Anwalt warnt vor "schleichender Willkür":PAG - Umstrittene Sicherheit

PAG - Anwalt warnt vor "schleichender Willkür"

Großdemonstration in München gegen das geplante neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) in Bayern.

(Foto: Florian Peljak)

Die Meinungen zum neuen Polizeiaufgabengesetz (PAG) gehen auch in Freising teils weit auseinander.

Von Clara Lipkowski, Freising

Wenige Tage ist es her, da meldete die Polizei Oberbayern Nord, dass 2017 die Straftaten im Landkreis Freising um 4,6 Prozent gesunken seien. Es lebe sich "sicher in Bayern", sagte Polizeipräsident Günther Gietl, insbesondere in Oberbayern. Mit diesen Worten ist auch Florian Herrmann, CSU-Politiker aus dem Landkreis Freising und mittlerweile Staatskanzleichef in München, schon oft aufgetreten. Am Dienstagabend wurde nun das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) im Landtag beschlossen, es soll Polizisten erheblich mehr Befugnisse geben. Wie passt das zusammen?

"Wir wollen, dass es auch in Zukunft so sicher bleibt", sagt Herrmann: "Wir müssen auf neue Kriminalitätsphänomene reagieren. Es gibt heute mehr Terror, Cybercrime und Stalking. Die Polizei muss entsprechend präventiv handeln können." So dürften Polizisten zwar bislang beispielsweise Handys auswerten, heutzutage seien die Daten aber nicht mehr auf dem Gerät gespeichert, sondern in einer Cloud. Also müsse die Befugnis angepasst werden.

Das Polizeipräsidium Oberbayern äußert sich ähnlich: Die Polizei müsse "auf Höhe der Zeit" arbeiten können, um "nicht den rasanten technischen Entwicklungen hinterherzuhinken", teilt Sprecher Hans-Peter Kammerer mit. Markus Grill, Freisings SPD-Landtagskandidat, widerspricht dagegen vehement: "Das neue Gesetz ist unverhältnismäßig und ohne jede Notwendigkeit. Bayern ist das sicherste Bundesland." Maßstäbe, die zuvor auf Terroristen angewendet worden seien, würden nun "heruntergebrochen auf die Normalbürger".

Der Begriff "drohende Gefahr" in der Gesetzesnovellierung begünstige schleichende Willkür, warnt Anwalt Claus Huber-Wilhelm

Der Freisinger Anwalt Claus Huber-Wilhelm warnt davor, dass der in der Gesetzesnovellierung prominente Begriff "drohende Gefahr" schleichende Willkür begünstige. "Der Begriff ist vage formuliert. Dadurch wird die Polizei Grenzen austesten und diese verschieben." Eigentlich, sagt er, solle Strafe präventiven Charakter haben. Nun aber greife Prävention, wo ein Verbrechen gar nicht sicher begangen werde. Zwar müssten konkrete Hinweise für eine drohende Gefahr vorliegen. "Aber was das ist, weiß ja kein Mensch. Eine drohende Gefahr ist überall." Herrmann entgegnet, das Gesetz reagiere auf die Sorge vieler Bürger, dass immer erst etwa passieren müsse, bevor die Polizei handele.

Huber-Wilhelm sieht hingegen Polizisten gar dazu genötigt, Menschen zu verdächtigen, deren DNA zu prüfen oder eine Überwachung einzuleiten, um eine potenzielle Gefahr abzuwenden. Er rechnet mit mehr Mandanten, die sich wegen solcher Fälle - Überwachung oder DNA-Prüfung - als Geschädigte bei ihm melden. Auch der Richter und Sprecher des Freisinger Amtsgerichts, Manfred Kastlmeier, geht künftig von "erhöhten Anforderungen" an das Gericht aus. Konkret könnte das heißen, dass man in mehr Fällen über Polizeigewahrsam zu entscheiden habe - auch ein Aspekt, den Huber-Wilhelm scharf kritisiert: Die neue Möglichkeit, den Polizeigewahrsam durch richterlichen Beschluss alle drei Monate verlängern zu können, ohne dass eine Straftat begangen worden sei, sei "Wahnsinn". Er sehe "regelmäßig, was es mit Menschen macht, wenn sie eine Woche Freiheitsentzug erleben: Die sind dann fertig. Um den Freiheitsentzug verlängern zu können, bedarf es eines konkreten, begründeten Verdachts, damit ein Untersuchungsrichter die Anordnung der Untersuchungshaft stützen kann."

Dass das PAG vor dem Bundesverfassungsgericht besteht, glaubt der Anwalt nicht: "Bislang wurde der Begriff ,drohende Gefahr' zur Terrorbekämpfung genutzt. In der täglichen Polizeiarbeit wird man dafür keine Rechtsgrundlage nachweisen können." Auch hier widerspricht CSU-ler und Jurist Herrmann: "Drei Verfassungsrechtler haben uns in einer Anhörung bestätigt, dass das Gesetz konform ist: Es hält sich an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Datenschutzbeauftragten."

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