Flüchtlinge in Schmarnzell:Allein gelassen

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Drei Jahre nachdem die ersten Flüchtlinge nach Schmarnzell kamen, ist die Hilfsbereitschaft in Altomünster auf einen Tiefpunkt gesunken. Zuwanderer und Einheimische leben nebeneinander her

Von Andreas Förster, Altomünster

Ungewissheit und Langeweile quälen viele Flüchtlinge. Für regelmäßige Deutschkurse gibt es keine Mittel und nicht genug Lehrer. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Alem sitzt etwas verloren auf dem Plastikstuhl vor seiner Unterkunft in Schmarnzell und beschäftigt sich mit seinem Handy. Viel mehr kann der 22-Jährige aus Eritrea hier nicht machen. Es gibt zwei gespendete Kleinfeldtore, um auf dem asphaltierten Vorplatz Fußball zu spielen. In der Garage steht eine Tischtennisplatte. In der ehemaligen Offiziersstube, die sich Alem mit zwei anderen Flüchtlingen teilt, liegen ein paar Bücher. Gekocht wird in den beiden Gemeinschaftsküchen. Nicht einmal der Handy-Empfang ist gut, trotz des Funkturms neben dem Gebäude. Bis in die Neunzigerjahre unterhielt hier die Bundeswehr eine geheime Richtfunk- und Fernmeldestation.

Von außen lässt nichts darauf schließen, dass hier seit drei Jahren Menschen wohnen, die gerne Kontakt zur Außenwelt hätten. "Der ist leider so gut wie nicht vorhanden", sagt Astrid Mettel. Die 49-jährige freiberufliche Lehrerin verbringt fast ihre gesamte Freizeit mit den etwa 75 Flüchtlingen in der abgelegenen ehemaligen Bundeswehrkaserne Schmarnzell-Randelsried und den Containern in Altomünster. Sie hat die Entwicklung der vergangenen drei Jahre miterlebt: die anfängliche Euphorie, die sogar die sonst eher zurückhaltenden Dorfbewohner in Schmarnzell erfasst hatte. Doch davon ist so gut wie nichts übrig geblieben. "Wir finden in der Region praktisch nicht mehr statt", stellt sie fest. Nicht nur, dass von den anfangs bis zu 70 Helfern jetzt noch sieben aktiv sind, sechs Frauen, ein Mann, alle um die 50 oder älter. Und einige wenige, die gelegentlich Kuchen backen. Wie für den kleinen Verkaufsstand beim diesjährigen Pfingstmarkt, erzählt Andrea Blaser. Aber ein Kontakt zur Bevölkerung ergab sich nicht. "Wir haben manchmal den Eindruck, dass man uns ignoriert", sagt Blaser. Die 58-Jährige engagiert sich seit drei Jahren im Helferkreis. Und ist zunehmend frustriert. "Wir können nur beim Nötigsten helfen, Behördenbriefe übersetzen, E-Mails schreiben, zum Arzt, zum Gericht oder zum Landratsamt begleiten, da kommen schnell 20 Stunden in der Woche zusammen." Die Aufwandsentschädigung, vor allem für die vielen Autofahrten, reicht bei Weitem nicht aus. Den Rest zahlen die Helfer aus eigener Tasche.

Die jungen Bewohner der früheren Bundeswehrkaserne in Schmarnzell hätten gern Kontakt zu den Einheimischen. Doch nicht alle Angebote sind geeignet. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Für die zumeist jungen Flüchtlinge aus Afrika, die überwiegend seit zwei bis drei Jahren in Schmarnzell festsitzen, sind sie wie Ersatzeltern. Und Ersatzhausmeister. Denn seit Januar gibt es in Schmarnzell keinen festen Kümmerer für die 20 Bewohner mehr, betont Irmi Seitz. Auch in Stumpfenbach ist die Stelle unbesetzt. Die 64-Jährige aus Asbach setzt sich gerne für die Flüchtlinge ein, freut sich, wie sie vorankommen, die Berufsschule besuchen, eine Arbeit oder eine Ausbildung bekommen. Wie Alem, der im September eine Metallbauerlehre in Hilgertshausen anfängt. Da kommt er dann regelmäßig unter Menschen.

Seitz hofft, dass sich wieder junge Menschen in der Flüchtlingshilfe engagieren. Fußballspielen wäre so eine Möglichkeit, ein gemeinsames Public Viewing. Oder gemeinsam kochen. "Die Menschen hier sind so gastfreundlich", versichert sie. "Sie kochen oft für uns, obwohl sie kaum Geld haben. Für die Flüchtlinge sei das gemeinsame Essen eine willkommene Abwechslung vom zumeist etwas tristen Alltag, sagt Mettel. Insbesondere, wenn sie keine Arbeit haben. Regelmäßige Deutschkurse werden nicht mehr angeboten.

Mit dem Bus spontan in die Stadt fahren, das geht in Schmarnzell nicht. Der Bus fährt nur wochentags um 5.40 und 6.37 Uhr und abends um 17.55 Uhr und am Wochenende gar nicht - ins 15 Kilometer entfernte Indersdorf. Nach Altomünster gar nicht. Fürs Einkaufen gibt es deshalb feste Termine: Mittwochs um 18 Uhr und samstags um 12 Uhr. Da zwängen sich die Flüchtlinge in die Autos, manchmal fahren die Helferinnen mehrere Touren.

Umso wichtiger wäre es, wenn wieder mehr Menschen pro-aktiv mit Ideen auf die Helfer zugehen würden. "Das ist zwar schon geschehen", erzählt Mettel, doch nicht selten lief etwas schief dabei. Wie zum Beispiel die Einladung zum Schießen im Schützenverein. Mettel: "Das ist für die Menschen, die vor Krieg und Gewalt geflohen sind, nicht so attraktiv." Oder die Einladungen, im Frühjahr am Ramadama teilzunehmen. "Da waren die Flüchtlinge jedes Jahr gesondert eingeteilt, ein Austausch fand nicht statt", sagt Mettel. Unter diesen Umständen müsse man überlegen, ob eine erneute Teilnahme sinnvoll sei.

Sicher sei man zumindest der Unterstützung des Bürgermeisters von Altomünster. Anton Kerle (CSU) zeigt Verständnis für die Situation der Flüchtlinge und der Ehrenamtlichen im Helferkreis. Er selbst sehe es als wichtige Aufgabe an, Menschen in Not zu helfen, egal woher sie kämen, sagte er beim Ehrenamtsabend in Altomünster. "Natürlich sind inzwischen viele Helfer und Asylbewerber frustriert, weil es so lange dauert, eine Wohnung oder eine Arbeit zu finden." Und dann würden häufig diejenigen, die am besten integriert seien, abgeschoben. Trotz allem Verständnis könne er aber in der Sache selbst nichts tun, ihm seien die Hände gebunden, sagt der Bürgermeister. Echte Ermutigung klingt anders.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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