Fußballer:Gündoğan verteidigt Treffen mit Erdoğan

  • Die Nationalspieler İlkay Gündoğan und Mesut Özil posieren auf einem Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
  • DFB-Präsident Reinhard Grindel reagiert mit Kritik, auch Grünen-Politiker Cem Özdemir spricht von "geschmackloser Wahlkampfhilfe".

Von Sebastian Fischer

Als Mesut Özil zum ersten Mal unangekündigt mit einer Politikerin fotografiert wurde, legte sich die Aufregung recht schnell wieder. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) war damals zwar nicht unbedingt erfreut darüber, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Spiel gegen die Türkei in Berlin 2010 die Kabine der Nationalmannschaft betrat und ein Fotograf des Bundespresseamtes das berühmte Bild aufnahm, das Özil mit nacktem Oberkörper beim Handschlag mit der Kanzlerin zeigte. Es gab danach ein "klärendes Gespräch" zwischen DFB und Kanzleramt. Diesmal dürften die Gespräche komplizierter werden.

Özil, der dem FC Arsenal am letzten Spieltag verletzt fehlte, und İlkay Gündoğan, der für Manchester City beim 1:0 gegen den FC Southampton am Sonntag 82 Minuten lang spielte, haben sich am selben Tag in einem Londoner Hotel mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan getroffen, auch der türkische Nationalspieler Cenk Tosun vom FC Everton, in Wetzlar geboren, war dabei. Sie überreichten Erdoğan Trikots, das von Gündoğan war handsigniert: "Für meinen verehrten Präsidenten, hochachtungsvoll." Sie ließen sich fotografieren, in der Gruppe und einzeln. Erdoğans Partei AKP verbreitete die Bilder über die sozialen Netzwerke.

Cem Özdemir spricht von "geschmackloser Wahlkampfhilfe"

Beim DFB wurden sie einen Tag vor der Nominierung des WM-Kaders, zu dem Özil und Gündoğan sehr wahrscheinlich gehören werden, von den Fotos überrascht. DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte: "Der DFB respektiert und achtet selbstverständlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrationshintergrund. Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdoğan nicht hinreichend beachtet werden." Özil und Gündoğan hätten sich für "Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen". Cem Özdemir, langjähriger Bundesvorsitzender der Grünen, sprach von "geschmackloser Wahlkampfhilfe" und sagte dem Sport-Informations-Dienst, er wünsche sich von den Fußballern, dass sie "noch einmal die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nachschlagen". Und: "Der Bundespräsident eines deutschen Fußball-Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier."

Erdoğan ist zu einem dreitägigen Besuch nach Großbritannien gereist, am Dienstag soll er mit Premierministerin Theresa May und Königin Elizabeth II. zusammentreffen. Am 24. Juni finden in der Türkei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt; Erdoğan hat sie vorgezogen. Erst am Freitag sagte der inhaftierte Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtas der Nachrichtenagentur AP, dass er die Wahlen für so unfair wie noch nie halte.

Özil und Gündoğan, beide in Gelsenkirchen geboren, galten bislang als zurückhaltend mit politischen Äußerungen. Özil, der 2010 einen Bambi für Integration erhielt, sagte letztes Jahr der Bild-Zeitung, er sei Sportler, kein Politiker: "Daher will ich mich nicht einmischen."

Und Gündoğan meldete sich am Montagabend zu Wort: "Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen", schrieb er in einer Stellungnahme. Er bekenne sich zu den Werten des DFB. "Aber sollten wir uns gegenüber dem Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien unhöflich verhalten?" Das Treffen habe auf einer Veranstaltung einer türkischen Stiftung stattgefunden - und sei "eine Geste der Höflichkeit" gewesen.

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