Achtsamkeit:Zu viel Meditation raubt die Motivation

Meditation und Yoga am Meer
(Foto: Lua Valentia/Unsplash)
  • Eine Studie zeigt: Achtsamkeitsmeditation wirkt, aber nicht so, wie es sich viele Menschen wünschen.
  • Die Entspannungstechnik kann die Motivation reduzieren, Aufgaben anzupacken.
  • Dabei ist egal, ob das Vorhaben lästig oder angenehm ist.

Von Sebastian Herrmann

Wer Entspannung sucht, sollte eine Leitungsposition in der Chefetage eines internationalen Konzerns anstreben. Die Büros dort müssen Wellness-Paradiesen gleichen. Darin leben mönchische Menschen im Hier und Jetzt, gebären Ideen aus den Tiefen ihrer Herzen und machen die Welt jeden Tag zu einem besseren Ort.

Ein solcher Eindruck kann durch die Lektüre von Wirtschaftsmagazinen wie Forbes oder der Harvard Business Review entstehen, in denen Autoren regelmäßig Loblieder auf die Achtsamkeitsmeditation singen. Bei Google, im Pentagon, in Pharmakonzernen und überall sonst werde demnach in den Chefetagen meditiert, was das Zeug hält - und auf diese Weise das mentale Fundament für Wachstum und Gewinn gelegt.

In diesen Erfolgsgeschichten aus den Chefetagen steckt stets das Versprechen, dass es der gequälte Angestellte aus den unteren Etagen auch schaffen könne: etwas meditieren, so das Leben in den Griff bekommen und endlich im Job durchstarten. Nun gibt es einen Haken an der Sache, natürlich.

Die Psychologen Andrew Hafenbrack und Kathleen Vohs zeigen in einer Studie: Achtsamkeitsmeditation wirkt, aber nicht so, wie es sich Arbeitsehrgeizlinge wünschen. Die Entspannungstechnik reduziere nämlich die Motivation, Aufgaben anzupacken - egal ob diese lästig oder angenehm seien. Und auch entspannte Menschen brauchen Antrieb, wenn sie nach der nächsten Sprosse auf der Karriereleiter greifen wollen.

Es gibt viele Belege für positive Effekte der Achtsamkeitsmeditation

Grob gesagt, geht es in der Achtsamkeitsmeditation darum, sich ohne Bewertung dem Moment zu widmen; zum Beispiel, indem man alle Eindrücke und Empfindungen beim Barfußgehen oder Kauen einer Rosine beachtet, wahrnimmt und wertfrei beschreibt. Zuletzt hat die Technik selbst Karriere als eine Art Allzweckmittel gegen die Anfechtungen des Alltags erlebt. So gut wie jeder Coach hat Angebote im Programm, die das Wörtchen "achtsam" einbinden, von der Diät bis zur Kindererziehung.

Und tatsächlich haben Wissenschaftler viele Studien veröffentlicht, die Belege für positive Effekte dieser Meditationsform liefern. Demnach lindern entsprechende Trainings Stress, heben die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und mindern Schlafprobleme in den Stunden zwischen den Diensten. Achtsamkeit erhöht die Neigung zu prosozialem sowie ethisch korrektem Verhalten und schleift dem Führungspersonal offenbar ein paar unschöne charakterliche Kanten ab.

Diese Effekte beruhten darauf, mit dem gegenwärtigen Zustand ins Reine zu kommen und ihn anzunehmen, schreiben Vohs und Hafenbrack. Um aber Aufgaben anzugehen und Ziele zu erreichen, brauche es einen gewissen Grad der Unzufriedenheit, schreiben die Forscher. Warum auch etwas ändern und den Hintern hochbekommen, wenn schon alles spitze ist? Daraus speist sich also der demotivierende Effekt der Meditation, den die Psychologen beobachten haben.

Auf die Leistung hatte die Technik keine Auswirkung: Der positive Effekt durch geminderte Anspannung verpufft wohl durch die demotivierende Wirkung. Egal, die Studie lässt sich als Argument für Achtsamkeitsmeditation lesen: Sie entspannt und lindert Stress. Nur als Karriereturbo mit Erfolgsgarantie taugt sie eher nicht.

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