Homo-Ehe:Er liebt ihn

Heiraten im Mai 2018: Deutschland startet in die erste "Ehe für alle"-Saison. Damit zieht ein neuer Hochzeitsstil ein und die Gäste können sich auf Pomp und Abwechslung freuen.

Von Anne Goebel

Märchenhochzeit? Die könnte zum Beispiel so aussehen: Ein Mann kleidet sich in einem Zimmer mit raumhohen Decken an. Der Wind bauscht die Vorhänge am Fenster, Schlossatmosphäre. Smoking, weißes Hemd mit Biesen, dunkle Fliege, alles liegt bereit. Der Bräutigam zelebriert jeden Schritt, zum Schluss noch die Lackschuhe von Prada und ein paar Spritzer Eau de Parfum "Black Orchid". Dann geht er über knirschenden Kies und küsst wenig später vor dem Tor der kleinen Burgkapelle seinen ebenso makellos gekleideten Ehemann. Ganz große Romantik.

Heiraten im Mai 2018: Deutschland startet in die erste "Ehe für alle"-Saison. Den Lieblingsmonat dürfen jetzt auch Männer- und Frauenpaare zum feierlichen Termin ihrer Vermählung wählen. Im vergangenen Juni hatte der Bundestag den Weg frei gemacht für die rechtliche Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Partnerschaften.

Die gute Nachricht ist: Es herrscht, nach all den Diskussionen vorab, wohltuende Unaufgeregtheit. Die Standesämter melden einen deutlichen, aber moderaten Anstieg gleichgeschlechtlicher Trauungen. Bayern hat von seiner Klage gegen die Ehe für alle abgesehen. Eine Gefährdung des Abendlandes durch obskure Queer-Partys ist nirgends zu erkennen. Alles hübsch im frühlingsgrünen Bereich.

Aus Sicht der Festkultur bedeutet das neue Gesetz natürlich eine Erweiterung der Spielregeln. Wir sind bei Hochzeiten gewohnt an altbekannte Rituale. Kleid und Anzug. Weiß und Schwarz. Sie trägt Blumen im Haar, er führt beim Walzer.

Tränen der Rührung über das Glück von Sohn und Schwiegersohn

So etwas hingegen sind ungewohnte Bilder: Andreas, der erwähnte junge Mann im Smoking, steckt Adrian, ebenfalls jung und im Smoking, den Ring an den Finger; der eine lehnt den Kopf an die Schulter des anderen; die Mutter weint vor Rührung über das Glück von Sohn und Schwiegersohn: Alles Motive aus der Fotostrecke "Two Grooms are Better Than One", zwei Bräutigame sind besser als einer. In Szene gesetzt wurde sie von den Hochzeitsfotografen Carmen und Ingo Leitner. Die Trauung der beiden Männer auf Schloss Laxenburg war eine Premiere. "Das war ungewohnt für mich", sagt Ingo Leitner. "Nach mehr als 200 Hochzeiten ein küssendes Männerpaar vor der Kamera."

Mit der bilderbuchschönen Serie auf ihrer Webseite zu werben, wird sich für das Fotografenduo auszahlen. Schwule und lesbische Hochzeiten oder "Same Sex Marriages", wie es im angloamerikanischen Raum heißt, sind hierzulande ein Bereich, in dem die Geschäfte gerade erst anlaufen. Mit viel Potenzial, sagt Ingo Leitner. Anfragen aus Deutschland kämen bislang vor allem aus dem Norden "und weniger aus dem erzkatholischen Bayern". Dieser Eindruck deckt sich mit der ersten Halbjahresbilanz zur Ehe für alle. Hamburg zählte knapp 460 Paare in den ersten sechs Monaten. In München waren es nach Informationen des Bayerischen Rundfunks gut 100.

Da ist noch Luft nach oben. Auf amerikanischen Plattformen wie The Knot oder dem digitalen britischen Gay Wedding Guide werden Nutzer mit Bildern glücklicher Paare schier überflutet. Zwei durchtrainierte Brautkleid-Trägerinnen posieren vor Sukkulenten auf einer kalifornischen Ranch. Gareth und Paul durchschreiten in blau karierten Anzügen, die Muster perfekt abgestimmt, einen gotischen Festsaal in London.

Für ihre Party in einem Chicagoer Loft haben Lance und Joel die Blumendeko der Farbe ihrer Krawatten angepasst. Diese Leidenschaft für Details, der Wunsch nach einer Gesamtkomposition, die mindestens so stilvoll aussehen soll wie die besten Bilder aus "Vier Hochzeiten und ein Todesfall": Ist das nicht typisch schwul - oder ist das eine vollkommen deplatzierte und diskriminierende Frage?

Wer trägt den Strauß?

Homo-Ehe: Alles aufeinander abgestimmt: Zwei Brautsträuße ergeben einen.
(Foto: www.ihrhochzeitsplaner.berlin)

Alles aufeinander abgestimmt: Zwei Brautsträuße ergeben einen.

(Foto: www.ihrhochzeitsplaner.berlin)

(Foto: ihrhochzeitsplaner.berlin)

Marco Fuß, Hochzeitsplaner aus Berlin, findet die Frage nicht diskriminierend. Und seine Antwort ist: Ja. Schwule Trauungen - die er viel öfter ausrichtet als lesbische Feiern - sind oft hingebungsvoller arrangiert, detailverliebter und ein bisschen größenwahnsinniger als andere. Womöglich wegen künstlerischer Neigung. Vor allem aber, weil es um mehr gehe als um ein gesellschaftliches Ritual. "Wenn zwei Frauen oder zwei Männer heiraten, ist das wie ein zweites Coming-out." Die erste Offenbarung im nahen Umfeld sei, je nach Reaktion der Familie, oft geprägt von gedrückter Stimmung. "Dann kommt die Eheschließung. Und die soll ein Fest werden. Etwas Frohes, Fröhliches, Großes. So groß wie möglich."

Garderobe, Blumen, Tischdeko: Es darf also bei allem etwas mehr sein, während unter Hetero-Paaren angeblich gerade Micro-Wedding in Mode kommt, das reduzierte Fest mit weniger Gästen, entspanntem Look, regionaler Küche (teuer darf es trotzdem gern sein und auf den zweiten Blick auch aussehen). Marco Fuß, der die Verbindung mit seinem eigenen Partner noch in einer sogenannten freien Zeremonie feierte, hat vor acht Jahren von der Werbebranche auf Trauredner und das Organisieren von Hochzeiten umgesattelt. Der gebürtige Hesse hatte für seinen Bekannten Frank Matthée - TV-Zuschauer kennen ihn als Weddingplaner "Froonck" - spontan einen Auftrag übernommen und fand Gefallen an dem Job.

Unter Stil-Gesichtspunkten ist die regenbogenhafte Ausweitung des Hochzeitsspektrums eindeutig erfreulich. Endlich gibt es interessant geschnittene Anzüge zu sehen statt der ewig gleichen Tuxedos. Der Wiener Herrenschneider Rotknopf etwa kleidet Paare zur Vermählung in schönste Zweiteiler aus rotem Paisleystoff oder himmelblauem Leinen. Auf dem Standesamt tauschen Männer pompöse Klunker aus, wie die Päpste der Borgias sie zu tragen pflegten, und keine faden schmalen Platinringe. Frauen trauen sich in cremeweißen Gatsby-Dinnerjackets.

Die Liste der Möglichkeiten ließe sich endlos fortsetzen. Jungs, die zum Tag der Tage orientalisch schweren Duft auflegen; Bräute, die auf einer Moto Guzzi vorfahren. Kaum zu glauben, dass es erst ein paar Jahrzehnte her ist, seit den Machern der einfältigen "Ein Käfig voller Narren"-Filme nicht mehr zu einer Same-Sex-Trauung einfiel als dämliche Witze über Tunten in weißen Kleidern.

Dass es viele Fragen gibt rund um eine Hochzeit der anderen Art, weiß Marco Fuß und hat dafür auch Verständnis. Wer trägt den Strauß? Wie sieht die passende Torte aus? Werden die Kleider oder Anzüge voreinander geheimgehalten bis zum Eheversprechen? Seine Antwort ist einfach und immer dieselbe: Je nach Gusto. "Das ist ja das Schöne. Es gibt keine Regeln, aber viel Freiheit", sagt Fuß, der seine Kunden ermuntert, Neues auszuprobieren.

Er hat gleichgeschlechtliche Hochzeiten organisiert, bei denen die Mütter ihre Söhne zur Zeremonie führten. Manche Paare ließen die Festgarderobe nach klandestinen Sitzungen im Maßatelier anfertigen, andere heirateten in Jeans und Hemd. Und beim Strauß habe sich ein Modell bewährt, bei dem zwei Einzelgebinde zusammen ein neues, harmonisches Bouquet ergeben. Sehr symbolträchtig. "Das wollte ich mir sogar patentieren lassen."

Zusammengefasst ist das der Stand in Sachen Hochzeit 2018: Sicher, die Welt fiebert dem Jawort von Meghan und Harry entgegen, das jedoch in puncto Ablauf, Robe, royalem Winken kaum Überraschungen bereithalten wird. Für den häufigen Gast irdischer Normalhochzeiten hingegen birgt die Ehe für alle die Chance auf echte Abwechslung. Denn: Die dritte Braut mit Vintagekleid und verzupfter Hochsteckfrisur kann nicht mehr so recht bezaubern.

Der gerade schwer angesagte Feigen-Cake zum Dessert mit unvermeidlichem "Mr&Mrs"-Aufstecker ödet in Serie irgendwann an. Aber eine Zeremonie, zu der alle ausnahmsweise in Weiß kommen dürfen und bei der mitternachts salzige Männertorte aus geschichteten Käselaiben serviert wird, könnte selbst bei routinierten Hochzeitsgästen Eindruck machen.

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