Staatlich geprüfte Bergführer:Zusammen besser aufsteigen

Staatlich geprüfte Bergführer: Bergführer müssen auch schwierige Entscheidungen treffen, um ihre Kunden sicher ans Ziel zu bringen.

Bergführer müssen auch schwierige Entscheidungen treffen, um ihre Kunden sicher ans Ziel zu bringen.

(Foto: imago stock&people)

Wie müssen Menschen sein, denen andere ihr Leben anvertrauen? Ein Gespräch mit Michael Lentrodt, Präsident des Deutschen Berg- und Skiführerverbandes.

Interview von Dominik Prantl

Michael Lentrodt, 54, ist seit 30 Jahren Bergführer und seit sechs Jahren Präsident des Deutschen Berg- und Skiführerverbandes. Wobei ihm wichtig ist, den Begriff "Bergführer" immer mit dem Attribut "staatlich geprüft" zu koppeln. Ein Gespräch über einen sich ändernden Beruf und die Frage, ob die Skisaison eigentlich wirklich schon zu Ende ist.

SZ: Sie sind staatlich geprüfter Bergführer und in der Immobilienbranche tätig - eine merkwürdige Mischung.

Michael Lentrodt: Vordergründig ja. Beim genauen Hinsehen gibt es heute viele Leute, die das Bergführen mit einem anderen Beruf verbinden. Ein alter Bergführerausbilder hat vor 30 Jahren zu mir gesagt: Bergführer sein zu dürfen, ist wunderschön. Bergführer sein zu müssen, kann unglaublich hart sein. Das habe ich mir gemerkt. Beim Führen kann man sich so verletzen, dass man danach ein Sozialfall ist, wenn man nur das Bergführen gelernt hat.

Was sind denn heutzutage die wichtigsten Eigenschaften eines Bergführers?

Neben Grundvoraussetzungen wie körperliche Fitness und sportliches Können muss der gute und erfolgreiche Bergführer vor allem über die Fähigkeiten verfügen, einen Kundenstamm aufzubauen. Da sind dann soziale Kompetenz und auch Allgemeinbildung gefragt. Die Eigenschaften, die ich als Bergführer gelernt habe, bringen mich auch im anderen Berufsleben weiter.

Geben Sie ein Beispiel.

Gut zahlende Kunden sind oft nicht die einfachsten Kunden, sondern eher Alphatiere. Wenn du so jemanden behalten willst, dann musst du ihn in die Entscheidung einbinden. Was mache ich beispielsweise bei einem schönen Tiefschneehang, in den alle anderen Skifahrer und Gruppen einfahren und bei dem ich als Bergführer zu meinen Kunden sagen muss: Heute nicht! Diese Form der Konsequenzanalyse wäre in anderen Berufen auch manchmal angebracht.

Das heißt, was man als Bergführer lernen muss, ist Verzicht?

Ja, ohne Verzicht funktioniert kein Risikomanagement. Wenn ein junger Bergführer am Hang die falsche Entscheidung trifft, ist er danach vielleicht tot.

Ein Klischee lautet, dass Bergführer wegen der Klagementalität inzwischen mit einem Bein im Gefängnis stünden.

Das wird meiner Meinung nach überbewertet. Wer konsequentes Risikomanagement betreibt und es dokumentiert, indem man zum Beispiel seine Gedanken niederschreibt, muss sich auch im Falle eines tödlichen Unfalls keine Sorgen machen.

Michael Lentrodt, Bergführer

Michael Lentrodt, Präsident des Deutschen Berg- und Skiführerverbandes.

(Foto: Privat)

Als Bergführer verdient man ja auch nicht so schlecht, oder?

Wir empfehlen, dass ein staatlich geprüfter Bergführer pro Tag nicht weniger als 450 Euro brutto verlangen sollte. Nicht jeder bekommt das. Wenn man Steuern und Versicherungen abzieht, weiß man, was ungefähr bleibt.

Das bekomme ich anderswo - beispielsweise beim Alpenverein - günstiger.

Es gibt genügend ehrenamtliche Bereiche, in denen engagierte Mitglieder Touren unternehmen. Die sind dann aber nicht mit zwei Kunden und einem individualisierten Programm unterwegs. Das ist ein ganz anderes Führen. Ich sage immer, dass es nur drei Berufsgruppen gibt, denen man wirklich sein Leben anvertraut: Piloten, Ärzten und Bergführern. Unter den Ehrenamtlichen sind sicher gute Leute. Aber sie machen es ehrenamtlich.

Auch viele staatlich geprüfte Bergführer sind nur nebenberuflich unterwegs.

Aber sogar die kommen auf 25 Wochen im Jahr. Wer sich auskennt, weiß, dass der Zivilbergführer, also der staatlich geprüfte, eine Ausbildung hat, wie es sie sonst nirgendwo gibt. Es gibt inzwischen nur immer mehr Ausbildungen, die den Eindruck der Gleichwertigkeit erzeugen.

Die Konkurrenz ist größer geworden.

Die scheinbare Konkurrenz ist größer geworden. Allerdings ist auch der Beruf vielseitiger geworden. Früher war man als Bergführer im Februar und März auf Skitour und von Juli bis September auf Hochtour. Heute gibt es die verschiedensten Spielarten: Freeriden, Eisklettern, Expeditionen, Trekking, Canyoning, Mountainbiken. Und wo eine erhöhte Nachfrage zu spüren ist, gibt es auch viele, die davon profitieren wollen.

Sehen Sie den DAV als Konkurrenz?

Bergschulen im Einzugsbereich großer Alpenvereinssektionen können mit deren Angeboten nicht mithalten. Wir müssen etwas bieten, das sich unterscheidet. Und von der Arbeit des DAV profitieren wir ja auch, weil sie zur Popularität des Bergsports beiträgt.

Freuen Sie sich auf den Sommer?

Total. Erst einmal möchte ich noch ein paar schöne Skitouren machen; das geht noch bis in den Juni. Aber ich freue mich aufs Klettern. Und aufs Kitesurfen. Ja, es gibt noch ein Leben neben den Bergen.

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