Psychologie:Liebe in der Nische

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Ungewöhnliche Interessen können bei der Partnersuche helfen.

(Foto: Marius Becker/picture alliance/dpa)
  • Schon lange ist in der Sozialpsychologie bekannt, dass Menschen es großartig finden, wenn andere so ticken wie sie selbst.
  • Eine aktuelle Studie belegt nochmals den Wert unkonventioneller Vorlieben.
  • Die gleichen Werte, Ansichten und Interessen vertiefen Freundschaften und Beziehungen.

Von Sebastian Herrmann

Verschwörungstheorien und andere extreme Ansichten gelten vielen als verkappter Schrei nach Liebe. Das klingt schwer nach sozialpädagogischem Proseminar - und ist doch nah an der Wahrheit. Denn, so legt eine Studie des Psychologen Hans Alves von der Uni Köln dar, ausgefallene und dadurch seltene Meinungen oder Vorlieben lassen sich als erfolgversprechende Anbahnungsstrategie begreifen: Die meisten Menschen wird man mit obskuren Ansichten zwar abschrecken - doch wer auf jemanden trifft, der diesen ebenfalls anhängt, landet einen Volltreffer.

Gemeinsam seltene Ansichten zu pflegen, verbindet zwei Seelen wohl auf enorm tiefe Weise. Und das gilt offenbar sogar dann, wenn den beiden die fragliche Nischen-Anschauung nicht einmal besonders wichtig ist, berichtet Alves im Fachmagazin Personality and Social Psychology Bulletin.

Es müssen nicht zwingend abseitige weltanschauliche Ansichten sein, die Menschen zusammenschweißen: Es war die Leidenschaft für die Musik von Tom Waits, die den Psychologen Alves dazu motivierte, seine Studie anzugehen - beziehungsweise war seine Freude die treibende Kraft, wenn er endlich mal einen anderen Fan der Musik des amerikanischen Sängers traf und seine Begeisterung teilen konnte.

Schon lange ist in der Sozialpsychologie bekannt, dass Menschen es großartig finden, wenn andere so ticken wie sie selbst. Zwar geistert immer noch der Spruch durch die Welt, wonach sich Gegensätze anziehen, doch das Gegenteil ist der Fall: Ähnlichkeit begeistert. Für tiefe Freundschaften und Beziehungen ist es hilfreich, gleiche Werte, Ansichten und Interessen zu pflegen. "Allerdings wurde bislang nicht beforscht, ob die Häufigkeit solcher Interessen und Ansichten bei diesem Effekt eine wesentliche Rolle spielen", sagt Alves.

"Kleine Schicksalsgemeinschaften pflegen oft besonders starken Zusammenhalt."

Das untersuchte der Psychologe nun in mehreren Einzelexperimenten, bei denen die Probanden unter anderem Likes an Facebook-Gruppen vergaben oder Personen nach deren Film- oder Musikgeschmack bewerteten. Dabei zeigte sich der Wert unkonventioneller Vorlieben.

Seltsamerweise gaben viele Teilnehmer an, dass es sehr relevant für sie sei, wenn andere die gleichen Nischen besetzten; gleichzeitig sagten sie aber, dass die Inhalte dieser Nischen für sie selbst nicht zwingend wichtig seien und sie zum Beispiel Mainstreaminhalte noch lieber mochten.

Darin steckt zunächst ein Widerspruch, doch aus psychologischer Sicht ergibt das Sinn. Exotische Vorlieben sagen mehr über einen Menschen aus als gängige, die irgendwie jeder pflegt. Und diese abseitigen Nischen wecken den allzu menschlichen und dringenden Wunsch nach Bestätigung und Anerkennung, der im Mainstreambereich ja quasi gratis und automatisch zu haben ist und daher keinen Wert besitzt.

"Dazu passt die Beobachtung, dass kleine Schicksalsgemeinschaften oft besonders starken Zusammenhalt pflegen", sagt Alves. Insofern, so der Psychologe, sollten etwa Dating-Plattformen überlegen, ihren Algorithmus so anzupassen, dass sich Paare über abseitigen Interessen finden und zu verschworenen Gemeinschaften wachsen können.

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