Bundesagentur für Arbeit:Hartz-IV-Fördergelder versickern in Bürokratie

Bundesagentur für Arbeit: Um Langzeitarbeitslosen beim Sprung auf den Arbeitsmarkt zu helfen, brauchen die mehr als 400 Jobcenter Geld - doch davon haben sie seit Jahren zu wenig.

Um Langzeitarbeitslosen beim Sprung auf den Arbeitsmarkt zu helfen, brauchen die mehr als 400 Jobcenter Geld - doch davon haben sie seit Jahren zu wenig.

(Foto: Ralph Peters/imago)
  • In den mehr als 400 Jobcentern in Deutschland ist seit Jahren das Geld knapp.
  • Die Arbeitsagentur schichtet deswegen Geld, das eigentlich für die Förderung von Hartz-IV-Empfängern vorgesehen ist, in die Verwaltung um.
  • Auch im neuen Bundeshaushalt wird wieder Geld für die Jobcenter fehlen - doch die Bundesregierung rühmt sich mit ihren Ausgaben.

Von Thomas Öchsner

"Wir bekennen uns zum Ziel Vollbeschäftigung. Dazu gehört auch, dass Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, wieder eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt eröffnet wird." So steht es im Koalitionsvertrag, in dem vier Milliarden Euro für einen sozialen Arbeitsmarkt vorgesehen sind. Der neue Entwurf für den Bundeshaushalt 2018 zeigt aber nun: Programme aufzuschreiben ist das eine, sie schnell mit Leben zu füllen und Geld zu unterlegen, ist schon schwieriger.

Um Langzeitarbeitslosen beim Sprung auf den Arbeitsmarkt zu helfen, brauchen die mehr als 400 Jobcenter Geld. Davon haben sie aber schon seit Jahren zu wenig. So sieht es zumindest der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. "Wenn man etwas für den Zusammenhalt der Gesellschaft und gegen Langzeitarbeitslosigkeit tun will, dann brauchen wir mehr Geld", sagte Scheele vor gut vier Monaten.

Weil das Geld so knapp ist, werden in den Behörden seit Jahren Millionen umgeschichtet. Immer mehr Mittel, die eigentlich für die Förderung und Qualifizierung von Hartz-IV-Empfängern vorgesehen sind, geben die Jobcenter für die Verwaltung, für Personal, IT oder steigende Energiekosten aus. 2017 flossen nach Angaben der Bundesregierung bereits 911 Millionen Euro aus dem Topf für "Eingliederung in Arbeit" in das Verwaltungsbudget. 2018 könnte es sogar eine Milliarde sein, sagte Scheele Ende 2017. An dieser Misere wird sich nach dem Entwurf für den neuen Bundeshaushalt jedoch nichts ändern.

2016 wurden demnach gut 5,1 Milliarden Euro an Verwaltungsausgaben für die staatliche Grundsicherung (Hartz IV) ausgegeben. 2017 dürfte die Summe höher gewesen sein. Im Entwurf sind aber nur 4,55 Milliarden für die Verwaltungskosten 2018 eingeplant. Es muss also wieder von einem Topf in den anderen umgeschichtet werden. Arbeitsagentur-Chef Scheele bedauert das. Er hält die Jobcenter damit weiter für "chronisch unterfinanziert", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Auch Ekin Deligöz, welche die Grünen im Haushaltsausschuss des Bundestags vertritt, ist enttäuscht: Es sei "ärgerlich und zukunftsblind", dass die Bundesregierung die Jobcenter nicht mit mehr Geld ausstatte. "Gerade jetzt in Zeiten guter Kassen müssten Förderung und Qualifizierung in der Grundsicherung allerhöchste Priorität haben." Der Arbeitgeberverband BDA und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatten sich bereits im Vorfeld der Regierungsbildung dafür ausgesprochen, kein für die Förderung von Langzeitarbeitslosen eingeplantes Geld mehr für die Verwaltung auszugeben. "Diese Umschichtungen müssen aufhören", heißt es in einem Brief von Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA, und DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen, seien eine passgenaue Beratung und Qualifizierung nötig. Dies sei nur zu schaffen, wenn die Vermittler in den Jobcentern weniger Fälle zu betreuen hätten.

Öffentlich lasse sich die Koalition für die vier Milliarden Euro feiern

Anders als zunächst gedacht, wird außerdem das Geld für den sozialen Arbeitsmarkt verteilt. Vier Milliarden Euro von 2018 bis 2021 waren im Koalitionsvertrag von Union und SPD dafür eingeplant. 150 000 Langzeitarbeitslose sollen so einen staatlich bezuschussten Arbeitsplatz bekommen. Im Haushaltsentwurf sind nun aber 3,2 Milliarden Euro bis 2021 vorgesehen. Erst 2022 - wenn neu gewählt wurde - sollen demnach die angepeilten vier Milliarden Euro erreicht werden. Deligöz hält dies für "ein dreistes Gebaren". Öffentlich lasse sich die Koalition für die vier Milliarden Euro feiern. "Es soll der Eindruck erweckt werden, für die Jobcenter sei damit alles in Butter." Deren Geldnöte belegten jedoch das Gegenteil, sagte sie.

Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums bestätigte, dass die vier Milliarden Euro auf fünf Jahre verteilt werden. Dies liege daran, dass man erst ein Gesetz für den sozialen Arbeitsmarkt erarbeiten und "die erforderliche Infrastruktur" aufbauen müsse. Der Aufbau brauche Zeit, sagte auch Scheele. Daher reiche die bis 2022 geplante Summe aus, "um die wichtigsten Weichen zu stellen".

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