Abenteurer:Der Indiana Jones aus Oberammergau

Abenteurer: Wenn Florian Wagner nicht aus dem Helikopter fotografiert, dann gerne auch vom Pferd herab.

Wenn Florian Wagner nicht aus dem Helikopter fotografiert, dann gerne auch vom Pferd herab.

(Foto: Nomi Baumgartl)

Florian Wagner hütete früher Rinder in Australien. Heute ist er Fotograf und fliegt mit dem Hubschrauber an Afrikas Küsten entlang - um zu zeigen, wie Menschen mit Wasser umgehen.

Von Veronika Wulf

Ein Jahr lang hat sich Florian Wagner auf diese Reise vorbereitet. Er hat einen afrikanischen Pilotenschein gemacht und einen Helikopter gechartert, eine 20 000 Kilometer lange Route durch Afrika geplant und Sponsoren gesucht. Jetzt, wenige Tage bevor es losgeht, sitzt der 51-jährige Fotograf in Cargohose und Sweatshirt in seiner Münchner Wohnung und fragt sich, wo man in einem Hubschrauber am besten 20 000 Dollar in bar verstecken kann. Unter der Außenverkleidung werde es heiß, im Tank nass, sagt er. "Das sind Probleme, mit denen ich mich bisher nicht beschäftigen musste."

Nicht nur er. Während er mit lausbubenhafter Vorfreude von dem Trip erzählt, klingelt zweimal sein Handy. Einmal ist es die Bank. Das Geld sei jetzt da, er solle viel Zeit mitbringen zum Nachzählen. Schließlich hat er alles in kleinen Scheinen bestellt. "Falls ein Grenzbeamter in Afrika mal meint, er hat keine Lust", sagt Wagner. Der andere Anruf kommt von der Versicherung. Leider könne man ihm da nicht weiterhelfen. Man versichere keine 20 000 Dollar in bar, die in einem nicht abschließbaren Hubschrauber quer durch Afrika fliegen.

Das klingt alles sehr abenteuerlich. Das Image des Abenteurers gefällt Wagner. Eine Zeichnung auf seiner Website zeigt ihn als Cowboy, im Galopp reitend, die Kamera im Anschlag, links fliegt ein Gleitschirm über verschneite Berge, rechts ein Hubschrauber über die afrikanische Savanne, im Hintergrund ist eine Landkarte Südamerikas angedeutet. Es sieht aus wie ein Filmplakat für einen Action-Western. Nur: Florian Wagner kann tatsächlich einen Gleitschirm fliegen, ein Pferd reiten und einen Helikopter fliegen. Nach dem Abi arbeitete der Oberammergauer als Ski- und Gleitschirmlehrer. Er machte eine Lehre zum Großhandelskaufmann, bevor er dann doch lieber nach Australien ging, um als Cowboy Rinderherden zu hüten. Und um zu fotografieren. So wurde er Fotograf.

Seine Bilder erschienen in verschiedenen Magazinen, "meistens irgendwas mit Helis, Pferden oder Bergen". Pferde lichtete er auch für die arabische Prinzessin Sheikha Alyazia ab, die ihrem Großvater, dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, ein Buch über den eigenen Rennstall schenken wollte. Wenn Wagner nicht gerade im Ausland ist, wohnt er noch immer in Oberammergau, zusammen mit seiner Freundin und vier Pferden. Die Wohnung in München ist vermietet, bis auf ein Zimmer. Freundin und Pferde waren auch dabei, als er quer durch Deutschland ritt, von der Zugspitze bis nach Sylt, und an der Westküste Irlands entlang. Aus beiden Projekten sind dicke Bildbände entstanden. Der nächste soll über Afrika sein. "Und wenn es das letzte Projekt ist, was ich mache", sagt Wagner, "dann war es auf jeden Fall das coolste."

Man traut Wagner zwar zu, dass er einfach so auf die Idee kommt, durch Afrika zu fliegen, doch es brachte ihn ein Anderer darauf. Bei einer Ausstellung seiner Fotografien in Kapstadt sprach ihn ein Sammler an, ein "Freund von Michael Schumacher, der Ferraris sammelt, Kameras und eben alles, was teuer ist". Ihm gefiel ein großes Panoramabild von Wagner besonders gut: Kapstadt von oben, aus dem Hubschrauber aufgenommen mit einer 20 000 Euro teuren Leica-Kamera. Das 360-Grad-Bild besteht aus einem guten Dutzend vertikaler Bilder, punktgenau aneinandergefügt. Die Auflösung ist so hoch, dass es selbst auf mehrere Meter vergrößert noch scharf ist. Der Sammler, der zufällig auch zwei Helikopter besitzt, habe gesagt, solche Bilder müsste man mal von Afrika machen. Einen Heli könne er Wagner leihen.

Wagner recherchierte, holte eine amerikanische Festplattenfirma und einen Kamerahersteller als Sponsoren ins Boot. Das Projekt "African Waters 360" war geboren: Wagner will in zehn afrikanischen Ländern im Süden und Osten Afrikas Orte und Menschen fotografieren, für die Wasser eine wichtige Rolle spielt. Wie die Ärztin Amy Lehman aus Chicago, die am Tanganjikasee in Ostafrika Medikamente und sauberes Wasser in entlegene Regionen bringt. Oder das Bié-Hochland in Angola, wo es noch unberührten Regenwald gibt, weil kein Farmer sich traut, die von Landminen gespickte Gegend zu bewirtschaften. Oder der Victoriasee, "als das Beispiel für den menschlichen Fuck-up mit der Natur", sagt Wagner.

Das Projekt solle zeigen, wie wichtig ein verantwortungsvoller Umgang mit der Ressource Wasser ist, für die Natur, seltene Arten und den Menschen. Was am Anfang als reines Kunstprojekt gedacht war, als Coffeetable-Buch für einen Energy-Drink-Hersteller, wurde immer mehr zur Charity-Aktion. Wagner arbeitet mit der gemeinnützigen Organisation Charity Waters zusammen und sammelt unterwegs Geld ein, mit dem in Afrika Brunnen gebaut werden.

All das hatte Wagner ein Jahr lang geplant. "Im Januar sagte der Sammler dann: Sorry, der Heli ist kaputt", erzählt Wagner. Absagen wollte er die Reise trotzdem nicht. Er nahm es positiv. "Wenn der mir nicht seinen Heli angeboten hätte, hätte ich nie die Eier gehabt, das Projekt zu starten." Wagner fand einen anderen Mann, der ihm einen Hubschrauber vermietete. Genauso wie er einen ehemaligen Kampfpiloten auftrieb, der mitkommt und immer dann fliegen wird, wenn Wagner fotografiert. Und einen Ägypter, der in Abu Dhabi sitzt und alles rund um Zoll und Grenzübergänge regelt.

66 Tage soll die Reise dauern - wenn alles gutgeht

Warum ein Ägypter in Abu Dhabi? "Der war bezahlbar", sagt Wagner und grinst. Die Landesgrenzen, beispielsweise zwischen Namibia und Angola, dürfen nur an den Clearing-Stellen und ausschließlich an dem Tag überflogen werden, für den man eine Genehmigung hat. "Sonst schießen's dich ab", sagt Wagner. Ist an dem Tag das Wetter schlecht, braucht man eine neue Genehmigung. Die zu bekommen, könne schon mal eine Woche dauern.

Das würde die ganze Planung durcheinander bringen. Auf dem Laptop, der vor Wagner auf dem Küchentisch steht, geht er eine Tabelle durch, in der die ganze Reise in 116 Zeilen und 16 Spalten gepresst ist. Flughafenkürzel, Koordinaten der Tankstellen, Namen der Lodges. Wenn alles gut geht, sind Wagner und sein Team 66 Tage unterwegs. Zum Team gehören der Pilot, Wagners Freundin und zeitweise ein Besucher oder Sponsor. Für die Flugdistanzen gibt es zwei Spalten in der Tabelle: eine nach Wagners Berechnungen und eine nach den Angaben des Piloten.

"Meine geben ganz deutsch die exakte Entfernung an", sagt Wagner, "und die des Piloten sind eine Schätzung inklusive Umwege fürs Fotografieren." Nach 100 Flugstunden muss der Hubschrauber zum Service. Am Ende der Spalte mit den Flugstunden steht: 99,9. "Das müsste also passen", sagt Wagner und scheint es ernst zu meinen. Er gibt sich gelassen, schließlich sei alles vorbereitet. Nur für das Bargeld müsse er sich noch was einfallen lassen.

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