Fifa:Infantino ist ein Unglück für den Fußball

68th FIFA Congress

Will erneut für den Vorsitz kandidieren: Fifa-Präsident Gianni Infantino.

(Foto: Getty Images)

Brutal und rücksichtslos - diese Wesenszüge verbinden Fifa-Präsident Infantino mit Politikern wie Donald Trump und Wladimir Putin. In Russland hat der Schweizer nun einen schmutzigen Wahlkampf eröffnet.

Kommentar von Thomas Kistner

Die Fußball-WM 2026 findet also in den USA, Mexiko und Kanada statt. Auf dieses Votum war am Ende alles zwingend ausgerichtet. Zwar stand nie in Frage, dass die Amerika-Allianz die bessere Offerte hatte, trotzdem brauchte es für den Zuschlag die Sorte Druckmittel, die Machthaber wie Donald Trump gerne benutzen - oder Gianni Infantino, sein Bruder im Geiste. Seit Marokko den Ring betrat, verfolgte die Sportwelt zunehmend geschockt, wie eng der Fifa-Boss bei der US-Bewerbung stand; er versuchte es kaum zu verschleiern.

Das ist Infantinos Stil. Brachial servierte er 2017 die renommierten Chefaufpasser in der Fifa ab, die ihm auf die Pelle zu rücken begannen - skrupellos pushte er jetzt die US-Bewerbung. Das stille Ansinnen, Marokko schon vor der Wahl auszubooten, scheiterte wie andere Vorhaben am Widerstand der eigenen Ratsmitglieder. Den Weg zum Sieg fand Infantino, indem er Trump einfach gewähren ließ, als sich der US-Präsident brutal ins WM-Rennen einmischte. Trump drohte öffentlich jedem Land politische und wirtschaftliche Konsequenzen an, das nicht für die USA stimmen werde. Und die Fifa stoppte diesen erpresserischen Vorgang nicht einmal, als Drittweltländer aus Angst vor dieser Drohung ihre Sportvertreter offiziell auf US-Kurs festlegten. Damit war Marokko erledigt, weil ja diesmal jedes Votum offengelegt werden musste. Und wegen eines Fußballturniers in acht Jahren legt sich kein Staat mit einem so mächtigen Mann wie Trump an.

Die gern auch gewaltsame Durchsetzung eigener Interessen, ohne Rücksicht auf institutionelle oder gar persönliche Imageschäden - dieser Wesenszug verbindet Fußballboss Infantino mit jenen Politikern, vor denen er in diesen Tagen das Knie beugt: mit Trump, aber auch mit Wladimir Putin. Den russischen Herrscher wird der Fifa-Autokrat in den nächsten Wochen umschwärmen wie ein Teenager seinen Lieblings-Youtuber.

So hat die Integrität der Fifa beim zweiten Kongress unter Infantino einen neuen Tiefstand erreicht. Keine Sorge, tiefer geht es immer noch. Dort wäre das Infantino-Regnum ja schon angelangt, hätte nicht eine Entwicklung eingesetzt, die in der Weltfußballpolitik bis vor Kurzem als undenkbar galt: Immer öfter wendet sich der Fifa-Rat gegen den Boss. Schon zwei Herzensprojekte des auf leere Kassen starrenden Infantino blockte das Gremium ab: neue Turnierformate, für die eine bis heute unbekannte Investorengruppe offenbar unter Führung Saudi-Arabiens 25 Milliarden Dollar bietet; dazu die Aufstockung bereits der Katar-WM 2022 auf 48 Teams.

Gefahr ist in Verzug - das weiß Infantino, weshalb er in Moskau seinen Wahlkampf eröffnete. Mit jener verblasenen Weltverbesserungsmetaphorik, die er all seinem Treiben beigibt. Warum er 2019 wieder antritt? Weil er an "die Augen der Kinder in Haiti, São Tomé und Ruanda" glaubt, die leuchten, wenn man ihnen einen Fußball gibt.

Es steht ein schmutziges Ringen um den Fifa-Thron bevor

Noch Fragen? Tatsächlich steht ein schmutziges Ringen um den Fifa-Thron bevor. Immer mehr Funktionäre in Europa und Asien halten Infantino für ungeeignet; in Afrika hat er mit seiner Anti-Marokko-Politik viel Erde verbrannt. Problematisch ist zudem die Finanzlage: Im Westen, wo der Spitzenfußball beheimatet ist, findet die Fifa kaum mehr Sponsoren. Gesichtslose Rohstoff- und Mischkonzerne von Gazprom bis Wanda stopfen die Haushaltslöcher, doch evident ist, dass es hier nicht um Werbung geht, sondern um neue wirtschaftspolitische Verdrahtungen. Vielleicht steht China ja schon 2022 bereit, falls das zunehmend in Ungnade geratene Katar noch im Zuge der WM-Vergabe-Ermittlungen ins Straucheln geriete?

Im Wahlkampf-Modus erzählte Infantino jetzt dem Kongress, was so ein Anführer wie er zuvorderst können müsse: anderen zuhören. Dass es Visionen brauche, Leidenschaft und Humanität. Bleibt die Frage, warum er dann selbst antritt. Der Mann hat in nur zwei Jahren bewiesen, dass er ein Unglück für den Fußball ist.

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