Medizin:Die häufigsten Selbstzahler-Angebote sind zweifelhaft

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Die meisten Selbstzahler-Leistungen sind Vorsorgeuntersuchungen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)
  • Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) hat eine Liste der häufigsten Selbstzahler-Angebote erstellt.
  • Unter den Top-Sellern sind auffallend viele nutzlose oder sogar schädliche Untersuchungen.
  • Kritiker berichten, dass Ärzte Ängste schürten und Patienten überrumpelten.

Von Berit Uhlmann

Jahr für Jahr wird der Patientin der Ultraschall der Eierstöcke empfohlen. Jedes Mal sagt ihr die Gynäkologin, diese Art der Krebsvorsorge sei nötig, auch wenn die Krankenkasse die Kosten nicht übernehme. Das gravierendste Problem: Die 60-Jährige hat gar keine Eierstöcke mehr; bereits Jahre zuvor wurden ihr die Organe entfernt. Es ist ein Extremfall, über den der medizinische Dienst des Spitzenverbands der Krankenkassen (MDS) jetzt berichtet. Doch er zeigt, wie prekär der Umgang mit den Selbstzahlerleistungen sein kann.

Jeder zweite Patient hat in den vergangenen drei Jahren eine sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGEL) angeboten bekommen. Bedenklich ist zum einen der Nachdruck, mit dem die Offerten unterbreitet werden: Mehr als jeder Dritte fühlte sich vom Arzt bedrängt. Besorgniserregend ist aber auch, dass die häufigsten Angebote zugleich besonders zweifelhaft sind, wie aus einer Umfrage des MDS hervorgeht. Das Beratungsgremium der Kassen hat mehr als 2000 Versicherte zu ihren Erfahrungen mit den IGEL befragt und eine Rangliste der am häufigsten angebotenen Leistungen zusammengestellt. Auf Platz eins rangiert die Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung. Jeder fünfte Patient, mit dem schon einmal ein IGEL-Gespräch geführt wurde, bekam diese Untersuchung angeraten.

"Die IGEL-Angebote orientieren sich nicht am nachgewiesenen medizinischen Nutzen."

Der Augeninnendruck aber ist ein unzuverlässiger Indikator, er schwankt im Laufe des Tages und ist längst nicht bei jedem Patienten mit Grünem Star erhöht. In den Leitlinien der Augenärzte wird eine vorsorgliche alleinige Druckmessung daher nicht empfohlen. Der IGEL-Monitor, eine Internet-Plattform zur Bewertung der Selbstzahlerangebote, beurteilt die Methode als: "tendenziell negativ".

Noch unrühmlicher schneidet die Untersuchung auf Platz zwei der Top-Offerten ab. Der Ultraschall der Eierstöcke ist nicht nur nutzlos, sondern kann sogar schaden. Die Methode ist anfällig für Fehlalarme, die Frauen verunsichern und mitunter zur Entfernung der Organe führen - ein Eingriff, der schwerwiegende Komplikationen verursachen kann. Der IGEL-Monitor bewertet sie als "negativ". Auch die ärztlichen Leitlinien raten ausdrücklich von der prophylaktischen Sonografie ab. Unklar ist noch, wie sinnvoll das dritthäufigste IGEL-Angebot, der Ultraschall der Brust, ist. Es gibt zu wenig Erkenntnisse zu dieser Krebsvorsorge. Die Offerte auf Platz vier der Liste, der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, wurde hingegen längst als wenig hilfreich beschrieben.

"Die IGEL-Angebote orientieren sich nicht am nachgewiesenen medizinischen Nutzen, sondern an den Vorlieben einzelner Arztgruppen und an den Umsatzinteressen der Praxen", kritisiert Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. Doch wird das Angebot erst einmal unterbreitet, nehmen es mehr als 70 Prozent der Patienten auch an. Dazu könnte beitragen, was Pick einer "relevanten Minderheit" der Mediziner bescheinigt: Sie bauten im Gespräch mit den Patienten einen "Verkaufsdruck" auf. "Es wird sogar Angst geschürt, man sei an seinem Krebs selber schuld, wenn man diese Früherkennung nicht durchführen lasse", sagt Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs Evidenzbasierte Medizin beim MDS. Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, wirft den Ärzten "Überrumpeln und Ängsteschüren" vor. "Gerade die Gutgläubigkeit älterer Patienten wird hier häufig ausgenutzt. Damit muss Schluss sein."

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