Sexuelle Gewalt gegen Frauen:Der Protest reist mit Indiens Premierminister

Demonstrators stage a protest against the visit by India's Prime Minister Narendra Modi in Parliament Square, London

Gerechtigkeit fordern Demonstranten bei einem Protest gegen Indiens Premierminister Narendra Modi in London.

(Foto: Hannah McKay/Reuters)
  • Mädchen und Frauen sind in Indien nach wie vor massiver sexueller Gewalt ausgesetzt.
  • Kritiker werfen Premierminister Modi vor, dass er nach einer besonders grausamen Tat in Kaschmir zu lange geschwiegen habe. Die Proteste reichen bis ins Ausland.
  • Modi ist besucht in dieser Woche Europa und wird am Freitagnachmittag zu einem kurzen Zwischenstopp in Berlin erwartet.

Von Arne Perras, Singapur

Asifa Bano war die Tochter von Nomaden, ein Mädchen aus Kaschmir, acht Jahre alt. Am 17. Januar hatte man sie tot in einem Wald aufgefunden. Und was die Ermittlungen seither ans Licht brachten, ist abscheulich. Das Mädchen wurde entführt, tagelang in einem Hindutempel festgehalten, von mutmaßlich mehreren Männern gequält und missbraucht, bevor die Täter das Kind ermordeten.

Der qualvolle Tod des Mädchens sowie Vergewaltigungen einer 11-Jährigen und einer 17-Jährigen erinnern daran, dass Mädchen und Frauen auf dem Subkontinent nach wie vor massiver sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Nun haben sich wieder Proteste dagegen formiert und sie verfolgen nun sogar den Premierminister bis ins Ausland. Narendra Modi besucht in dieser Woche Europa, er ist nach Skandinavien und Großbritannien geflogen und wird am Freitagnachmittag zu einem kurzen Zwischenstopp in Berlin erwartet, wo er die Kanzlerin treffen wird. Der Anstoß dazu sei von Angela Merkel gekommen, erklärte das indische Außenministerium. Geplant sei ein "Meinungsaustausch über bilaterale, regionale und globale Angelegenheiten", hieß es lapidar.

Der Regierungschef warnt davor, die Vergewaltigungsverbrechen zu "politisieren"

In London hatten sich unterdessen schon am Mittwoch aufgebrachte Demonstranten in der Downing Street versammelt, um die Gewalt anzuprangern, was Modi schließlich zu einer Stellungnahme bewegte. Der Premier verurteilte die Taten und warnte davor, Vergewaltigungsverbrechen in seinem Land zu "politisieren". Damit reagierte er auf wachsenden Unmut, der sich gegen ihn und seine Partei bemerkbar macht. Kritiker werfen Modi vor, dass er zu lange geschwiegen habe nach der Tat in Kaschmir und dass er radikale Kräfte seiner Partei nicht in die Schranken weise.

Das Verbrechen hat nicht nur einen landesweiten Schock über das Ausmaß der Quälereien ausgelöst, sondern schürt auch religiöse Spannungen. Radikale Hindus und Politiker aus der Modi-Partei BJP hatten die vergiftete Stimmung noch angeheizt, als sie versuchten, bei Solidaritätskundgebungen die mutmaßlichen Vergewaltiger in Schutz zu nehmen. Das Opfer war muslimisch, die Verdächtigen sind Hindus.

Wegen der religiösen Dimension ist der Mordfall explosiv, gerade in der Krisenregion Kaschmir, das mehrheitlich muslimisch bevölkert ist und wo sich starker und auch militanter Widerstand gegen die Kontrolle durch den indischen Staat formiert. Der prominente indische Sänger und Komponist Vishal Dadlani sah darin jedoch keinen Grund, die Debatte über Gewalt gegen Frauen und Kinder von der politischen Bühne fernzuhalten. Er rief die Inder zum Gegenteil auf: "Hört auf unpolitisch zu sein, werdet politisch", postete er. "Wir sind alle Bürger mit der Macht unserer Stimme und wir sind verantwortlich für jedes indische Kind." Nahezu jedes zweite Vergewaltigungsopfer in Indien ist ein Kind.

Der Mord an dem muslimischen Mädchen Asifa ereignete sich in der Region Jammu, die anders als der Rest von Kaschmir von Hindus dominiert wird. Nomaden sind dort in Landstreitigkeiten mit ansässigen Hindus verwickelt, und manches deutet darauf hin, dass die Täter das Mädchen gezielt ausgesucht hatten, um die Nomaden zu terrorisieren und zu vertreiben.

Auch der Fall eines 17-jährigen Vergewaltigungsopfers in Uttar Pradesh bringt die Modi-Partei unter Druck. Zunächst hatte sich die Polizei geweigert, den Fall zu untersuchen, weil das Mädchen einen BJP-Politiker beschuldigte. Sie gehört zur diskriminierten Gruppe der Dalits, früher als Unberührbare bekannt. Als die Polizei untätig blieb, drohte das Mädchen, sich öffentlich zu verbrennen. Daraufhin rückten Schläger aus, um den Vater des Mädchens als Warnung zu verprügeln. Er starb an seinen Verletzungen. Erst als diese Tat einen breiten Aufschrei provozierte, nahm die Polizei die Anzeige des Mädchens auf.

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