Polizeiaufgabengesetz:Bedrohlich

Die Polizei soll in Bayern künftig viel früher eingreifen können als bisher, um Verbrechen zu verhindern. Kritiker befürchten weitreichende Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. Warum das bayerische Polizeigesetz so umstritten ist: ein Überblick.

Von Lisa Schnell

Bayern bekommt ein Polizeigesetz, das Kritiker als das schärfste in ganz Deutschland bezeichnen. Am Dienstagabend wurde es von der CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag verabschiedet. Zuvor hatten in München am vergangenen Donnerstag mehr als 30 000 Menschen gegen die Neuordnung des Polizeiaufgabengesetzes, PAG, protestiert. Eine Übersicht, um was es geht und warum es so umstritten ist:

Warum das Gesetz geändert wird

Bayern muss das PAG wie alle Bundesländer an die neuen Datenschutzrichtlinien der EU und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA von 2016 anpassen. Es beinhaltet daher auch Verbesserungen des Datenschutzes. So soll eine unabhängige Stelle Daten überprüfen, die etwa bei einer Telefonüberwachung gesammelt wurden. Höchst umstritten ist allerdings, dass die Staatsregierung aus dem BKA-Urteil den Begriff der "drohenden Gefahr" übernimmt, den die Verfassungsrichter laut Kritikern nur für den Bereich des Terrorismus vorgesehen haben.

Die "drohende Gefahr"

Die Polizei soll in Zukunft früher eingreifen dürfen als bisher. Es handelt sich dabei immer um präventive Maßnahmen, also noch bevor eine Straftat begangen wurde. Bisher konnte die Polizei bei einer sogenannten konkreten Gefahr tätig werden. Auch sie stellt eine Prognose dar. Um einzugreifen, muss dargelegt werden, dass der Betroffene sich an einem bestimmten Ort innerhalb eines bestimmten Zeitraums an einer Straftat beteiligen wird. So die Definition. Durch die "drohende Gefahr" wird die Eingriffsschwelle abgesenkt, gleichzeitig werden die Befugnisse der Polizei erweitert. Neben Kontaktverboten kann sie auch verdeckt ermitteln, also Telefone abhören, Pakete öffnen oder Computer durchsuchen, wenn ein Richter dem zustimmt. Die Voraussetzungen, wann weitreichend in Grundrechte eingegriffen werden kann, sind laut Kritikern zu vage formuliert. Eine Totalüberwachung eines jeden Bürgers sei nunmehr möglich, das Gesetz deshalb verfassungswidrig. Mehrere Parteien kündigten an, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Genau dieses habe die "drohende Gefahr" ja eingeführt, argumentiert die Staatsregierung.

Erweiterte Befugnisse

Die Polizei soll künftig die sogenannte erweiterte DNA erheben und zur Fahndung nutzen dürfen. Dazu sollen äußere Merkmale einer Person wie die Augen- und Haarfarbe oder die Herkunft festgestellt werden. Diese Methode ist eine der Maßnahmen, die schon bei einer "drohenden Gefahr" angewendet werden dürften. Kritiker weisen darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht eine solche DNA-Analyse als Eingriff in den Kern des Persönlichkeitsrechts werte, der bei einem bloßen Verdacht nicht gerechtfertigt sei. Zudem soll die Polizei bereits bei der üblichen erkennungsdienstlichen Erfassung von Verdächtigen einen DNA-Abstrich durchführen dürfen, um die Identität festzustellen.

Neu ist, dass die Polizei künftig Pakete und Briefe sicherstellen und auswerten darf, sobald sie eine "drohende Gefahr" vorhersagt und ein Richter der Maßnahme zugestimmt hat. Die Staatsregierung sieht darin eine notwendige Anpassung an das Darknet, über das Drogen und Waffen gehandelt und verschickt werden. Kritiker beanstanden, dass die Voraussetzungen bei einer "drohenden Gefahr" zu vage seien, um in schwerwiegender Weise in das Postgeheimnis einzugreifen. Eine weitere Änderung sieht vor, dass Bodycams, die Polizisten jetzt schon tragen, künftig nicht mehr auf Knopfdruck eingeschaltet werden, sondern ununterbrochen laufen. Die Methode heißt "Pre-Recording" und sieht vor, dass die Aufnahmen permanent überschrieben und nur dann gespeichert werden, wenn der Beamte auf einen Knopf drückt. In Wohnungen ist diese Methode nicht gestattet.

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