Zugunglück in Aichach:"Es ist ruckzuck passiert, dass man da etwas übersieht"

  • Nachdem bei einem Zugunglück in Aichach zwei Menschen ums Leben kamen, ist der zuständige Fahrdienstleiter zunächst festgenommen worden.
  • Gegen den 24-Jährigen wurde ein Haftbefehl erlassen, er bleibt allerdings vorläufig auf freiem Fuß.
  • Ein ehemaliger Fahrdienstleiter, der früher an dieser Stelle arbeitete, sagt, Probleme seien seit Jahrzehnten bekannt.

Von Christian Rost, Anna Günther und Elisa Britzelmeier

Es ist ein kleiner Bahnhof, ein Hauptgleis, ein Ausweichgleis, rundherum Einfamilienhäuser, in der Nähe ein Spielplatz. Am Vormittag nach der Katastrophe ist es ruhig am Aichacher Bahnhof, fast gespenstisch. Ab und an kommen Leute aus dem Ort angeradelt, um zu verstehen, was passiert ist.

Die Unglücksstelle ist weiträumig abgesperrt. Zwei Züge stehen da auf dem Gleis, ineinandergedrückt. Einer ist ein langer Güterzug, leer, normalerweise transportiert er Holz. Der andere ist ein Zug der Bayerischen Regiobahn, er war mit zwanzig Personen besetzt, als er frontal in den Güterzug fuhr. Zwei Menschen sind ums Leben gekommen, der 37-jährige Lokführer und eine 73-jährige Passagierin.

Am Tag danach scheint ein Schuldiger gefunden: Die Polizei hat den zuständigen Fahrdienstleiter festgenommen. Gegen den 24-Jährigen bestehe der dringende Verdacht der fahrlässigen Tötung. Am Dienstagnachmittag wurde ein Haftbefehl gegen den Mann erlassen. Da jedoch keine unmittelbare Fluchtgefahr bestehe, bleibt er vorläufig auf freiem Fuß. Erste Ermittlungen deuteten auf menschliches Versagen hin, heißt es von der Polizei.

Walter Greiß kennt diese Problemstelle, er kennt diesen Bahnhof. Der 67-Jährige war bis 1992 Fahrdienstleiter in Aichach. Jetzt steht er an der Unglücksstelle und sagt: "Mir tut der leid, der da Dienst gehabt hat." Denn die Stelle, so Greiß, sei seit Jahren problematisch. Schon als er noch Dienst dort hatte, sei die Rede davon gewesen, ein Sicherungssystem einzubauen, ein sogenanntes Drucktastenstellwerk. Doch passiert sei das nie. Die Weichenstellung geschehe mechanisch, ohne Sicherung. Walter Greiß sagt: "Es ist ruckzuck passiert, dass man da etwas übersieht."

Der Personenzug hätte an dieser Stelle auf dem Nachbargleis an dem Güterzug vorbeigeleitet werden müssen. Warum das nicht passiert ist, war zunächst unklar. Der Polizeisprecher spricht von menschlichem Versagen "in Zusammenhang mit der Abwicklung des Fahrverkehrs im Bahnhofsbereich". Die Verdachtsmomente seien so gravierend, dass die Staatsanwaltschaft den Fahrdienstleiter vorläufig festnehmen ließ.

Fahrdienstleiter kontrollieren Signale und Weichen, damit der Zugverkehr reibungslos verläuft. Jeder Fahrdienstleiter ist dabei für einen bestimmten Bereich verantwortlich. Aktuell prüfen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft vor Ort den Fall weiter. Wo im Detail der Fehler lag, will die Staatsanwaltschaft noch nicht sagen.

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