Finanzierung:Geld für neue Ideen

Rhizomat VR Offers Virtual Reality Experience

Verbunden durch Virtual Reality. Auch Maschinenbauer nutzen die Technik, um über große Distanzen hinweg zu kommunizieren.

(Foto: Getty Images)

Probieren und dann loslegen, lautet das Motto vieler Start-ups und Internetfirmen. Oft fehlt das Kapital. Doch öffentliche Fördermittel können bei der Finanzierung digitaler Projekte helfen.

Von Norbert Hofmann

Wenn aus dem Haus etwas werden soll, muss erst das Gerüst stehen. Üblicherweise sind allein damit drei Mitarbeiter der Baufirma beschäftigt, die auch noch gefährlich leben. Mehr als 6000 Unfälle ereignen sich jährlich auf Gerüsten in Deutschland. Doch es geht auch anders. Das junge Unternehmen Kewazo hat eine Lösung entwickelt, bei der Robotermodule die Gerüstteile auf Schienen transportieren. "Das System kann den Montageprozess um 30 bis 40 Prozent beschleunigen, es schont die Gesundheit der Mitarbeiter und hilft den Bauunternehmen, Kosten zu sparen", sagt Firmenchef Artem Kuchukov.

Das von sechs ehemaligen Studenten der Technischen Universität München entwickelte Robotersystem funktioniert batteriebetrieben. Anders als etwa beim Seilwindentransport, der seine Energie aus verlegten Stromkabeln gewinnt, können die Schienen und Robotermodule blitzschnell an andere Orte der Baustelle verlegt werden. Eine Sensorik hilft zudem, den Bauprozess laufend zu kontrollieren. "Wir sehen Kewazo als echten Pionier in der Robotik, der die Bauindustrie deutlich effizienter machen kann", sagt Klaus Feix vom Risikokapitalinvestor MIG. Ein MIG-Fonds hat deshalb gemeinsam mit einem privaten Kapitalgeber über eine Million Euro in Kewazo investiert, mit dem das Unternehmen nun sein Robotersystem auch für andere Lösungen auf Baustellen weiterentwickeln kann.

In Bayern gibt es einen vom Freistaat geförderten "Digitalbonus"

Probieren und dann machen ist die Devise junger Start-ups. Doch auch der etablierte Mittelstand treibt die neue industrielle Revolution voran. Laut einer Bitkom-Studie setzt bereits die Hälfte der produzierenden Firmen Anwendungen der Industrie 4.0 ein. Langfristig lohnt es sich allemal. Eine Studie von Mind Digital und der Rheinischen Fachhochschule Köln kommt zu dem Ergebnis, dass digitalisierte Geschäftsprozesse den Gewinn mittelständischer Firmen je nach Umsetzungsgrad um bis zu 20 Prozent steigern können.

Bei der Finanzierung digitaler Projekte helfen öffentliche Fördermittel. Die KfW unterstützt mit dem zinsgünstigen ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit die Vernetzung betrieblicher Systeme oder den Aufbau von Handelsplattformen ebenso wie neue Fertigungsverfahren wie den 3-D-Druck. Hinzu kommen Förderprogramme der Länder. In Bayern gewährt der "Digitalbonus" aus Mitteln des Freistaats je nach Firmengröße innerhalb bestimmter Grenzen einen Zuschuss für IT-Sicherheitsvorkehrungen und Digitalisierungsmaßnahmen in Höhe von bis zu 50 Prozent der förderfähigen Ausgaben. Und das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundes fördert Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit einem Zuschuss zu den Gehaltskosten der damit beschäftigten Mitarbeitern.

Vor allem wenn es um größeren Kapitalbedarf geht, ist oft Beteiligungskapital ein wichtiger Finanzierungsbaustein. Für die Investoren ist das durchaus attraktiv. "Die Digitalisierung ermöglicht durch die Verbindung von Daten die Beschleunigung von Prozessen und schafft damit Mehrwert", sagt Feix. Neben der Automatisierung, so betont er, eröffnen digitale Innovationen den Unternehmen zudem die Chance zur Gewinnung einer Vielzahl von Daten, die sie wieder nutzbringend einsetzen können.

Immer häufiger ist es auch der Mittelstand selbst, der über Beteiligungen an Start-ups in neue technische Lösungen investiert. Die Risikokapitalgesellschaft Vito Ventures des hessischen Heizungsbauers Viessmann hat sich kürzlich am Softwareunternehmen VR-On beteiligt, das eine Plattform für die schnelle Zusammenarbeit zwischen räumlich getrennten Standorten entwickelt hat. Der Schlüssel zu dieser Lösung ist Virtual Reality, die als Kürzel schon im Firmennamen steckt. Die Gründer haben entdeckt, dass sich die für private Online-Spiele entwickelte Hardware auch für reine B 2 B-Firmenanwendungen effizient nutzen lässt, wenn sie nur mit den richtigen Programmen gefüttert wird. "Unsere Software für Kollaboration in der Virtual Reality ermöglicht es, Teilnehmer eines Projekts kostengünstig und vor allem sicher zusammenzubringen", sagt Geschäftsführer Mathias Wochnig.

Das hilft zum Beispiel, wenn zusammengeschaltete Experten in der Entwicklungsphase eines neuen Gabelstaplers unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten der Fahrerkabine besprechen. Auch Maschinenbauer und ihre Zulieferer können nun in der virtuellen Realität unterschiedliche Varianten eines Prototyps diskutieren und weiterentwickeln. "Teams arbeiten an solchen Projekten häufig von verschiedenen nationalen und sogar internationalen Standorten zusammen oder sind zusätzlich auch direkt mit dem Kunden verbunden", sagt Wochnig.

Heute nutzen bereits namhafte Anwender wie der Flugzeughersteller Airbus die von VR-On entwickelte Lösung. Ehe die Gründer ihre Lösung zur Marktreife bringen konnten, die von der Initiative Mittelstand mit dem Innovationspreis-IT ausgezeichnet wurde, mussten sie Kapital mobilisieren. Einen sechsstelligen Betrag haben sie selbst mitgebracht, das erste Jahr zur Entwicklung eines Prototyps der ersten Software-Plattform finanzierten sie zudem mit dem "Kredit Universal" der LfAFörderbank Bayern. Das Förderprogramm hat der Kredit vergebenden Sparkasse die Darlehensvergabe erleichtert, weil die LfA mittels Haftungsfreistellung 60 Prozent des Ausfallrisikos übernimmt.

Wenn ein führender Investor dabei ist, wächst das Vertrauen bei anderen Geldgebern

Nachdem das Start-up einen ersten Großkunden gewonnen hatte, stieg mit einer Beteiligung von 300 000 Euro eine Gruppe privater Investoren ein. Direkt im Anschluss an das Engagement dieser Business Angels folgte eine millionenschwere Venture-Capital-Finanzierungsrunde mit der Bay-BG Bayerische Beteiligungsgesellschaft als führendem Investor. "Das Engagement dieses Partners hat Strahlkraft auch auf andere Kapitalgeber", sagt Wochnig. Will heißen: Wenn die von der LfA, Banken, Sparkassen und Wirtschaftsverbänden getragene Bay-BG investiert, weckt das Vertrauen bei anderen Kapitalgebern, wenn die Finanzierung der nächsten Wachstumsphase ansteht.

Die deutschen Unternehmen wissen um die Bedeutung der Digitalisierung. Nur allzu oft scheitern sie aber auch an fehlendem Kapital. Ein Grund ist, dass bei solchen Vorhaben der Anteil der Investitionen in Anlagen, die Kreditinstitute als Sicherheit heranziehen können, im Verhältnis zur Gesamtinvestition relativ gering ist. "Die Aufwendungen für die Entwicklung und Einführung von Prozessinnovationen oder EDV-Programme haben regelmäßig mehr Gewicht als Vermögenswerte", sagt Bay-BG-Geschäftsführer Peter Pauli. Umso mehr seien Eigen- und Risikokapitalgeber gefordert, bei denen das Chancen-/Risikoprofil der Unternehmen und nicht die Sicherheiten im Fokus stehen. Auch im etablierten Mittelstand wächst deshalb das Interesse an Eigenkapital. "Denn viele dieser Unternehmen können bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen auf weniger Sicherheiten und eigene Finanzmittel zurückgreifen als große Konzerne", sagt Pauli.

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