Tickets bei der Fußball-WM:Orange Sitze, die keiner will

WM 2018 - Ägypten - Uruguay

Viele leere Plätze unmittelbar vor Anpfiff des Spiels Ägypten gegen Uruguay in Jekaterinburg.

(Foto: Vadim Ghirda/dpa)
  • In den ersten WM-Spielen fällt auf, dass viele Sitze auf den Tribünen leer bleiben.
  • Russische Politiker machen die Fifa dafür verantwortlich, weil Sponsoren-Kontingente nicht genutzt worden seien.
  • Aber auch um ein normales Ticket zu kaufen, braucht man eine Fan-ID - und muss viel Geld zahlen.

Von Martin Schneider, Moskau

Das zweite Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland: Ägypten spielt in Jekaterinburg gegen Uruguay und bei jedem Kameraschwenk sieht man orangene Sitzschalen. Fast das gleiche Bild bei Marokko gegen den Iran, nur mit blauen Sitzschalen in Sankt Petersburg - selbst beim Eröffnungsspiel zwischen Russland und Saudi-Arabien blieben Sitze auf der Haupt- und Gegentribüne leer.

"Vielleicht hat das Wetter den einen oder anderen abgeschreckt", sagte Alexej Sorokin, Generaldirektor des WM-Organisationskomitees, der Zeitung Sport-Express zum Spiel Ägypten gegen Uruguay. "Wir haben eine ausreichende Zahl von Karten verkauft: etwa 32 000. Vielleicht kommen die Fans ja noch", rätselte er. Laut Fifa wurden 32 278 Karten abgesetzt, die Arena jenseits des Urals fasst offiziell 35 696 Plätze. Warum das Stadion trotzdem so leer war, soll nun untersucht werden.

Drei Gründe kommen dafür in Frage: Sponsoren-Tickets werden nicht genutzt, die Fans wollen keine Fan-ID beantragen - oder die Karten sind schlicht zu teuer.

Hürden sind die Fan-ID und Ticketpreise

Um als Normalsterblicher ein Spiel bei dieser WM zu sehen, braucht man prinzipiell zwei Dokumente: Eine Fifa-Eintrittskarte und, wenn man so will, eine Eintrittskarte, die der russische Staat verlangt. Die nennt sich Fan-ID. Das Verfahren läuft so: Wenn man zum Beispiel als Deutscher eine Eintrittskarte für ein Spiel bekommen hat, muss man eine Fan-ID beantragen. Die dient als Visum während der Zeit der WM, man muss sie schon am Flughafen vorzeigen und erlaubt dem Inhaber, sich bis zu zehn Tage nach dem Finale in Russland aufzuhalten. Außerdem dient sie auch als Fahrkarte für diverse Nahverkehrsmittel.

WM 2018 - Wladimir Putin und Gianni Infantino

Russlands Präsident Wladimir Putin und Fifa-Präsident Gianni Infantino präsentieren ihre Fan-ID.

(Foto: Alexei Nikolsky/dpa)

Aber um sie zu bekommen, muss man Informationen wie zum Beispiel die Passdaten, die E-Mail-Adresse und die Mobilfunknummer dem Ministerium für Digitale Entwicklung, Kommunikation und Medien der Russischen Föderation übermitteln und zustimmen, dass diese Daten auch weitergegeben werden können. Auch wenn man russischer Staatsbürger ist braucht man diese ID, selbst Kinder. Vor den Stadien gibt es ganze Zeltreihen, wo das Dokument ausgegeben wird.

Die zweite Hürde ist der Ticketpreis. Bei einem normalen Gruppenspiel werden die Tickets in vier Kategorien eingeteilt (Übersicht der Preise hier): Sie kosten umgerechnet 172 Euro (Kategorie 1), 135 Euro (Kategorie 2) und 86 Euro (Kategorie 3). Dann gibt es noch die Kategorie 4, diese Tickets sind mit 17,50 Euro deutlich günstiger, aber um sie kaufen zu können, muss man russischer Staatsbürger sein. Es gibt nicht viele Plätze dieser Kategorie 4 und meist sitzt man dann auch im obersten Eck des Stadions.

Auf dieser Übersichtsseite der Fifa, kann man sich die Aufteilung der Kategorien in jedem Stadion anschauen, allerdings mit dem Hinweis im Kleingedruckten, dass die Grafiken nur eine "mögliche Lage" einer Ticket-Kategorie darstellen würden und die Grenzen der Kategorien "von Spiel zu Spiel variieren können". Theoretisch ist also möglich, die Plätze der Kategorie 4 auszuweiten, wenn die anderen Tickets nicht verkauft werden. Also nach dem Motto: Wenn wir die teuren Tickets nicht loswerden, lassen wir mehr Einheimische für 17,50 Euro ins Stadion.

Viele Plätze gegen an Fifa-Sponsoren

Wenn die Grafiken aber zumindest grob die Verteilung wiedergeben, dann liegt die teuerste Kategorie 1 meist auf der Haupt- oder Gegentribüne - also genau dort, wo man im Fernsehen vor einem Millionenpublikum die freien Plätze am besten sieht.

Viele dieser Plätze gehen im Paket an Fifa-Sponsoren, die sie in der Regel wiederum an Mitarbeiter oder Geschäftspartner verteilen. Haben diese Leute keine Lust oder keine Chance, nach Jekaterinburg zu fahren, sieht man eben einen orangenen Sitz. Russische Politiker machen für dieses schlechte Bild den Weltfußballveband verantwortlich, der für die Sponsoren-Kontingente zuständig ist.

Normale russische Fans haben in diesem System allerdings kaum eine Chance, ein nicht-vergünstigtes Ticket zu erwerben. In manchen Städten liegt das monatliche Durchschnittseinkommen der Menschen zwischen 200 und 700 Euro. Und ab den Achtelfinalspielen wird es natürlich noch teurer.

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