Serbien:Viele Talente und ein Hirn

Serbien: Sergej Milinkovic-­Savic (r.) ist bei Lazio Rom zum vielleicht stärksten defensiven Mittelfeldspieler der Serie A aufgestiegen. In Serbiens Nationalteam aber muss er sich noch etablieren.

Sergej Milinkovic-­Savic (r.) ist bei Lazio Rom zum vielleicht stärksten defensiven Mittelfeldspieler der Serie A aufgestiegen. In Serbiens Nationalteam aber muss er sich noch etablieren.

(Foto: Joe Klamar/AFP)

Die Serben hoffen, vom Jahrgang der U20-Weltmeister 2015 zu profitieren. Doch erfahrene Stützen des Teams sind rar - oder schon über ihren Zenit hinaus.

Von Fabian Ruch

Vielleicht kommt die WM 2018 für die serbische Nationalmannschaft zu früh. Sie befindet sich nach schwierigen ­Jahren im personellen Umbruch, qualifizierte sich aber erstmals seit 2010 wieder für ein großes Turnier. "Die Hoffnungen in Serbien sind groß, dass unsere Auswahl dank der vielen Talente bald wieder eine bedeutende Rolle spielen kann", sagt einer, der es wissen muss. Miralem Sulejmani galt einst selbst als großes ­Talent - weit über Serbien hinaus. Er ist jetzt trotzdem nur Zuschauer.

Dass der 29 Jahre alte Flügelspieler der Young Boys Bern und langjährige Nationalspieler (20 Länderspiele) nicht für die Weltmeisterschaft aufgeboten wurde, sorgte auch in seiner Heimat für Verwunderung, zumal die ­Seitenpositionen nicht erstklassig besetzt sind. Rund um die serbische Mannschaft gibt es verschiedene Einflüsse, "kompliziert" nennt Sulejmani die Verhältnisse, betont aber, er sei bei der WM trotzdem Fan. "Serbien hat gute Chancen, Rang zwei in der Gruppe zu erreichen.", sagt er.

In Serbiens Fußballverband ­geschehen mitunter merkwürdige Dinge. Nationalcoach Slavoljub Muslin etwa wurde nach vollbrachter WM-Qualifikation im letzten Herbst entlassen - wegen Differenzen bei der Kaderzusammenstellung. Muslin hatte beispielsweise das größte Talent Serbiens, den mittlerweile 23-jährigen ­Sergej Milinkovic-Savic, nie eingesetzt. Erst Nachfolger Mladen Krstajic, der frühere Verteidiger von Werder Bremen und Schalke 04, verhalf dem Mittelfeldspieler zum ­Debüt. "Es ist richtig und konsequent, auf die Jungen zu setzen", sagt Sulejmani, "sie können bei der WM viel lernen."

Milinkovic-­Savic, 1,91 Meter groß, ist ein torgefährlicher, dominanter Stratege, der bei Lazio Rom zum vielleicht stärksten defensiven Mittelfeldspieler der Serie A aufgestiegen ist. Absolviert er eine überzeugende WM, könnte er für einen sehr hohen Preis zu einem europäischen Topverein wechseln. In Serbiens Nationalteam aber muss sich Milinkovic-Savic noch etablieren. An seiner Seite steht in Nemanja Matic, 29, von Manchester United ein weiterer robuster und intelligenter Spieler im Zentrum. Finden die Ausnahmekönner zueinander, bilden sie eine Schaltzentrale von Weltklasseformat. "Matic ist mit seiner Ruhe und Erfahrung das Hirn der Mannschaft", sagt Sulejmani.

Milinkovic-Savic, 2013 U-19-Europameister und 2015 ­U-20-Weltmeister, und Matic ­stehen für die Mischung aus Jung und Alt im Team. Aus dem weltmeisterlichen U-20-Kader von vor vier Jahren figurieren sieben Spieler im WM-Aufgebot, darunter ­der Bremer Verteidiger Milos Veljkovic. Noch sind die meisten Talente aber nicht Stammspieler im Nationalteam.

Die anderen Mannschaftsteile fallen gegenüber dem zentralen Mittelfeld teilweise krass ab. "Spielt der Gegner schnell, kann die Abwehr Probleme bekommen", sagt Sulejmani, "aber das sind alles enorm routinierte Spieler." Torwart Vladimir Stojkovic, 34, von Partizan Belgrad ist in Serbien eine Legende, doch seine Glanzzeiten sind vorbei. Und die Abwehrstützen Aleksandar Kolarov, 32, Branislav Ivanovic und Antonio Rukavina, beide 34, spielen nicht mehr bei Manchester City, Chelsea und Dortmund - sondern bei AS Rom, Zenit St. Petersburg und Villar­real. Auch sie bestreiten wie Stojkovic wohl ihre letzte WM. "Sie führen das Team und sind Fußballer, die in großen Partien über sich hinauswachsen können", sagt Sulejmani.

Im Sturm fehlt zwar ein ausgewiesener Torjäger, aber Aleksandar Mitrovic, 23, hat als Leihgabe von Newcastle United in der Rückrunde mit 12 Toren in 17 Einsätzen ­mitgeholfen, Fulham zurück in die Premier League zu führen. "An guten Tagen ist er kaum zu bremsen", sagt Sulejmani. Mitrovic ist unberechenbar - und steht damit sinnbildlich für seine Nationalmannschaft.

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