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WM 2018 - Claudia Neumann

Claudia Neumann

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

Die Fußball- Kommentatorin wird zum Ziel von Hass und Spott im Netz.

Von Laura Hertreiter

Die Jahre kommen, die Jahre vergehen, Claudia Neumann kommentiert Fußballspiele, und immer wieder mal wird sie dafür abgewatscht. Die einen nervt die Stimme der 54 Jahre alten ZDF-Reporterin, die anderen ihre Wortwahl, wieder andere ihre Einschätzungen. Und ganz grundsätzlich nervt viele, dass Claudia Neumann kein Mann ist.

Das war schon 2011 so, als sie als erste Frau im deutschen Fernsehen die Fußball-WM der Frauen kommentierte. Das war auch 2016 so, als sie als erste Frau im deutschen Fernsehen die Fußball-EM der Männer kommentierte. Und das ist auch in diesem Jahr so, in dem sie am Dienstag ihr drittes Spiel bei der Männerfußball-WM in Russland am Mikrofon begleitet hat. "Lieber ohne Ton", "Bitte feuern", "Soll Kunstturnen kommentieren", "Zeit, Abendessen zu machen, liebe Frau", sind die zivilisiertesten Beleidigungen, die man dazu auf Twitter und Facebook findet. Außerdem sind da noch Boshaftigkeiten zu ihrem Aussehen, wilde Spekulationen über ihre Sexualität, heftige Drohungen. Manchmal schon vor dem Anpfiff.

Claudia Neumann kennt das. In Interviews hat sie oft erzählt, dass sie Hass und Häme aus dem Internet nicht an sich heranlasse, dass die Gesellschaft "wohl doch noch nicht so offen" sei. Während der EM in Frankreich wischte die Rheinländerin alle Beleidigungen mit den Worten beiseite: "Sonst kriegen meine männlichen Kollegen das alles ab. Ich habe sie dieses Mal ein bisschen entlastet."

Stimmt natürlich. Vor drei Jahren etwa hatten Fußballfans das Auto ihres Kollegen Marcel Reif attackiert, und einmal warf ihm jemand einen Bierbecher an den Kopf. Bisweilen eskalierende Kritik gehört also zum Berufsrisiko. Aber als Neumann nun ihr drittes WM-Spiel in Russland begleitete, geriet der Dialog mit einigen Zuschauern so außer Kontrolle, dass sich das ZDF einschaltete.

"Das ist unterste Schublade", sagte der Sportchef des Senders, Thomas Fuhrmann, über die Anfeindungen. "Hier wird offensichtlich etwas Grundsätzliches berührt: Eine Frau kommentiert ein Spiel der Männer-WM. Manche drehen da im Netz völlig durch." Die Reaktion dort sprenge "alle Grenzen", Hasskommentare wurden gelöscht. Claudia Neumann selbst äußerte sich dazu erst einmal nicht.

In der Live-Übertragung des 2:1-Siegs der Japaner gegen Kolumbien am Dienstag hatte sie zwei Spieler der japanischen Mannschaft verwechselt, mehrere Minuten lang hielt sie den Mainzer Stürmer Yoshinori Muto für Yuya Osako, der beim 1. FC Köln unter Vertrag steht, auch dass sie Juan Cuadrado, der sich auf der rechten Seite festgelaufen hatte und folglich ausgewechselt wurde, den "agilsten" Kolumbianer nannte, wurde als Fehleinschätzung bewertet.

Vor allem die dauerhafte Verwechslung wirft die Frage auf, inwiefern die Kollegen in der ZDF-Redaktion der Kommentatorin am anderen Ende des Headsets eine Hilfe waren. Neumann hat oft genug betont, man möge sie bitte nicht vor allem als Frau oder gar Frauenrechtlerin sehen, sie sei einfach eine Sportreporterin, die einen guten Job machen wolle. Aber keine von denen, die den Fußball "attraktiver" machen sollen. Ein Kleid trug sie nach eigenen Angaben zuletzt bei ihrer Kommunion. Aber auch damals wäre ihr ein Trikot lieber gewesen, auf dem Schulhof spielte sie im Sturm.

In den Neunzigern begann Claudia Neumann ihre Karriere als Sportreporterin bei der Fußballsendung "ran". Inzwischen berichtet sie seit vielen Jahren für das "Aktuelle Sportstudio", ist bei Champions-League-Partien vor und hinter der Kamera im Einsatz. Als vor drei Jahren der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp nach einer Niederlage auf kritische Fragen hin immer patziger wurde und sie anfuhr, sie sitze hier "wie im Urlaub", brach sie das Interview ab und kommentierte den Vorfall mit einem Schulterzucken und den Worten: "Fußball ist halt nicht Eiskunstlauf."

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