Heirat und Adoption:Väter zweiter Klasse

Sorgerechtsregelung für unverheiratete Väter verfassungswidrig

Väter zweiter Klasse? Bislang dürfen nur Verheiratete Stiefkinder adoptieren.

(Foto: dpa)
  • Ein Mann will nach dem Tod des Vaters seine beiden Stiefsöhne adoptieren, doch nur wer verheiratet ist, kann via Adoption zur gemeinsamen Elternschaft gelangen.
  • Dagegen hat der Mann geklagt - und drei Mal verloren.
  • Psychologen-Fachverbände halten den bisherigen Adoptionsverhinderungsparagrafen jedoch für verfassungswidrig. Nun liegt der Fall beim Bundesverfassungsgericht.

Von Wolfgang Janisch

Als der Vater starb, war der älteste Sohn im Grundschulalter, der jüngere war erst zwei. Ein schweres Schicksal für die Familie, aber das Leben hielt eine positive Wendung bereit. Die Mutter fand einen neuen Partner, er übernahm die Rolle des Vaters, später kam noch ein dritter, gemeinsamer Sohn hinzu. Heiraten wollte das Paar nicht - sonst wäre die Witwenrente weg gewesen. Aber im Jahr 2013, nach sechs Jahren Familienglück, sollte eine solide rechtliche Basis her. Der Mann wollte die Stiefsöhne adoptieren. Im Prinzip der Idealfall: Der Quasi-Vater, alltagserprobt und für gut befunden, soll es nun auch auf dem Papier werden. Er bekäme das Sorgerecht, die Söhne erhielten Unterhaltsansprüche und Erbrecht. Also Sicherheit, falls das Schicksal doch wieder zuschlägt.

Und was sagt das Bürgerliche Gesetzbuch dazu? Es sagt: Nein, sorry, das geht nicht. Nur wer verheiratet ist, kann via Adoption zur gemeinsamen Elternschaft gelangen. Dagegen ist das Paar vor Gericht gezogen und hat drei Mal verloren, zuletzt 2017 vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Nun liegt der Fall beim Bundesverfassungsgericht, das vor allem zur Psychologie des Stiefkindes Stellungnahmen von Fachverbänden eingeholt hat. Viele von ihnen halten den Adoptionsverhinderungsparagrafen für verfassungswidrig.

Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass Stabilität und Sicherheit wichtig für die Entwicklung sind. Gerade dort, wo Stiefkinder und leibliche Kinder miteinander leben, sollten einheitliche Elternbefugnisse herrschen, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DPG).

Spielentscheidend für das Karlsruher Verfahren - eine Entscheidung wird in der zweiten Jahreshälfte erwartet - dürfte aber sein, ob die Ehe wirklich der bessere Garant für das Wohl der Kinder ist. Das wäre ein durchschlagendes Argument für das Adoptionsprivileg von Eheleuten. Doch aus der Kinderperspektive können die Fachleute keinen Mehrwert der Ehe ausmachen. Es gebe keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Familienklima und Familienstatus, sagt die DPG. Keine "generelle Überlegenheit" der Ehe, befindet der Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen. Die angebliche Stabilität, die der BGH zugunsten der Ehe ins Feld geführt hat, könne aus der Kindersicht sogar ein zweischneidiges Argument sein: "Zehn bis 25 Prozent aller Paare in Deutschland leben in stabilen, aber unzufriedenen Ehen, wobei das schlechte Familienklima für minderjährige Kinder eine größere Belastung darstellt als eine Scheidung der Eltern."

Doch auch wenn der Paragraf gekippt werden sollte: Für den weitaus häufigsten Fall - Trennung der Eltern und Bildung einer neuen Familie - ist die Adoption der Stiefkinder keine gute Lösung. Und zwar deshalb, weil damit das Band zum leiblichen Vater (oder der Mutter) zerschnitten würde. Aber vielleicht stößt das Verfahren ja eine Gesetzesänderung an. Notwendig wäre die Entwicklung neuer Modelle, etwa eines geteilten Sorgerechts im allseitigen Einverständnis, also auch mit Zustimmung des getrennt lebenden Elternteils - das hat der Deutsche Juristentag vor zwei Jahren vorgeschlagen. Ungefähr ein Viertel der Paare in Stiefkindfamilien ist nicht verheiratet. Sieht so aus, als verlange die Wirklichkeit nach einer Reform.

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