Internet-Abhängigkeit:Die Sucht der Surfer

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Vor allem Jugendliche und Kinder leiden unter endlosem Surfen, sagen Experten. Nun reagieren die Unternehmen und bauen Warnungen und Zeitbegrenzungen ein.

(Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Ein Bild, dann das nächste. Viele kommen nicht los von Apps wie Instagram. Letztere will Nutzer künftig vor sich selbst schützen - aber nicht ganz uneigennützig.

Von Christoph Gurk

Um zu ermessen, wie sehr das Internet das Leben der Menschheit umgekrempelt hat, muss man sich nur einmal zurückerinnern an dröge Dia-Abende bei der Verwandtschaft. Nur Snacks und Rotwein halfen damals über eine schier endlose Reihe von Italien-Impressionen hinweg. Heute ist das anders. Im Netz kann man seine Schnappschüsse der ganzen Welt präsentieren. Und die sieht nicht etwa gelangweilt zu, im Gegenteil: Immer mehr Menschen sagen von sich, sie seien abhängig von der Foto-App Instagram.

Insofern ist es beachtlich, dass ausgerechnet die nun eine neue Funktion testet, die Nutzer darauf hinweist, wenn sie mal wieder in einem Sog aus Ferienfotos, Essensbildern und Selfies zu versacken drohen. Haben sie alle neuen Bilder gesehen, die ihre Instagram-Abonnements in den letzten 48 Stunden gepostet haben, bekommen sie die Nachricht: "Du bist auf neuesten Stand". Danke, auf Wiedersehen, schauen Sie morgen wieder bei uns vorbei. Dazu kommt noch eine weitere Neuerung: Vergangene Woche wurde bekannt, dass Instagram auch an einer Funktion arbeitet, die Nutzern zeigt, wie viel Zeit sie mit der App verbracht haben.

All das widerspricht auf den ersten Blick natürlich jedweder wirtschaftlicher Logik. Instagram verdient sein Geld damit, Nutzern Werbung zu zeigen. Je länger sie scrollen, desto mehr Geld verdient das Unternehmen. Es wird sogar noch paradoxer, denn Instagram ist bei Weitem nicht mehr das einzige Tech-Unternehmen, das den Verbraucherschutz für sich entdeckt zu haben scheint. Google will in sein Android-Betriebssystem künftig Anwendungen einbauen, mit denen man die Zeit begrenzen kann, die man in bestimmten Apps verbringt. Apple, schätzen Experten, könnte bald nachziehen. Und Mark Zuckerberg erklärte Anfang des Jahres, die Zeit, die man auf Facebook verbringe, solle sich lohnen.

Diese Formulierung war sicher kein Zufalls. Unter dem Motto "Time well spent" versammeln sich in den USA Kritiker, die den Tech-Riesen vorwerfen, Nutzer ganz bewusst in eine Abhängigkeit zu führen. An ihrer Spitze steht die Organisation "Center for Humane Technology", gegründet von ehemaligen Google-, Apple- und Facebook-Mitarbeitern. Sie haben Einfluss und dank Stiftungen auch Geld. Bald wollen sie eine Kampagne starten, die an 55 000 US-Schulen Kinder über Folgen von zu viel Social Media aufklären will. Die Diskussion um die Suchtgefahr von Social Media wird also nicht einschlafen. Und das könnte langfristig gefährlich werden für die Unternehmen.

Anfang dieses Jahres hatten zwei Wall-Street-Investoren in einem offenen Brief Apple zu mehr sozialer Verantwortung aufgefordert. Statt dagegen zu protestieren, wollen die Tech-Unternehmen die Diskussion für sich nutzen. Sie bauen Möglichkeiten zur Zeitbegrenzung in ihre Produkte ein, sie weisen Nutzer darauf hin, wenn sie alles Neue gesehen haben, und betonen, dass ihnen das Wohlbefinden wichtiger sei als der Profit. Wie ernst es ihnen damit ist, bleibt aber fraglich. Fast zeitgleich mit dem Bekenntnis zu mehr Nutzern für die User veröffentlichte Facebook "Messenger Kids", eine Art soziales Netzwerk für Sechs- bis Zwölfjährige. Man könnte auch sagen: Die ideale Einstiegsdroge.

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