Design Offices:Kulissen für die neue Arbeit

Design Offices in München, 2017

Das Design Offices in München - eines von vielen. Und es sollen noch mehr werden.

(Foto: Florian Peljak)

Hauptsache flexibel: Ein Nürnberger Unternehmer vermietet Büros für eine Wirtschaft im Wandel. Nun steht eine große Expansion an, in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unterstützung dafür kommt von zwei Partnern.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Er tat einfach so, als habe er keine Absage bekommen, als hätte sie nicht am Morgen in der Post gelegen. Also ging er zu dem Geschäft mit den Designmöbeln und fragte scheinheilig nach, wann er denn mit einer Antwort, am besten einer Zusage auf seine Bewerbung um eine Lehrstelle rechnen könne. Die Personalerin, die ihm die Absage geschickt hatte, reagierte verdutzt. Erst recht, als sie ihm eine zweite Absage zukommen ließ und der Teenager am nächsten Tag wieder im Laden stand. Und anbot, eine Ferienwoche umsonst zu arbeiten, um zu zeigen, was er kann. Nach der Woche hatte er die Lehrstelle.

Alles eine Frage von Hartnäckigkeit und Entschlossenheit, will Michael Schmutzer damit sagen. 35 Jahre liegt sein Kampf um einen Ausbildungsplatz zurück, und wenn er die Geschichte heute erzählt, dann gerät sie zum Plädoyer, die Dinge selbst zu gestalten und nicht zu warten, bis sie einen überrollen. In Schmutzers Firma Design Offices in Nürnberg hängt ein Plakat an der Wand. "Viele Unternehmer erinnern an die Musikkapelle von der Titanic", heißt es darauf. "Denen steht das Wasser bis Unterkante Oberlippe, und sie hören trotzdem nicht auf, den alten Seich zu dudeln."

"Die Digitalisierung wird die Art, wie wir arbeiten, grundlegend verändern"

Also hat sich Michael Schmutzer, geboren 1967 in Fürth, mit aller Konsequenz in die neue, die digitale Arbeitswelt gestürzt. Besser gesagt, er erschafft deren Kulissen. Landschaften aus multifunktionalen Räumen, kleineren und größeren Büros, Besprechungszimmern und Lehrsälen, Sitzecken zum Herumfläzen, Küchen und Bars, offenen Lounges und streng gesicherten Datenräumen. Das alles in zentralen Großstadtlagen, gestaltet von Innenarchitekten und ausgestattet mit Designermöbeln, die Schmutzer oft selbst entwirft. Coworking Spaces nennen sich solche hippen Arbeitsräume, von denen Schmutzer überzeugt ist, dass sie die Zukunft sind.

Zumindest wächst seine Firma in atemberaubendem Tempo. 2010 in Nürnberg gestartet, vermietet Design Offices in fast allen deutschen Großstädten Unternehmen, Kreativen und Start-ups gleichermaßen Arbeitsräume. Manche nutzen sie ein paar Stunden, andere Tage oder Wochen, manche dauerhaft. An 22 Standorten bietet Design Offices auf 75 000 Quadratmetern solche "Räume für agiles und flexibles Arbeiten" an, wie Schmutzer sie nennt. Auf Wunsch samt allen denkbaren Dienstleistungen, vom Schreibblock über Catering bis zu Hochsicherheits-Internet.

"Der Bedarf wird weiter steigen", sagt Schmutzer, "der Strukturwandel ist unser großer Treiber." Er zitiert Prognosen, denen zufolge 65 Prozent der Kinder, die heute eingeschult werden, einmal Berufe ausüben werden, die es noch nicht gibt. Oder wonach bereits in wenigen Jahren 40 Prozent der Arbeitsverhältnisse hierzulande befristet oder auf Projektbasis bestehen werden. "Die Digitalisierung wird die Art, wie wir arbeiten, grundlegend verändern", sagt Schmutzer. Sie werde die festen Schemen des deutschen Acht-Stunden-Tages in festen Büros auflösen und neue Formen kreieren, in denen Menschen flexibel und projektbezogen ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zusammenfügen. Und zwar selbstbestimmt, nach Regeln und Formen, bei denen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen können.

Für manche Menschen ist diese Vorstellung Horror, für Michael Schmutzer die Realität, die man gestalten müsse. Experten prophezeien, dass der Bedarf an Coworking Spaces in den kommenden Jahren gewaltig wachsen wird. "Die Digitalisierung verändert unsere Art zu arbeiten ganz gewaltig, aber merkwürdigerweise sitzen viele noch in Büros wie vor 20 Jahren", wundert sich Thomas von Werner von der Münchner Beteiligungsgesellschaft EMH Partners. Das ändert sich aber allmählich, denn selbst traditionell geprägte Konzerne erwärmen sich für die Koppelung mit Start-ups und Kreativen fernab ihrer betrieblichen Räume, weil sie sich davon neues Denken jenseits bestehender Strukturen erhoffen. Weshalb EMH nun bei Design Offices einsteigt.

Schon heute arbeiten in den von Design Offices vermieteten Räumen 5000 Menschen; das Unternehmen selbst hat 300 Mitarbeiter. Diese Zahlen werden sich wohl schnell vervielfachen. In den nächsten vier Jahren will Design Offices 110 neue Standorte erschließen, außer in Deutschland auch in Österreich und der Schweiz. Etwa 200 Millionen Euro wird die Expansion kosten, für die sich Schmutzer mit EMH und dem Immobilien- und Projektentwickler Art Invest zwei Partner ins Unternehmen geholt hat.

Zusammen pumpen sie 60 Millionen Euro in Design Offices. EMH übernimmt dafür 36 Prozent der Firma, Art Invest 42 Prozent. Firmengründer Schmutzer bleiben 22 Prozent, aber auch die Geschäftsführung. "Wir liefern strategische Unterstützung, mischen uns aber nicht in das operative Geschäft ein", sagt EMH-Partner Thomas von Werner. Er vergleicht das Investment mit einem Fußballspiel. Design Offices habe eine erfolgreiche erste Halbzeit gespielt. Nun wolle sie in der zweiten Spielhälfte "noch mehr Drang zum Tor entwickeln".Und dass diese zweite Spielhälfte angepfiffen wird, das stehe außer Frage.

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