SZ-Datenanalyse:Neuer Bundestag, alte Fronten

Bundestag

Der noch leere Plenarsaal des Bundestags

(Foto: picture alliance / Michael Kappe)

Seit einem halben Jahr sitzt die AfD im Parlament. Was hat sich verändert? Welche Fraktion ist am aktivsten? Wer spendet wem Applaus? Und wo sitzen die größten Schreihälse?

Von Katharina Brunner, Sabrina Ebitsch und Martina Schories

Mit der AfD ist eine neue Partei in den Bundestag eingezogen. Das hat das deutsche Parlament verändert. Wie, das kann man auch den Protokollen der Bundestagssitzungen entnehmen, die die Süddeutsche Zeitung in den vergangenen Monaten ausgewertet hat (mehr zur Methodik hier).

In den Protokollen steckt allerdings noch mehr. Zum Beispiel, wie aktiv die Parteien im Bundestag sind. Wie viel applaudieren die Fraktionen sich selbst und wie viel anderen? Und wer bekommt den meisten Applaus von anderen Parteien? Hier einige grundlegende Erkenntnisse aus den Bundestagsprotokollen in Grafiken - jenseits der AfD:

Die AfD im Bundestag

Dieser Text ist Teil einer großen Datenrecherche zum ersten halben Jahr der AfD im Bundestag. Lesen Sie hier die digitale Reportage mit den zentralen Ergebnissen und hier alle Texte zum Thema.

Angriffe auf den politischen Gegner

Zumindest im ersten halben Jahr seit der konstituierenden Sitzung des Bundestags zeichnen sich die klassischen Frontlinien ab. Die traditionellen politischen Lager sind für das Agieren im Parlament oft immer noch entscheidend. Das zeigt sich in den Daten, das zeigt sich darin, wie die verschiedenen Fraktionen auf Reden anderer Fraktionen oder Regierungsmitglieder wie Minister oder parlamentarische Staatssekretäre reagieren. In Summe bekommen Politiker der CDU/CSU mit 1856 die meisten Zwischenrufe, wenig verwunderlich angesichts dessen, dass sie die größte Fraktion sind und somit am meisten Redezeit haben. An zweiter Stelle steht die AfD mit 1406 Zurufen, aber deutlich weniger Zeit am Redepult.

Die Zwischenrufe der Grünen als Mittel der rhetorischen Intervention sind überwiegend und mit geringem Abstand an Union und AfD adressiert. Bei den Linken ist der Abstand größer: Die Union hat für sie als Gegenpart das größte Gewicht - deutlich vor der AfD. Die SPD richtet mit 43 Prozent anteilig die meisten ihrer Zurufe an die AfD. Die FDP, 2017 nach vierjährigem Moratorium wieder in den Bundestag eingezogen, arbeitet sich im Plenum in ihren - insgesamt wenigen - Zwischenrufen überproportional an der Linken ab. Am häufigsten werden die stärksten Fraktionen, Union und SPD, mit Zwischenrufen bedacht.

Taktischer Applaus

Die klassischen Muster zeigen sich auch beim Applaus. Besonders häufig klatschen die Fraktionen für sich selbst. Wenn sie anderen Zustimmung oder Anerkennung signalisieren, dann bevorzugt politischen Freunden oder Nachbarn. Die FDP klatscht am meisten für die Union; die aktuellen Großkoalitionäre applaudieren sich gegenseitig; die Parteien, die grob dem linken Spektrum zuzuordnen sind, bedenken sich mit Applaus, also die Linken die Grünen, die Grünen die SPD, die SPD die Grünen, die Grünen die Linken und so weiter.

Die AfD bekommt so gut wie nie Beifall von anderen Fraktionen. Das hat inhaltliche, aber auch taktische Gründe. Man will sich von den Rechten abgrenzen, die mit gezielten Provokationen und politischen und moralischen Grenzüberschreitungen versuchen, Aufmerksamkeit zu bekommen.

Nüchtern betrachtet, ist Klatschen im Bundestag die gängigste Art, wie Gemeinschaft signalisiert wird - oder Abgrenzung. Klatschen signalisiert Zugehörigkeit zu einer Fraktion, Koalition oder politischen Richtung.

Im Durchschnitt wird jedes zweite Mal (53 Prozent) für die eigene Fraktion geklatscht. Die Spanne reicht von 44 Prozent bei der FDP und den Grünen bis zu 70 Prozent bei der AfD, die besonders häufig für die eigenen Redner applaudiert. Auch die Union beklatscht sich häufig selbst.

In der Regel gilt bei einem Redner der eigenen Partei eine Art unausgesprochener Fraktionszwang, wie die folgenden beiden Grafiken zeigen:

Die Macht der Opposition

Am lautesten im Bundestag sind die Grünen - vor allem bemessen nach den Zwischenrufen, aber auch insgesamt ist die grüne Fraktion besonders aktiv. Zählt man alle Reaktionen in Debatten wie Lachen, Zwischenrufe oder Klatschen zusammen, stehen die Grünen mit insgesamt 4543 an erster Stelle, knapp vor der SPD mit 4507.

Dass die Grünen in der Aktivitäts-Rangliste an erster Stelle rangieren und die Linken gleich nach den deutlich größeren Fraktionen, CDU/CSU und SPD kommen, könnte auf ihre Oppositionsroutine hindeuten: Seit fast 13 Jahren stellen die Linke und die Grünen die Opposition im Bundestag. Die Grünen greifen dabei bevorzugt auf das parlamentarische Instrument des Zwischenrufs zurück, die Linken liegen bei der klassischen Papierarbeit der Opposition vorn und stellen die meisten Kleinen Anfragen.

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