Bundeswehr:Deutschland am Hindukusch verteidigen - das war einmal

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Zur Zeit des Kalten Krieges betrieb die Bundeswehr etwa 2000 schwere Kampfpanzer. Heute sind es 244 Leopard 2 - nicht einmal die Hälfte davon ist einsatzbereit. (Foto: REUTERS)
  • Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Rolle der Bundeswehr in der Landes- und Bündnisverteidigung stärken und dafür den Fokus von Auslandseinsätzen nehmen.
  • Die Opposition spricht von einer "Bundeswehrreform durch die Hintertür".
  • Der Umbau der Truppe dürfte teuer werden.

Von Mike Szymanski, Berlin

Inmitten hitzig geführter Debatten über die künftige Finanzausstattung der Bundeswehr will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einen grundlegenden Umbau der Truppe einleiten. Die CDU-Politikerin plant, die jahrelang vorherrschende Fokussierung auf Auslandseinsätze, die unter anderem als Argument für Einsparungen herhalten musste, zu beenden, und sich künftig "gleichrangig" wieder der Landes- und Bündnisverteidigung zu widmen. Dies geht aus dem Entwurf des Grundsatzpapiers "Konzeption der Bundeswehr" hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin heißt es, die Bundeswehr müsse vorbereitet sein, "ihren Beitrag zur nationalen Sicherheitsvorsorge" zu leisten.

Einem Begleitschreiben zufolge wird die Landes- und Bündnisverteidigung als die "anspruchsvollste Aufgabe mit dem höchsten Nachholbedarf" definiert. Ausgaben in Milliardenhöhe dürften auf die Bundeswehr zukommen, denn die Vernachlässigung hat dazu geführt, dass Strukturen wieder aufgebaut werden müssen, die zum Teil komplett verloren gegangen sind. Die Opposition spricht bereits von einer "Bundeswehrreform durch die Hintertür".

Hintergrund der Neuausrichtung ist eine veränderte Sicherheitslage: Jahrelang galt die Aufmerksamkeit Konflikten in der weiteren Umgebung Europas. Dies hatte in dem Zitat des früheren SPD-Verteidigungsministers Peter Struck, wonach die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt werde, seinen Ausdruck gefunden. Und später auch in der Entscheidung des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), die Wehrpflicht auszusetzen.

Die Ministerin kann ihren Plan per Erlass in Kraft setzen. Doch ihre Kritiker wollen diskutieren

Von der Leyens Vorgänger hatten die Truppe systematisch heruntergespart, das Prinzip der Vollausstattung war aufgegeben und Obergrenzen waren eingeführt worden, mit denen die Truppe auszukommen hatte. Der Begriff des "dynamischen Verfügbarkeitsmanagements" kommt aus dieser Zeit, er steht für angeordnete Mangelwirtschaft. Die anhaltende Krise um die Ostukraine hat jedoch wieder die Landes- und Bündnisverteidigung stärker in den Blick rücken lassen. Russlands Annexion der Krim veranschaulichte, dass auch die europäische Friedensordnung in Gefahr geraten kann. Hinterlegt ist dies im sogenannten "Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr" der Bundesregierung aus dem Jahr 2016, das von der Leyen nun in ihrem Konzept mit Leitlinien für die Bundeswehr konkretisiert.

Von der Leyens Folgerungen im Konzeptpapier sind weitreichend. Sie bricht mit den Prinzipien ihrer Vorgänger. Im Kapitel Material und Ausrüstung ist jetzt wieder von "vollständiger" Ausstattung die Rede, weiter heißt es: "Starre Obergrenzen entfallen". Eine besondere Bedeutung kommt ihrer Ansicht nach der Cybersicherheit und -verteidigung zu. "Potenzielle Angreifer nutzen hybride Methoden wie Subversion, Desinformation, Propaganda und Angriffe aus dem Cyberraum gezielt und oftmals unerkannt und attackieren damit die Offenheit und Freiheitlichkeit der deutschen Gesellschaft."

Es genügt ein Erlass der Ministerin, um das Papier in Kraft zu setzen

Der Verteidigungsexperte der Grünen, Tobias Lindner, fordert von der Leyen auf, ihre Ideen im Bundestag zur Diskussion zu stellen. Das müsste sie nicht. Es genügt ein Erlass der Ministerin, um das Papier in Kraft zu setzen. "Wenn dieses Konzept so kommt, wird es die Truppe in den nächsten zehn Jahren massiv verändern", sagte Lindner der SZ. Es laufe auf eine Bundeswehrreform hinaus, die nicht so heißen solle. Von der Leyen dürfe sich nicht vor der Debatte drücken, dies wäre einer Parlamentsarmee "unwürdig". Von der Leyen untermauert mit dem Dokument ihren Anspruch, die Bundeswehr finanziell weit besser auszustatten, als dies bisher in der Finanzplanung der Fall ist. Nach der Sommerpause will sie auf Grundlage des Konzepts das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr vorlegen - daraus wird dann ersichtlich, was der Umbau kosten wird.

Allein für diese Legislatur hat von der Leyen bereits einen zusätzlichen Bedarf von zwölf Milliarden Euro angemeldet, von dem sie allerdings nicht einmal die Hälfte bekommen soll. Dem Haushaltsentwurf hat die Ministerin daher nur unter Vorbehalt zugestimmt. Ein heftiger Streit mit dem Koalitionspartner SPD ist bereits entbrannt. Der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs warf von der Leyen im Deutschlandfunk Versagen vor. Das Ministerium funktioniere nicht. Auch SPD-Chefin Andrea Nahles zeigt sich skeptisch. Bestmögliche Ausrüstung heißt nicht "höchstmögliche Aufrüstung".

© SZ vom 04.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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