NSU-Prozess:Plädoyers für Zschäpe - gegen ihren Willen

NSU Prozess - Zschäpe

Seit Juli 2015 kommuniziert Beate Zschäpe (2.v.l.) nicht mehr mit ihren Anwälten Stahl, Sturm und Heer (von links). Sie werden nun trotzdem versuchen, vor Gericht das Beste für die Angeklagte herauszuholen.

(Foto: dpa)
  • Die Anwälte Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl verteidigen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe seit Beginn des NSU-Prozesses im Jahr 2013.
  • Zwei Jahre später wandte sich die Angeklagte von den dreien ab, sie wollte eine neue Verteidigungsstrategie.
  • Versuche, die Zusammenarbeit auch offiziell zu beenden, scheiterten aber. Deswegen sprechen die drei Anwälte nun ihre Plädoyers, obwohl Zschäpe sich eigentlich nicht von ihnen verteidigen lassen will.
  • Die Staatsanwaltschaft hat lebenslange Haft sowie anschließende Sicherungsverwahrung gefordert.

Von Wiebke Ramm

Es könnte mit einem Mal ganz schnell gehen. Nach mehr als fünf Jahren Verhandlung sollen am Dienstag die letzten Plädoyers im NSU-Prozess beginnen. Danach fehlen nur noch die letzten Worte der Angeklagten und - nach einiger Bedenkzeit für die Richter - das Urteil.

In den kommenden Tagen haben zunächst Beate Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl das Wort. An mindestens drei Tagen werden sie vor dem Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht München ihre Schlussvorträge halten. Und sie werden versuchen, Zschäpe vor der Höchststrafe zu bewahren.

Die Vertreter der Bundesanwaltschaft haben für die 43-Jährige eine lebenslange Freiheitsstrafe, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Mehr geht nicht. Eine höhere Strafe gibt es in Deutschland nicht.

Zschäpe versuchte, die Zusammenarbeit mit den Anwälten zu beenden - ohne Erfolg

Die Bundesanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass Zschäpe als Rechtsterroristin unter anderem zehn Morde, 15 Raubüberfälle und zwei Bombenanschläge zu verantworten hat. Die Verteidigung sieht das anders.

Am Dienstag wird Heer mit seinem Schlussvortrag beginnen. Am Mittwoch soll Stahl plädieren und voraussichtlich am Donnerstag soll Verteidigerin Sturm sprechen. Sie werden versuchen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Beweisaufnahme die Anklagevorwürfe gegen ihre Mandantin nicht bestätigt hat.

Heer, Stahl und Sturm verteidigen Zschäpe von Beginn an. Seit Sommer 2015 allerdings gegen den Willen ihrer Mandantin. In jenem dritten Prozessjahr wollte Zschäpe eine neue Verteidigungsstrategie. Sie wollte nicht mehr schweigen - und sie wollte einen neuen Pflichtverteidiger.

Im Juli 2015 wurde ihr Mathias Grasel als vierter Pflichtverteidiger beigeordnet, im Hintergrund hat seither Wahlverteidiger Hermann Borchert das Sagen. Mit Heer, Stahl und Sturm kommuniziert Zschäpe seitdem nicht mehr.

Die neue Strategie: Zschäpe sei abhängig gewesen von den "Uwes"

Immer wieder gab es Anträge, die Zusammenarbeit beenden zu dürfen. Mal von Zschäpe, mal von Heer, Stahl, Sturm. Ohne Erfolg. Die drei verteidigten trotzdem so tapfer wie engagiert weiter. Grasel und Borchert aber mischten den Prozess neu auf.

Zschäpe ließ ihr neues Anwaltsteam im Dezember 2015 eine Aussage verlesen. Ihre Einlassung widersprach der Anklage in wesentlichen Punkten. Im Kern ließ Zschäpe mitteilen: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben alle Verbrechen begangen, die dem NSU zugeordnet werden. Sie selbst sei nur mit den Raubüberfällen einverstanden gewesen, zur Sicherung des Lebensunterhalts im Untergrund.

Von den Morden und Anschlägen habe sie jeweils immer erst hinterher erfahren. Sie sei furchtbar entsetzt gewesen, hätte aber weitere Morde und Anschläge nicht verhindern können. Zschäpe ließ mitteilen, dass sie irgendwann resigniert und sich vermehrt dem Alkohol hingegeben hätte. Sie ließ sich als schwache Frau darstellen, emotional abhängig von den Uwes.

Vielleicht könnte der Prozess doch noch etwas länger dauern

Zschäpes Vertrauensanwälte Borchert und Grasel haben bereits im April dieses Jahres plädiert. Sie trugen vor, dass für ihre Mandantin eine Gesamtfreiheitsstrafe von maximal zehn Jahren tat- und schuldangemessen sei. Zschäpe sei nur wegen Beihilfe zu 15 Raubüberfällen und wegen besonders schwerer Brandstiftung zu verurteilen.

Dass Zschäpe Gründungsmitglied der terroristischen Vereinigung NSU gewesen sei, habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Auch eine Mittäterschaft an den Morden und Bombenanschlägen sei Zschäpe nicht nachzuweisen.

Heer, Stahl und Sturm hatten Zschäpe dringend zum Schweigen geraten. Wie die drei Verteidiger nun mit Zschäpes Einlassung und den Plädoyers ihres zweiten Anwaltsteams umgehen werden, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

Es sei denn, das Gericht hat vor, zunächst noch den Beweisanträgen der Verteidigung des Mitangeklagten Ralf Wohlleben nachzukommen. Dann könnte der Prozess doch noch ein bisschen länger dauern.

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