Geldstrafe kassiert:Illegales Autorennen in Karlsfeld

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Seit Langem beschweren sich Bürger über den nächtlichen Lärm von Rasern. Die Polizei ist machtlos. Jetzt sitzen zwei 21-Jährige auf der Anklagebank, die mit getunten Sportkarossen die Münchner Straße heimgesucht haben

Von Thomas Radlmaier, Karlsfeld

Die Ampeln sind aus, als sich an einem Wintermorgen gegen 1.45 Uhr ein BMW M2 und ein Audi RS 3 auf der Münchner Straße in Karlsfeld nebeneinander in Startposition bringen. Über dem Asphalt liegt Dunkelheit. Der Bürgersteig ist verlassen. Auf der Straße kaum Verkehr. Die Fahrer legen den ersten Gang ein. Sie warten auf das Startsignal. Die Motoren heulen auf. Unter der einen Haube rattern 370 PS, unter der anderen 340. Von hinten nähert sich ein Alfa Romeo. Der Fahrer, ein 56-jähriger Dachauer, wundert sich, warum die beiden Sportkarossen halten. Er leuchtet zwei-, dreimal auf. Dann rauschen der BMW und Audi davon.

Zwei junge Männer, beide 21 Jahre alt, sind in dieser Nacht Ende Januar zu einem Kräftemessen zusammengekommen. Sie beschleunigen ihre hochmotorisierten Wagen und stoppen sie nach eine kurzen Strecke. Das wiederholen sie an diesem Abend fünfmal. Jetzt sitzen sie mit ihren Anwälten auf der Anklagebank des Dachauer Amtsgerichts. Man wirft ihnen vor, mit den Autos um die Wette gefahren zu sein. "Verbotenes Kraftfahrzeugrennen", heißt das in der Rechtssprache. Die Angeklagten gestehen.

Immer wieder beschweren sich Anwohner in Karlsfeld über nächtlichen Lärm, den Raser verursachen sollen. Diese sollen mit ihren getunten Autos über die Münchner und Allacher Straße und durch das Gewerbegebiet brettern. Auch in Dachau sollen immer wieder illegale Autorennen stattfinden. Die Polizei ist machtlos. Wenn die Beamten wegen einer Anwohnerbeschwerde mit Blaulicht anrücken, sind die Fahrer längst über alle Berge. Doch bei den beiden 21-jährigen Karlsfeldern, die sich am Dienstag vor Gericht verantworten müssen, war es anders.

Ein 56-jähriger Dachauer hat an dem Januarmorgen gerade Feierabend gemacht. Er fährt mit seinem Alfa Romeo von seinem Arbeitsplatz in Karlsfeld über die Münchner Straße nach Hause. Er hat den Tempomat angemacht. Die Tachonadel liegt bei Strich 60 Kilometer pro Stunde. An der Kreuzung zur Bajuwarenstraße blockieren der BMW und der Audi beide Fahrspuren. Der 56-Jährige gibt ihnen eine Lichthupe. Er erzählt, die beiden Autos seien daraufhin "mehr als zügig" losgefahren und hätten wenig später wieder gestoppt. Als er sich mit seinem Romeo wieder genähert habe, hätten die beiden Fahrer wieder Gas geben. "Speed, bremsen, Speed, bremsen." Das Ganze habe sich von der Kreuzung bis zur Allguth-Tankstelle viermal wiederholt. Wie schnell die Autos gefahren seien, könne er nicht sagen.

Der Alfa-Romeo-Fahrer ruft die Polizei über die Freisprechanlage. Die Beamtin am anderen Ende der Leitung habe ihm gesagt, er könne die Verfolgung aufnehmen, solle sich aber nicht gefährden, sagt der Dachauer. Also sei er hinterhergefahren. An der Tankstelle wenden der BMW und der Audi. Sie beschleunigen und bremsen zwei weitere Male. Dahinter folgt der Romeo. Der 56-Jährige glaubt, dass ihn die beiden Fahrer bemerkt haben. An der Kreuzung zu Bajuwarenstraße habe ihn der Audi ausbremst, damit der BMW davonfahren könne. Dann sei der Audi weggerauscht.

Die beiden Karlsfelder bestreiten die Vorwürfe zunächst. Der Anwalt des Audi-Fahrers sagt, sein Mandat sei ein "Autoliebhaber". Ein Freund hat demnach für ihn den Audi RS3 für 24 Stunden gemietet, da ihn das Fahrzeug interessierte. Er habe es zusammen mit Freunden, die ebenfalls im Auto saßen, testen wollen. Der BMW-Fahrer gibt über seinen Anwalt an, man habe sich nur zufällig an einer Kreuzung getroffen. Dort wollen die beiden kurz nebeneinander gestanden haben, um sich bei heruntergelassenem Fenster abzusprechen, zu welcher Tankstelle man fahren soll. Angeblich entschieden sie sich für die Aral-Tankstelle in Dachau, um "die Autos im Licht anzuschauen und zu vergleichen". Doch großartig beschleunigt habe man nicht. Weder der Staatsanwalt noch Richter Tobias Bauer glauben dieser Version. Nach einer kurzen Beratungspause mit ihren Verteidigern, räumen die beiden Karlsfelder die Vorwürfe schließlich ein.

Im vergangenen Jahr hat der Bundestag beschlossen, Strafen für illegale Autorennen zu verschärfen. Seitdem gelten diese als Straftat. Unter Umständen droht Rasern das Gefängnis. Gleichwohl bewertet Richter Bauer den Fall der beiden Karlsfelder als weniger gravierend. "Sie sind nicht bekloppt durch die Gegend gerast", sagt er. Vielmehr hätten sie sich im Beschleunigen gemessen und niemanden gefährdet, da die Straße leer gewesen sei. Für die beiden jungen Männer spreche auch ihr Geständnis. Bauer verurteilt die 21-Jährigen zu einer Geldstrafe. Außerdem müssen sie ihren Führerschein für drei Monate abgeben. Beide bedauern ihr Handeln.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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