von den britischen und französischen Piloten sprach er wie von Jagdbeute, für jeden Abschuss belohnte er sich mit einem kleinen Pokal. Auch auf schon besiegte Gegner feuerte er so lange, bis diese in Flammen aufgingen, bevor sie notlanden konnten.

Doch es gibt eine mögliche Erklärung für das Verhalten der alliierten Soldaten. Zwar war es inzwischen auch über der Front zu einem Wettrüsten um die technologisch überlegenen Kampfmaschinen gekommen. Außerdem zählte 1918 kaum noch das fliegerische Können, sondern vor allem die Zahl der Flugzeuge, die beide Seiten einsetzen konnten - und seit dem Eintritt der USA in den Krieg, waren die Alliierten deutlich überlegen.

Doch anders als am Boden, wo Tausende Soldaten im Artilleriefeuer und Bombenhagel starben, ohne dass persönlicher Mut und Einsatz einen großen Unterschied machten, waren die Flieger noch einzeln identifizierbar. Sie waren immer noch etwas Besonderes. Ihr persönlicher militärischer Erfolg ließ sich anhand der Zahl abgeschossener Gegner messen. Und mit jedem, der als Held gefeiert werden konnte, ließ sich Propaganda machen - was die Militärs und Regierungen auch mit großem Eifer taten.

Gegner, die sich verbunden fühlen

Die Flieger waren eine Spezialtruppe mit einzigartigen, ganz besonderen Eigenschaften und Aufgaben. Sie betrachteten sich sicher als eigene Klasse von Kriegern - Ritter der Lüfte -, das machte sie zu etwas ganz Besonderem und hob sie von der Masse der übrigen Soldaten ab. Diese Besonderheit dürfte sie über die Grenzen hinweg verbunden haben. Wenn einer von ihnen, und dann auch noch der Erfolgreichste unter ihnen, getötet wurde, war er immer noch einer von ihnen - selbst wenn er ein Feind gewesen war.

Wie sonst lässt sich erklären, was Brown über seinen Gegner schrieb, von dem er annahm, ihn getötet zu haben, um seinen Schulfreund May zu retten. Der tote Richthofen, den Brown in einem Hangar von Bertangle betrachten konnte, "schaute so freundlich. [...] Plötzlich fühlte ich mich schlecht, verzweifelt unglücklich, als hätte ich ein Unrecht begangen." Brown fühlte sogar Scham darüber, für den Tod des Deutschen verantwortlich zu sein. "Wenn er mein bester Freund gewesen wäre, hätte ich keinen größeren Kummer empfinden können."

In Deutschland fand am 2. Mai 1918 eine Traufeier für Manfred von Richthofen statt, an der die Kaiserin Auguste Viktoria persönlich teilnahm. Im November 1925 wurde sein Leichnam aus Frankreich nach Deutschland überführt und mit einem Staatsakt auf dem Invalidenfriedhof in Berlin erneut begraben.

1975, bevor der Invalidenriedhof in Ost-Berlin eingeebnet wurde, holte die Familie von Richthofen die sterblichen Überreste nach Wiesbaden, sein Grab befindet sich heute auf dem Südfriedhof der Stadt.

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