Medizin:Darum haben Fußballspieler häufig O-Beine

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Pierre Littbarskis O-Beine waren seinerzeit legendär. (Foto: imago sportfotodienst)
  • Chirurgen der Ludwig-Maximilians-Universität haben die Daten von mehr als 1300 Kickern analysiert, die dem Fußball schon während der Wachstumsphase als Leistungssport nachgingen.
  • Ergebnis: Die einseitige Belastung auf dem Rasen führt dazu, dass der Abstand zwischen den Knien im Mittel um 1,5 Zentimeter größer ist als bei Gleichaltrigen, die nicht Fußball spielen.
  • Als Ursache für die verbogenen Knochen wird die Belastung während der Wachstumsphase vermutet.

Von Werner Bartens

Machen Fußballer die Beine breit, steigt die Gefahr, dass sie vom Gegner "getunnelt" werden. Kicker mit O-Beinen sind in dieser Hinsicht - rein anatomisch - besonders gefährdet. Legendär die krummen Gräten des Kölners Pierre Littbarski, die unterhalb des Knies säbelförmig derart nach außen abbogen, dass wohl sogar im geschlossenen Zustand ein Ball hindurchgepasst hätte. Offenbar gehört die Neigung zu O-Beinen für Fußballer zum Berufsrisiko. Wer in der Jugend intensiv hinter dem Ball herjagt, leidet häufiger unter dieser Fehlstellung, wie Ärzte aus München im Deutschen Ärzteblatt zeigen.

Chirurgen um Peter Helmut Thaller und Julian Fürmetz von der Ludwig-Maximilians-Universität haben die Daten von mehr als 1300 Kickern analysiert, die dem Fußball schon während der Wachstumsphase als Leistungssport nachgingen. Die einseitige Belastung führt dazu, dass der Abstand zwischen den Knien im Mittel um 1,5 Zentimeter größer ist als bei Gleichaltrigen, die nicht Fußball spielen. Bei einem Teil der untersuchten Kicker litten fast doppelt so viele unter O-Beinen wie die fußballfreie Vergleichsgruppe.

Fehlstellung und Verschleiß drohen hauptsächlich bei Leistungssportlern

"Intensiv praktizierter Fußballsport erhöht bei Heranwachsenden das Risiko für O-Beine", sagt Thaller. "Wir nehmen an, dass sich bei Erwachsenen dadurch eher Arthrose im Knie entwickelt." Fehlstellung und Verschleiß drohen hauptsächlich bei Leistungssportlern. Die Jungkicker in der Studie spielten fünfmal pro Woche Fußball. Auf den Freizeitsport ließen sich die Ergebnisse "nicht übertragen", so die Ärzte aus München.

Bei Genu varum, wie O-Beine in der Fachsprache heißen, und anderen Fehlstellungen der Beine werden die Knie einseitig belastet; die Knorpel nutzen sich schneller ab. Pierre Littbarski hat sich daher - wie etliche andere ehemalige Fußballprofis auch - schon vor Jahren operieren lassen und "nur noch ein O-Bein", wie er seinerzeit mitteilte.

Als Ursache für die verbogenen Knochen der Kicker wird die Belastung während der Wachstumsphase vermutet. Während der Schuss- und Dribbelbewegungen sind die Adduktoren des Oberschenkels besonders beansprucht. Sie setzen an der Innenseite des Beines an, was in der Entwicklung die Biegung der Knochen nach außen verstärkt. Die Ärzte aus München halten den Zug der Muskeln an der Rückseite der Oberschenkel für noch bedeutsamer: Im Kniebereich zerren sie an der Innenseite des Gelenks doppelt so stark wie außen, sodass die Wachstumsfugen asymmetrisch belastet werden. Zudem schränken Stollenschuhe die Außendrehung im Stand ein, was die Neigung zu O-Beinen zusätzlich fördert.

Schiefe Beine müssen für Fußballer allerdings sportlich kein Nachteil sein. Dribbelkönig Littbarski brachte es auf 73 Länderspiele und wurde wie "Ente" Lippens, der den Spitznamen seiner charakteristischen Beinstellung verdankte, zum Publikumsliebling. Und Mané Garrincha, nach Pelé vermutlich der begabteste Fußballer Brasiliens seiner Zeit, kam gar mit einer Beinlängendifferenz von sechs Zentimetern zur Welt. Nach diversen Operationen stand er links auf einem O-Bein, rechts auf einem X-Bein. Der Spieler nutzte die medizinische Kuriosität, um Gegner mit anatomisch irritierenden Tempodribblings zu narren.

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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