Bamf-Skandal:Wenn Kontrollen versagen

Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

Wurden Asylanträge im Asyl-Bundesamt rechtswidrig gebilligt? Gelangten so gar Gefährder ins Land? Staatsanwälte, Wirtschaftsprüfer und interne Ermittler sollen es herausfinden.

(Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)
  • Die Hauptbeschuldigte in der Bamf-Affäre wehrt sich gegen den Vorwurf, als Chefin der Außenstelle in Bremen unberechtigte Asylbescheide ausgestellt zu haben.
  • Die Staatsanwaltschaft Bremen wirft Ulrike B. vor, sie habe in einem abgeschotteten Zirkel dafür gesorgt, dass 1200 Personen positive Asylbescheide erhielten, denen keine zustanden.
  • Bei der Sicherheitsüberprüfung der 4500 Personen seien "nach derzeitigem Ermittlungsstand" keine Gefährder entdeckt worden, teilt das BMI mit.

Von Christine Adelhardt, Constanze von Bullion und Jens Schneider, Berlin

Sie will jetzt kämpfen um ihren Ruf und gegen den Vorwurf der Korrumpierbarkeit. Ulrike B., Hauptbeschuldigte in der Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), wehrt sich gegen den Vorwurf, als Chefin der Flüchtlingsbehörde Bremen in Serie unberechtigte Asylbescheide ausgestellt zu haben, "bandenmäßig" und womöglich für Geld. Die Justiz ermittelt, der Fall hat bundesweit Aufregung ausgelöst. Der Anwalt der Ex-Behördenleiterin aber spricht von Vorverurteilung. "Meine Mandantin hat sich nichts vorzuwerfen", sagte Erich Joester am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Ulrike B. sei eine erfahrene Verwaltungsexpertin. Was ihr konkret vorgeworfen werde, wisse sie nicht, da die Staatsanwaltschaft ihr keine Akten zur Verfügung stelle: "Wir werden uns heftigst wehren. Ich freue mich auf eine Verhandlung."

Die Staatsanwaltschaft Bremen wirft Ulrike B. vor, sie habe zusammen mit ehemaligen Bamf-Mitarbeitern, zwei Anwälten und einem Dolmetscher in einem abgeschotteten Zirkel dafür gesorgt, dass zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Personen positive Asylbescheide erhielten, denen keine zustanden. 18 000 Bremer Asylentscheidungen werden nun rückwirkend überprüft. 4500 Fälle mit Auffälligkeiten wurden erneut durchleuchtet, auch hinsichtlich möglicher Sicherheitsrisiken. Bundespolizei, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt kamen zum Einsatz, denn womöglich seien über Bremen islamistische Gefährder ins Land geschleust worden, hieß es. Auch im Bundesinnenministerium zeigte man sich alarmiert. Durch die Medien geisterten Berichte, wonach ein Mann, der mehrfach schwere Straftaten begangen und in Haft gesessen habe, durch die Bremer Behörde Schutz in Deutschland erhalten habe. Ein weiterer habe womöglich Verbindungen zur Terrororganisation Islamischer Staat.

Bei der Sicherheitsüberprüfung wurden keine Gefährder entdeckt

Knapp zwei Wochen später und nach einer Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag hat sich manche Sorge als unbegründet erwiesen. Bei der Sicherheitsüberprüfung der 4500 Personen seien "nach derzeitigem Ermittlungsstand" keine Gefährder entdeckt worden, antwortete das Bundesinnenministerium auf eine Anfrage von NDR und Süddeutscher Zeitung.

Unter den 18 000 Personen, deren Verfahren erneut überprüft werden, befinde sich "eine polizeibekannte Person, die als sogenannter Gefährder eingestuft" sei. Eine weitere Person stehe "dem islamistischen Milieu" nahe. Die beiden seien allerdings "schon lange vor dem Bekanntwerden der Missstände in der Bremer Außenstelle des Bamf" von Sicherheitsbehörden observiert worden. Der Gefährder sei zudem erst drei Jahre nach seiner Einreise als solcher eingestuft worden, also lange nach seinem Asylverfahren in Bremen. "Weder Frau B. noch die betreffenden Anwaltskanzleien waren in den Fall involviert", so das Bundesinnenministerium.

Und auch die Vorwürfe der Korruption sind noch nicht ausreichend belegt. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde beauftragt, Überweisungen aus der Bremer Außenstelle des Bamf in den Jahren 2005 bis 2016 zu kontrollieren. Das sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag im Innenausschuss des Bundestags. In elf Jahren habe das Bamf Bremen insgesamt 8,5 Millionen Euro überwiesen. Die Höhe der Zahlungen sei nicht ungewöhnlich, sagte Seehofers Sprecherin am Donnerstag. Auch sei mit der Prüfung kein Verdacht auf Unregelmäßigkeiten verbunden. Ungewöhnlich sei lediglich, dass Außenstellenleiterin Ulrike B. das Geld selbst überwiesen habe, statt dies Mitarbeitern zu überlassen.

Mit dem Löwenanteil der Zahlungen habe die Bremer Flüchtlingsbehörde Kosten für Integrationskurse und Gerichtsverfahren beglichen, hieß es im Bundesinnenministerium. Auch Anwälte sollen Geld vom Bremer Bamf erhalten haben. Ob es sich dabei um Anwälte handelt, die das Bamf gegen Klagen von Asylbewerbern vertreten haben, oder um die beiden Anwälte, gegen die nun die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt, wollte Seehofers Sprecherin nicht beantworten.

Im Bamf sei zusätzliches Personal nötig

In Berlin geht unterdessen die Debatte weiter, wie die Strukturen im Bamf verbessert werden können. Denn unstrittig ist, dass die Fehlerquote im Bundesamt generell zu hoch ist und in Bremen Kontrollmechanismen versagt haben. "Die bisherigen Erkenntnisse machen deutlich, dass vor allem die Bereiche Qualitätssicherung und Innenrevision im Bamf deutlich gestärkt werden müssen", sagte der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Mathias Middelberg (CDU), der Süddeutschen Zeitung. In der Behörde seien mehr als 7000 Mitarbeiter beschäftigt, die Innenrevision bestehe aber nur aus sieben Stammkräften. Das sei "erkennbar unzureichend". Nötig sei zusätzliches Personal.

Die Grünen, die die erste Sondersitzung des Innenausschusses zur Bamf-Affäre initiiert hatten, wollen nun auch die ehemaligen Bamf-Chefs Frank-Jürgen Weise und Manfred Schmidt sowie Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) anhören. Geklärt werden soll dabei auch, warum das Bamf seit 2015 für externe Beraterverträge 54,8 Millionen Euro ausgegeben haben soll. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervor, über die zuerst die Wirtschaftswoche berichtete. Allein 45,4 Millionen Euro erhielt demnach das Unternehmen McKinsey.

Die AfD im Bundestag stellte am Donnerstag ihren Antrag zur "Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Asyl- und Migrationspolitik" vor. Aufgeklärt werden solle nicht allein die Affäre ums Bamf, sagte Fraktionschef Alexander Gauland. Auch die Umstände der Grenzöffnung im September 2015 seien zu klären und was diese Entscheidung das Land gekostet habe, sagte die AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Einem Untersuchungsausschuss müsste ein Viertel der Bundestagabgeordneten zustimmen. Nur AfD und FDP aber wollen ihn bisher. Grüne und Linke lehnen einen gemeinsamen Antrag mit der AfD ab.

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