Städtetourismus:Hamburg will endlich Weltstadt werden

Touristen fotografieren während des Sonnenuntergangs die Elbphilharmonie in Hamburg.

Von der Elbphilharmonie erhofft sich die Hansestadt eine deutliche Steigerung der Besucherzahlen.

(Foto: Hohlfeld/imago)

30 neue Hotels für eine Milliarde Euro: Die Hansestadt hofft auf zahlungskräftige Touristen aus dem Ausland. Doch mit mehr Betten allein ist es nicht getan.

Von Thomas Hahn

Vor dem jüngsten Palast der neuen Hamburger Noblesse parken ein paar tiefergelegte Fahrzeuge, die den Reichtum der Gäste auf den ersten Blick verraten. Aber im Hotel "The Fontenay" regiert das Understatement. Freundliche Räume, prunklose Flächen, unaufdringliche Gastlichkeit. Die Rezeption besteht aus drei Sitzgruppen, in der sich Neuankömmlinge beim Einchecken gepflegt niederlassen können. Zimmer und Suiten strahlen eine pastellfarbene Sachlichkeit aus, ebenso das Restaurant mit Terrasse am Park und die Bar im sechsten Stock mit 320-Grad-Panoramablick auf die Außenalster.

Die Möbel fügen sich so harmonisch ins geschwungene Innere des Gebäudes von Architekt Jan Störmer, als wollten sie ihre Schönheit gar nicht richtig zeigen: Zum Beispiel das eigens angefertigte halbrunde 25-Meter-Sofa in der Lounge des 27 Meter hohen Atriums. Oder die mächtige Lichtskulptur, die hier wie ein dicker Ast mit silbernen Blättern über den Köpfen schwebt. Und PR-Managerin Claudia Bellmann empfiehlt, auf Boden und Wände zu achten: Man geht über aufwendig geschliffenen Terrazzo, vorbei an feinem Marmorino-Putz. Erlesene italienische Handwerksarbeiten, teuer, aber schnörkellos. "Das ist der Luxus auf den zweiten Blick", sagt Claudia Bellmann. Oder: Modern Classic, ein Stil für die moderne Metropole von Welt.

Hamburgs Tourismus wächst seit Jahren, und das Fontenay am Alsterufer, im März eröffnet, ist das wohl edelste Symbol für diesen Umstand, auch wenn der Bauherr nicht den Eindruck erwecken will, als bediene er mit seiner Investition einen Trend. Der milliardenschwere Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne ist in der Stadt vor allem als Mäzen des Traditions- und Krisen-Fußballklubs HSV bekannt. Mit dem Fontenay am Platz des früheren Interconti wollte er für seine Stadt eine außergewöhnliche Adresse schaffen, die Wohlhabende aus der ganzen Welt anlockt und Einheimische stolz macht. Kühne bewegt sich gern in seiner eigenen Dimension, auch wenn dabei nicht gleich alles klappt. Mehrmals wurde die Eröffnung des Fontenay verschoben. Laut Haus-PR sollen 100 Millionen Euro in das Projekt geflossen sein, nach Informationen des Hamburger Abendblatts bis zu 200 Millionen. Und zuletzt musste Kühnes Immobilien-GmbH eine Klage der Planungs-Arbeitsgemeinschaft mit Architekt Störmer ertragen, von der die GmbH sich Ende 2014 geräuschlos getrennt hatte.

Raffiniert und bodenständig

Aber das alles ändert nichts an der zeichensetzenden Ausstrahlung des Etablissements. Es gehört zur Kategorie "Fünf Sterne superior", die es vorher nicht gab in Hamburg. Sascha Albertsen, Sprecher der Hamburg Tourismus GmbH (HHT), nennt es "herausragend" und sagt: "Jetzt bekommen wir eine Zielgruppe, die genau so ein Angebot sucht und mehr Geld in die Stadt bringt als andere Gäste."

Albertsen sitzt im Hotel Scandic am Gänsemarkt bei einem Mittagessen, das auch etwas erzählt über das neue Hamburger Selbstverständnis: Kürbissuppe mit Lachs, das ist raffiniert und bodenständig zugleich - und genau so möchte Hamburg auch sein. Das Fontenay ist für Albertsen nur ein Aspekt einer längeren Geschichte. Insgesamt sind rund 30 neue Hotels mit unterschiedlichen Konzepten auf dem Weg. Investitionsvolumen: eine Milliarde Euro. 1,6 Milliarden Euro sind in den vergangenen vier Jahren in die städtische Kulturlandschaft geflossen, um den Erlebniswert Hamburgs zu steigern. In der Hansestadt tut sich nicht nur für die Superreichen was. Und die Eröffnung der Elbphilharmonie im vergangenen Jahr hat ihre Bekanntheit vervielfacht durch 60 000 Veröffentlichungen in fast allen internationalen Leitmedien. "Wir waren auf dem Times Square in New York präsent", sagt Albertsen im Ton des erfolgreichen Marketenders - ehe er dem Triumph gleich eine zweite Wahrheit entgegensetzt. Albertsen sagt trocken: "Das war auch bitter nötig."

Trotz Elbphilharmonie nur vier Prozent mehr Gäste

Im Ausland ist Hamburg lange keine Größe gewesen. Wer dort an Deutschland dachte, dachte an Berlin oder das Oktoberfest in München. Mancher Hamburger kann sich das vermutlich nicht vorstellen, dass seine "schönste Stadt der Welt" mit Hafen und Michel kaum jemanden in der Ferne bewegte. Aber Sascha Albertsen hat Zahlen dazu. Vor drei Jahren hat die Tourismus GmbH eine Umfrage unter 10 000 Menschen im Ausland gemacht. "Das Ergebnis war sehr, sehr ernüchternd."

The Fontenay Hamburg.

Mit dem kürzlich am Alsterufer eröffneten Hotel The Fontenay gibt es erstmals ein Haus der Kategorie Fünf-Sterne-Superior in Hamburg.

(Foto: The Fontenay Hamburg)

Der Boom, von dem immer wieder die Rede ist, entfaltet deshalb noch gar nicht seine ganze Kraft. 2001 fing Hamburg an, sich allmählich von seinem Image als verstaubte Hafenstadt mit rustikalem Entertainment-Angebot zu befreien. Damals begann die Stadt, die Industriebrachen des Grasbrooks in die heutige Hafencity mit ihren exklusiven Wohnungen und Gewerbegebäuden umzubauen. Für Unternehmer und Investoren war der erste Spatenstich damals das Zeichen, dass ein Riese zu neuem Leben erwachte. Aber steil nach oben ging es danach nicht im Fremdenverkehr - natürlich nicht: 2008 wurde die Hafencity zum eigenen Hamburger Stadtteil erklärt, da hatten die Bauarbeiten an der Elbphilharmonie gerade erst begonnen. Von 19 auf 25 Prozent ist der Anteil der internationalen Gäste in den vergangenen Jahren nur gestiegen. Selbst 2017, das Jahr der Elbphilharmonie-Eröffnung, brachte keinen spektakulären Rekord. "Vier Prozent mehr Gäste, das ist nicht so hervorstechend", sagt Albertsen. Grund: "Die Reiseindustrie verfügt noch gar nicht über viele Kartenkontingente, Hamburg ist mit der Elbphilharmonie noch gar nicht richtig buchbar."

Angst vor der Gentrifizierung

Das heißt, der richtige Elbphilharmonie-Effekt kommt erst noch, und auch wenn er da ist, ist Hamburg noch nicht fertig mit seiner Verwandlung zum Besuchermagneten. Bisher waren die Voraussetzungen nicht günstig, für Amerikaner, Araber oder Chinesen, nach Hamburg zu kommen - daran arbeitet die HHT gerade. Nur zwei interkontinentale Direktflüge führen zum Flughafen Fuhlsbüttel, von New York und Dubai - das soll sich ändern. Die örtlichen Betriebe sollen ihren mehrsprachigen Service ausbauen, mehr internationale Kreditkarten akzeptieren, mehr schnelles Internet bieten. Hamburg will endlich eine Weltstadt werden. Für 200 Millionen Euro baut die Stadt ihr Kongresszentrum am Dammtor um, damit noch mehr internationale Gäste und noch mehr Impulse kommen. 2021 soll dort der Weltkongress zum Thema Intelligente Verkehrssysteme (ITS) stattfinden, durch den Hamburg auch zu einer Modellzone für moderne Mobilitätskonzepte werden soll. Albertsen sagt: "Hamburg steht erst am Anfang einer ganz spannenden Phase."

Ob das die Stadt nur zum Guten veränder? Vor allem in St. Pauli, Heimat der berühmten Reeperbahn, beklagen die Einheimischen Symptome der Gentrifizierung. Spießer, hohe Mieten und Billigkioske bedrohen das freigeistige Lebensgefühl im Kiez. Der G-20-Gipfel im vergangenen Jahr, der auch ein Ereignis zur Hamburg-PR sein sollte, hat das Vertrauen der Bürger in die Stadt belastet, weil er nicht so krawallfrei wie angekündigt war. Nicht jeder ist sicher, ob die Tourismus-Schaffenden mit ihrem Veränderungsanspruch am Ende nicht doch die gewachsenen Milieus im urbanen Raum rasieren. Sascha Albertsen wiederum sagt: "Unsere Motivation ist es nicht, jedes Jahr Rekorde zu verkünden. Unsere Motivation ist, dass die Lebensqualität der Menschen durch eine positive Tourismusentwicklung weiter steigt." Eine eigene HHT-Abteilung kümmert sich um Nachhaltigkeit und Bürgerdialog.

Mit zu viel Kommerz würden die Fremdenverkehrsmenschen ja auch ihr eigenes Marketingkonzept torpedieren, das auf ein Hamburg der Kontraste setzt. "Wir wollen nicht nur den geleckten Jungfernstieg", sagt Albertsen. Das linksautonome Kulturzentrum Rote Flora an der Straße Schulterblatt im Schanzenviertel zum Beispiel ist zwar kein Gebäude, das die HHT aktiv als Sehenswürdigkeit anpreist. "Aber die Atmosphäre, der Spirit, das individuelle Einkaufserlebnis am Schulterblatt mit seinen Möglichkeiten, draußen zu sitzen - das steht auch für Hamburg." Es gibt Stadtpolitiker, die die Rote Flora gerne schließen würden wegen ihrer extrem staatskritischen Mitglieder. Wenn man Albertsen richtig versteht, wäre das auch aus touristischen Gründen keine gute Idee. Die Stadt braucht die kreative Kraft des Widerstands, um interessanter zu sein als ein Standort, der nicht viel mehr als Fünf-Sterne-Superior-Luxus bietet.

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