Handelsstreit:Transatlantische Eiszeit

U.S. President Donald Trump boards Air Force One as he departs from Dallas, Texas

US-Präsident Trump sucht sein Heil in Nationalismus und Isolation und schert sich nicht um eine gemeinsame Geschichte und deren traditionelle Bündnisse.

(Foto: REUTERS)
  • Mit der Verhängung von US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumlieferungen aus Europa erreicht das transatlantische Verhältnis nun einen Tiefpunkt, der in eine lange Eiszeit münden könnte.
  • Es droht ein Sog aus Sanktionen und Gegensanktionen, der alle in den Abgrund reißen könnte.

Von Daniel Brössler, Cerstin Gammelin und Claus Hulverscheidt

Dass es in einer Beziehung einmal kriselt und knirscht, dass man sich streitet und unschöne Dinge an den Kopf wirft, mag langjährige Lebenspartner kaum irritieren. Was sich aber seit Monaten im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa abspielt, wirft die Frage auf, ob man überhaupt noch von einer Beziehung sprechen kann: Worüber auch immer die vermeintlich Verbündeten derzeit diskutieren, ob über das Klima oder den Handel, Iran oder Russland - sie zanken und zetern, sie drängeln und drohen.

Mit der Verhängung von US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumlieferungen aus Europa erreicht das transatlantische Verhältnis nun einen Tiefpunkt, der in eine lange Eiszeit münden könnte. Zwar sind die wirtschaftlichen Folgen des Beschlusses zunächst gering. Es droht aber ein Sog aus Sanktionen und Gegensanktionen, der alle in den Abgrund reißen könnte. Die EU plant bereits Zölle auf Jeans, Whiskey und andere US-Waren, die am 20. Juni in Kraft treten könnten. Die Amerikaner drohen ihrerseits damit, auch Autos mit einer Einfuhrabgabe von 25 Prozent zu belegen. Das träfe insbesondere Deutschland hart.

Absurdes Sicherheitsargument

Was die Partnerstaaten in aller Welt vor allem aus der Fassung bringt, ist Trumps Aussage, die Flut an Stahl- und Autoimporten gefährde die nationale Sicherheit der USA. Kanadas Premierminister Justin Trudeau, dessen Land ebenfalls betroffen ist, sagte, Amerikaner und Kanadier hätten in zwei Weltkriegen Seite an Seite gestanden. "Von den Stränden der Normandie bis zu den Bergen Afghanistans haben wir gemeinsam gekämpft und sind gemeinsam gestorben", sagte er.

Das Sicherheitsargument sei daher absurd. Genau so sehen das die Europäer, die seit Jahrzehnten militärisch wie ökonomisch aufs Engste mit den USA verwoben sind. Das Bündnis sorgte im zerstörten Westeuropa für eine ökonomische Blüte und trug dazu bei, Freiheit und Demokratie weltweit zu verbreiten und den Kampf der Ideologien gegen den Kommunismus zu gewinnen.

Mit dem Ende des Kalten Krieges lebten sich beide Seiten jedoch auseinander, wozu auch Länder wie Deutschland beitrugen: Sie hielten ihre Verteidigungsversprechen nicht mehr ein und ignorierten die Kritik der Amerikaner an ihrem einseitig exportlastigen Wirtschaftsmodell.

Doch erst seit Trumps Amtsantritt steht die Zukunft der Partnerschaft wirklich grundsätzlich infrage: Der US-Präsident sucht sein Heil in Nationalismus und Isolation und schert sich nicht um die Geschichte und deren traditionelle Bündnisse. Stattdessen bevorzugt er Ad-hoc-Allianzen - abhängig davon, wen die USA gerade zur Durchsetzung ihrer Interessen brauchen. Auch sieht er in Bundesgenossen keine Partner auf Augenhöhe, sondern Gefolgsleute, die sich ihm unterzuordnen haben.

Wie tief der Graben zwischen den langjährigen Partnern mittlerweile ist, zeigte sich am Freitag beim Treffen der Finanzminister aus den sieben großen Industrienationen (G 7) im kanadischen Whistler. Die G-7-Staaten, zu denen Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada, die USA und Japan zählen, sind so etwas wie der Kern dessen, was man einst "den Westen" nannte.

Seit Trumps Wahlsieg jedoch ist aus der Gemeinschaft der sieben ein Kampf sechs gegen einen geworden. "Falsch" sei der Stahlbeschluss der US-Regierung, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz, als er am Donnerstagabend in Whistler eintraf, "rechtswidrig" und "fadenscheinig". Später, nachdem er seinen US-Kollegen Steven Mnuchin getroffen hatte, hieß es in Teilnehmerkreisen, beide Seiten seien sich vor allem darin einig gewesen, dass man uneinig sei.

Brüssel will auch gegen China bei der WTO vorgehen

Erneute Verhandlungen mit den Amerikanern lehnt die EU derzeit ab. Stattdessen wird sie weiter an jener Liste mit Zöllen auf US-Waren feilen, die sie bereits bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht hat und mit der sie US-Firmen bewusst dort treffen will, wo Trumps Wähler zu Hause sind.

Die Abgabe von 25 Prozent soll zudem den Schaden ausgleichen, den die US-Zölle anrichten und der sich laut EU-Kommission auf 2,8 Milliarden Euro pro Jahr belaufen könnte. Auch gegen China will Brüssel bei der WTO vorgehen.

Handelskommissarin Cecilia Malmström sagte, man habe die Eskalation des Streits durch Gespräche unter "Freunden und Alliierten" abwenden wollen. Das sei nicht gelungen. Ob die Amerikaner denn überhaupt noch Freunde und Alliierte seien, wurde Malmström daraufhin gefragt. Aus "historischen und strategischen Gründen" sei das wohl so, antwortete sie. Nach echter Sympathie und Verbundenheit aber klang das nicht.

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