Diplomatie:Poltern aus Washington, Umarmung in Korea

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Dass Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in am Samstag für rund zwei Stunden miteinander sprachen, faszinierte auch die Menschen auf der Koreanischen Halbinsel. (Foto: AP)
  • Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat sich am Samstag überraschend mit Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in getroffen - zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit.
  • Ob die Staatschefs das Treffen allein wegen Trumps überraschender Absage für ein Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber arrangierten, ist unklar.
  • Die neue Diplomatie zwischen den Ländern, die sich offiziell noch im Kriegszustand befinden, zeigt: Nordkorea ist nicht mehr so isoliert wie früher.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Es war ein kurzes Treffen, ohne viel Pomp, dafür mit symbolkräftigen Bildern: Augenscheinlich gutgelaunt lagen sich Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in den Armen, als sie am Samstagnachmittag überraschend zu einem Treffen zusammenkamen. Für rund zwei Stunden redeten die beiden Staatschefs im Waffenstillstandsdorf Panmunjom - nur zwei Tage nachdem US-Präsident Trump die Welt überrumpelte und ein geplantes Treffen mit Kim Jong-un am 12. Juni in Singapur absagte.

Arrangierten Kim und Moon das Treffen allein, um über Trumps Absage zu reden? Oder war es schon länger vorausgeplant? Moons Sprecher wollte sich dazu am Samstag zunächst nicht äußern. Der Präsident, so hieß es, werde die Medien am Sonntag über die Hintergründe des Treffens informieren. Es sei allerdings auch darum gegangen, den Weg für ein Gipfeltreffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump zu ebnen.

Es ist bereits das zweite Aufeinandertreffen zwischen Kim und Moon binnen kurzer Zeit. Bereits vor vier Wochen gab es zwischen den Staatschefs der beiden Länder, die sich offiziell noch immer im Krieg befinden, einen historischen Austausch im Grenzort Panmunjom, bei dem Kim versprach, Nordkoreas Atomwaffenarsenal abzubauen. Dieses Mal trafen sich Kim und Moon im Tongil-gak, einem Gebäude auf der Nordseite der Grenze.

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Mit seiner Absage hatte Donald Trump am Donnerstag viele überrascht, wenn nicht überrumpelt, auch Moon, der zwei Tage zuvor noch im Weißen Haus weilte. Was den US-Präsidenten zu seiner Entscheidung bewog, ist völlig unklar. In seinem Brief an Kim Jong-un beschwerte er sich über eine "enorme Wut und Feindschaft", die er den jüngsten nordkoreanischen Äußerungen entnommen habe. Bei den nordkoreanischen Äußerungen handelte es sich allerdings um Reaktionen auf Luftwaffenmanöver der USA mit Südkorea und auf scharfe Töne von Trump-Leuten gegenüber dem Land.

In seinem Brief drohte Trump dem nordkoreanischen Machthaber mit Atomwaffen, lud ihn aber zugleich freundschaftlich zur Fortsetzung des Dialogs ein. Einige Experten halten das für die klassische Verhandlungstaktik eines Immobilien-Tycoons. Andere warnten, die Eskalation vom vorigen Sommer werde sich nun wiederholen. Nordkorea reagierte besonnen auf die Absage aus Washington. Vize-Außenminister Kim Kye-gwan sagte Stunden nach der Absage: "Wir möchten die amerikanische Seite wissen lassen, dass wir uns weiterhin mit den USA zusammensetzen und die Probleme unabhängig von Ort und Zeitpunkt lösen wollen."

Die nächste Überraschung kam dann schon anderthalb Tage später. Die USA hätten "sehr produktive Gespräche mit Nordkorea" gehabt, twitterte Trump. Der Gipfel, so der US-Präsident, finde womöglich doch statt: "in Singapur am geplanten Datum, dem 12. Juni, und wenn nötig, über diesen Tag hinaus." Trumps Sprecherin teilte am Samstag mit, dass ein Team nach Singapur reisen werde "um vorzubreiten, falls ein Gipfel statt findet".

Wer in Washington am Freitag mit welchen Nordkoreanern geredet haben soll, und worüber, gab Trump nicht preis. Wenn überhaupt geredet wurde. Trump hatte Kims Einladung zum Gipfel ohne Rücksprache mit dem Außenministerium angenommen, angeblich hat er sich selbst auch ohne Rücksprache wieder ausgeladen. Nun will er den Gipfel offenbar doch. Unklar ist, ob das alles aus einer Laune geschieht oder ob es andere Überlegungen gibt.

Dieses Nordkorea ist nicht mehr das Nordkorea von Kims Vater

Japans Wirtschaftszeitung Nikkei schrieb kürzlich, die Wahl des Treffpunkts für den Gipfel sei auch deshalb auf Singapur gefallen, weil der US-Unternehmer Sheldon Adelson, der dort unter anderem ein riesiges Resort mit Kasino betreibt, davon profitieren würde. Insider meinten Ende April noch, Singapur sei aus dem Rennen. Dann spendete Adelson der Republikanischen Partei am 10. Mai 30 Millionen Dollar. Adelson hatte Trump bereits im Wahlkampf massiv unterstützt. Dessen Steuerreform spart seiner Casino-Firma Las Vegas Sands 670 Millionen Dollar, so der Nikkei.

Was die Ereignisse und Bilder dieser Tage in jedem Falle zeigen: Nordkorea ist nicht mehr isoliert. Während Moon und Kim sich bei ihrem Spontan-Gipfel umarmten, wurden zwei enge Mitarbeiter des nordkoreanischen Diktators am Pekinger Flughafen gesehen; zu Beginn der Woche war eine Wirtschaftsdelegation aus Nordkorea in der nordostchinesischen Industriestadt Dalian.

Noch setzen Südkorea und China die Sanktionen gegen das Land zwar um, China konsequenter als je zuvor. Aber dieses Nordkorea ist nicht mehr das Nordkorea von Kims Vater. Trump könnte den Gipfel zwar platzen lassen, aber er wird Nordkorea nicht mehr in die Isolation zurück zwingen können. Damit verpufft der "maximale Druck", den er dem Land noch immer androht.

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